Hat die Handarbeit noch Zukunft? Geht Schreinern und Tischlern der qualifizierte Nachwuchs aus? Ist Selber-Produzieren noch wirtschaftlich? Wird CNC-Technik in kleineren Betrieben zukünftig zum Standard gehören? Ist Spezialisierung der Schlüssel zum Erfolg? Oder ganz allgemein: Wo liegen zukünftig im Schreinerhandwerk die Chancen und Möglichkeiten? Was müssen die Schreiner besser in den Griff bekommen? Und: Was wäre – was das Schreinerhandwerk angeht – Ihr größter Wunsch? Das alles – und noch viel mehr – wollten wir von Tischlern und Schreinern aus ganz Deutschland erfahren. Lesen Sie hier, was Ihre Kollegen geantwortet haben.
»Die Industrie wird nie der Tischler von nebenan sein«
Statt sein Medizintechnikstudium zu beenden, fand Jan Dieberg (28) seine Zukunft als Tischler in den Werkstätten Dickerhoff, 44803 Bochum. Aktuell besucht er die Meisterschule für das Schreinerhandwerk in Ebern.
Losgröße 1 hin oder her: Die Industrie wird nie der Tischler von nebenan sein. In lokalen Tischlerbündnissen kann die fortschreitende Vernetzung dabei helfen, wirtschaftlich zu bestehen, flexibel zu agieren und die regionale Nachhaltigkeit kann als Verkaufsargument dienen. So müssen wir den Altgesellen zeigen, dass ihnen das Bearbeitungszentrum nichts wegnehmen will, sondern ihre Erfahrungen aktiv abfragen und in die moderne Arbeitsvorbereitung einfließen lassen.
Um die nachwachsende Generation zu begeistern, ist es neben abwechslungsreichen Tätigkeiten wichtig, nicht nur dem Kunden gegenüber maximal flexibel zu bleiben. Ein offenes Ohr für die Mitarbeiter zu haben, ihre familiäre Situation in Sachen Arbeitszeiten zu berücksichtigen oder ihre persönlichen Stärken nach Kräften einzusetzen, ist der Anfang des Wandels – entsprechend zu handeln, wohl die Zukunft der Branche.“ (mh)
»Kooperation mit Kollegen ist ein Muss«
Jörg Klintworth (55) ist Geschäftsführer der Jörg Klintworth Tischlerei GmbH in 21717 Helmste. Außerdem ist er Obermeister der Tischlerinnung Stade und Kreishandwerksmeister der KHW Stade.
Nach vorne bringt uns auch ein Umdenken, was den Umgang mit Kollegen angeht. Die meisten Tischlereien sind Mischbetriebe. Aber seien wir doch mal ehrlich: Man kann nicht mehr alles selber machen. Um trotzdem am Markt konkurrenzfähig und wirtschaftlich auftreten zu können, ist Kooperation mit Kollegen der Branche fast schon ein Muss. Mein Motto: Mache das, was du am besten kannst, selber. Alles andere kaufe bei einem Innungskollegen! So schaffen wir es auch, uns gegenüber den Möbel- und Einrichtungshäusern durchzusetzen. Das gelingt uns nur, wenn wir uns breiter aufstellen – beispielsweise durch die angesprochene Kooperation mit Kollegen. In Sachen Service, Beratung und Fachkompetenz sind wir Tischler ohnehin die Nummer 1 für individuelle Problemlösungen. Das betrifft sehr viele Bereiche – z. B. Individualmöbel, Einbruchsicherung, energetische Bauelemente wie Fenster und Haustüren, Sanierungen oder auch den kreativen Materialmix im Wohn- und Bürobereich. Und unsere Produkte überzeugen ökologisch und ökonomisch. All das müssen wir unseren Kunden aber auch sagen – ihnen vermitteln, dass wir hochwertige, langlebige Produkte bauen. Und dass Qualität einfach ihren Preis hat. Allerdings steht auch fest: Wer billigt kauft, kauft zweimal!“ (cn)
»Wir werden Götter in Latzhosen sein«
Schreinermeister Matthias Brack ist Geschäftsführer der Brack Wintergarten GmbH in 87452 Altusried und unterstützt Schreinereien bei der betrieblichen Organisation.
Die zweite große Herausforderung wird das Thema Fachkräfte sein. Der Verband macht bei der Nachwuchswerbung schon sehr gute Arbeit, aber letztendlich muss der einzelne Betrieb aktiv werden und sich fragen: Was biete ich einem Interessenten? Und was biete ich nicht? Zum Beispiel ist bei uns im Sommer Hochsaison und im Winter Saure-Gurken-Zeit. Weshalb ein Mitarbeiter mit einer Frau, die Lehrerin ist, und der im Sommer vier Wochen am Stück Urlaub haben möchte, schlecht zu uns passt. Ich habe deshalb einige Mitarbeiter, die im Alpenverein als Tourengeher und auf der Skipiste aktiv sind. Auch hier geht es darum, eine Marke zu schaffen und sich seiner Möglichkeiten bewusst zu werden. Dabei muss mir klar sein, dass es heute ein neues Rollenverständnis und neue Familienmodelle gibt. Mitarbeiter, die ohne mit der Wimper zu zucken, jede Überstunde machen können, werden seltener werden.
Die dritte große Herausforderung ist es, die Durchgängigkeit von der Software bis zur Maschine herzustellen. So viele reden von Industrie 4.0, aber in der Praxis stehen wir da mit vielen unterschiedlichen Systemen – zum Entwerfen, Konstruieren, für die Maschinensteuerung, Kalkulation und Zeitplanung, von den Office-Anwendungen mal ganz abgesehen – und alle sollen sich verstehen, aber kaum einer schafft durchgängige Schnittstellen. Für den einzelnen Schreiner ist es sehr schwierig, den Überblick zu behalten und sich für das Richtige zu entscheiden. Ich wünsche mir eine gemeinsame Sprache der Softwarehersteller, mehr offene Schnittstellen, mehr Durchgängigkeit. Ich weiß, das ist sehr vielschichtig, aber ohne Vernetzung geht in Zukunft nichts mehr.
Mein größer Wunsch aber ist es, dass die Schreiner ihre Chancen und Möglichkeiten sehen und sie mit Stolz und Überzeugung ergreifen. Denn in Zukunft werden die Handwerker, die etwas können, wieder hohes Ansehen genießen. Dann wird es neben den ‚Göttern in Weiß‘ vielleicht auch ‚Götter in Latzhosen‘ geben.“ (ra)
»Die Chancen liegen in der Individualität«
Karsten Paelecke (46) ist Tischlermeister, Dipl.-Ing. Architektur (FH) und Geschäftsführer der Tischlerei Paelecke GmbH in 38162 Cremlingen.
Aber auch in der Zusammenarbeit mit Kollegen hat sich einiges geändert. Kooperationen und gut funktionierende Netzwerke sind wichtiger denn je, um Auftragsspitzen abzudecken, um spezielle Leistungen anbieten zu können oder einfach um nur mal den Blick über den eigenen Tellerrand zu erweitern. Aber bitte immer auf Augenhöhe – und im Zweifelsfall auch mal einen Kunden zum Kollegen schicken, weil der was besser kann. Auch wichtig: auf jeden Fall ausbilden, denn der Nachwuchs ist unsere Zukunft. Der nicht ausgebildete Azubi von heute, wird morgen auch kein Geselle und später Meister. Allerdings muss der Nachwuchs auch was mitbringen: neben den notwendigen Grundfertigkeiten vor allem Lust auf Holz und handwerkliche Arbeit – und ganz wichtig: den Biss dabeizubleiben, auch wenn’s anstrengend wird.
Was mich ärgert? Die ständig zunehmende Bürokratie: Abgaben da, Kassenbuch hier, Arbeitssicherheit dort! Vorschriften, Vorschriften, Vorschriften – da muss sich was tun! Was ich mir wünsche? Mal einen Tag ohne Telefon, Handy, Internet und den ganzen Wahnsinn, um in Ruhe das tun zu können, was ich am liebsten mache: tischlern.“ (hf)
»Das Niveau orientiert sich zu oft an den Schwächsten«
Felix Rabe (23) ist Schreinergeselle aus 35117 Simtshausen und studiert derzeit Architektur in Darmstadt.
Die Berufsschule war auch so ne Sache: Ich finde sie total wichtig, allerdings hätte ich mir gewünscht, dass jeder dort abgeholt wird, wo er oder sie steht. Allzu oft orientiert sich das Niveau an den Schwächeren, die leider auch nicht immer die Motiviertesten sind – das hat mich schon genervt. Ich hätte mir eine ausführlichere handwerkliche Ausbildung gewünscht, das steht und fällt aber halt auch mit dem Engagement der Lehrer. Mein bisher beeindruckendstes Erlebnis als Schreiner? Ein dreimonatiger Aufenthalt in der Entwicklungshilfe in Ruanda – die Arbeit als Ausbilder dort, das Land und die Natur, die Menschen. Ich kann ein solches Praktikum nur jedem Schreiner empfehlen.“ (hf)
»Wann kommt die Maschinensteuer?«
Sebastian Bächer (34, links im Bild) ist Geschäftsführer der Tischlerei Bächer Bergmann GmbH in Köln und ein CNC- sowie CAD/CAM-Talent, das gerne mit neuen Technologien wie 3D-Druck, Roboterarm oder Laser experimentiert und arbeitet.
Die Nische der Tischler wird immer kleiner, aber es wird sie weiterhin geben. Während die Big Player den Massenmarkt abdecken, müssen die Kleinen sich weiter spezialisieren. Unsere große Stärke: Wir sind Generalisten und sehen das Ganze. In Zukunft werden wir außerdem immer mehr zum Gestalter, übernehmen die Rolle von Innenarchitekten, arbeiten mit verschiedenen Werkstoffen und Maschinen. Weil wir häufig gewerkeübergreifend angefragt werden, müssen wir unser Netzwerk pflegen.
Wenn ich bei der Innung Vorträge über moderne Technologien wie 3D-Scanner, Laser, Roboter oder Virtual-Reality-Brillen halte, gehe ich der Diskussion aus dem Weg, inwiefern das den Tischler betrifft. Wir sind auf der zweiten Hälfte des Schachbrettes: Keiner kann mehr voraussagen, wohin die Reise geht. Machen Kunden ihr Aufmaß bald selbst? Holen sie sich ihr Design bei Amazon? Was passiert mit dem Tischler nach der 4.0-Welle? Geht es zurück zu den Wurzeln? Oder sprechen wir bald von 5.0?
Es gibt viele, die glauben, computergesteuerte Maschinen machen das Tischlerhandwerk kaputt. In meinen Augen erweitern sie es und eröffnen neue Möglichkeiten. Klar: Das hat Einfluss auf Formensprache und Design, weshalb es komplexer und aufwendiger wird. In meinen Augen ist es jedoch der gesellschaftliche Wandel, der das Handwerk auf die Probe stellt. Da müssen wir uns flexibel präsentieren und den Kunden entgegenkommen. Trotzdem glaube ich, dass wir eine Maschinensteuer brauchen. Durch die Automatisierung der Produktionsstätten werden viele wertschöpfende Tätigkeiten von Maschinen und Robotern übernommen. Diese sollten – genau wie jeder Angestellte – Steuern zahlen. Nur so kann man eine Art Konkurrenz zu den Maschinen aufbauen. Denn bei aller Begeisterung für Technik finde ich: Man muss die Dinge hinterfragen – auch den technologischen Fortschritt.“ (nr)
»Es ist toll, etwas aus Holz zu erschaffen«
Johannes Schnitzler (18) ist Auszubildender im ersten Lehrjahr in der Schreinerei Rönnefarth, 53507 Dernau.
Es macht mir sehr viel Spaß, in der Werkstatt zu sein und Dinge zu erschaffen, an denen andere Menschen ihre Freude haben. Man sollte natürlich keine zwei linken Hände haben. Und kreativ sein, gerne etwas gestalten. Ich habe schon in meiner Kindheit und Jugend immer gerne meinem Großvater in dessen Werkstatt geholfen.
Spannend finde ich den Mix aus Handarbeit und modernen Maschinen. Es ist wichtig, mit der Technik zu gehen. Ich bin schon gespannt, was mich da in der Ausbildung alles erwartet und freue mich sehr auf drei interessante Jahre. Mal sehen, vielleicht wird ja ein Berufsleben daraus, vorstellen kann ich mir das jedenfalls sehr gut.“ (cn)
»Uns fehlen Wertschätzung und Solidarität«
Barbara Galla (60) ist gelernte Schreinerin. Nach der Ausbildung sammelte sie als Gesellin insgesamt zwölf Jahre Erfahrung in zwei sehr verschiedenen Tischlerei-Betrieben und arbeitet heute im Ressort Bildungs- und Qualifizierungspolitik der IG Metall.
Die Zahl der Azubis im Schreiner- und Tischlerhandwerk ist von rund 42.000 im Jahr 1995 auf ca. 17.000 in 2014 gesunken – ein gravierender Rückgang. Woran liegt das, außer an den allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem demografischen Wandel und den veränderten Berufswahlentscheidungen von Jugendlichen? Vergütung und Arbeitszeiten sind deutlich schlechter als in anderen Branchen, Urlaubsanspruch und Lohnhöhe oft an die Betriebszugehörigkeit gekoppelt. Die Betriebe wollen hoch qualifizierte, flexible, verlässliche und motivierte Arbeitskräfte, bringen ihnen aber wenig Wertschätzung entgegen. Hinzu kommt, dass Image und Realität weit auseinanderklaffen. Werbekampagnen betonen den Tischler als kreativen Menschen, der in liebevoller Handarbeit tolle Einzelstücke aus Massivholz baut. Der Alltag vieler Betriebe sieht anders aus: Sie montieren Fenster und Türen, kaufen Teile zu, vertreiben Handelsware, sind eng spezialisiert. All das ist legitim. Wenn ein Betrieb ausbilden will, muss er jedoch prüfen, ob er alle in der Ausbildungsordnung geforderten Inhalte vermitteln kann. Falls nicht, können Verbundausbildung, überbetriebliche Unterweisungen oder Angebote der Berufsschulen eine Lösung sein. Es gilt, die CNC- und CAD-Kompetenzen zu stärken. Hier bietet sich eine enge Kooperation mit den Holzmechanikern der Industrie an. Um echte Einblicke zu verschaffen, ist es zudem wichtig, hochwertige Praktika anzubieten. Und: Betriebe müssen sichtbar sein – mit einer gepflegten und aussagekräftigen Homepage, einer Beschilderung im Ort sowie auf Berufsmessen.
Ein Schritt zu besserer Ausbildung wäre es, Gesellinnen und Gesellen als ‚informelle Ausbilder‘ entsprechend zu vergüten und Ausbildungszeiten separat zu verbuchen. Der Meister muss Ausbildung zur Chefsache machen und dafür sorgen, dass seine Mitarbeiter/innen Ausbildung positiv sehen und der Azubi für sie kein Störfaktor ist – damit sie ihn Stück für Stück in die Verantwortung nehmen und an Kundenaufträge heranführen können. Daneben sollte für Azubis klar sein, ob sie im Betrieb eine Zukunft haben. Leider machen Inhaber zu wenig Personalplanung und -entwicklung. Fördern Sie Ihre Mitarbeiter/innen, bieten Sie Weiterbildung an, unterstützen Sie sie! Nur so können wir qualifizierte Leute im Handwerk halten.
Ich wünsche mir zudem eine Stärkung der Berufsschulen, die in der politischen Debatte selten eine Rolle spielen. Wir sollten mehr in eine qualifizierte Ausbildung der Lehrer investieren und ihnen lebenslang Betriebspraktika ermöglichen. Nicht zuletzt fände ich es fair und gerecht, wenn man unter dem Grundgedanken der solidarischen Finanzierung von beruflicher Aus- und Weiterbildung mal ernsthaft über einen Branchenfonds diskutieren würde.“ (nr)
»Wir müssen eine Marke im Kopf des Kunden werden«
Christian Beer (42) ist Schreinermeister und Geschäftsführer der Schreinerei Beer GmbH in 85395 Wolfersdorf.
»Tischlerin ist ein Beruf mit Zukunft«
Katrin Köhler (25) hat gerade ihre Ausbildung zur Tischlerin abgeschlossen und arbeitet zur Zeit vertretungsweise in der Werbetechnik des Betriebes, der sie auch ausgebildet hat: die Bottroper Firma Seibel und Weyer GmbH, ein großes Laden- und Innenausbau-Unternehmen.
Ich denke auch, dass die mangelnde Flexibilität sie früher oder später einholen wird. So hat eine kleine Tischlerei mir gesagt, dass sie keine Frauen einstellen, weil es für sie organisatorisch nicht möglich ist, mit den Ausfallzeiten zurechtzukommen, wenn eine Gesellin schwanger wird. Da stehe ich: voll motiviert, zielstrebig, leistungsbereit. Und die klagen über Fachkräftemangel. Ich bin froh, dass ich bei Seibel und Weyer eine so vielseitige Ausbildung bekommen habe. Tischlerin ist für Frauen ein Beruf mit Zukunft. Ich liebe die Vielfalt und die Vielseitigkeit und bin für alles offen, was kommt. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten.“ (ra)
»Der Handwerker wird zum Mundwerker«
Nicole (45) und Carsten (53) Leiffermann leiten die Tischlerei, Glaserei und Akademie im Betrieb Leiffermann in 31515 Wunstorf.
»Für den Beruf brennen«
Anna-Theresia Romeyke (21) hat nach einer dreijährigen Ausbildung in Halle noch ein halbes Jahr als Gesellin gearbeitet. Zur Zeit besucht sie die Meisterschule in Ebern.
Zum Beispiel ist es wichtig, die Lehrlinge gut auszubilden und ihnen mit Respekt zu begegnen. Zu einer guten Ausbildung gehört erst einmal, die grundlegenden handwerklichen Fähigkeiten zu vermitteln, denn nur so entsteht ein gutes Vorstellungsvermögen und ein grundsätzliches Verständnis. Zu einer guten Ausbildung gehört aber genauso, den Auszubildenden Freude und Leidenschaft zu vermitteln. Um zu brennen für den Beruf des Schreiners, bedarf es eines Feuers, an dem sie entzündet werden können. So müssen Betriebe und Verbände immer wieder Überlegungen anstellen, wie sie die folgende Generation begeistern können.
Wichtig ist auch die Vernetzung. Sie fängt an, wo immer Fachkollegen, egal welche Stellung sie im Betrieb einnehmen, zusammentreffen. Hier kann vertrauensvolle Zusammenarbeit beginnen. Gemeinsam sind wir stark, sollte die Devise in Zukunft lauten.“ (ra)
»Zerspanung beginnt mit dem Hobel in der Hand«
Schreinermeister und Fachbuchautor Peter Winklhofer (53) betreut als technischer Oberlehrer den Bereich Holztechnik der Heinrich-Hübsch-Schule in Karlsruhe.
Das gilt übrigens auch für Betriebe untereinander. Klar sind nicht alle Ackermann und haben Vielfalt oder das Gespür fürs Feine gepachtet. Aber jeder kann seinen Teil dazu beitragen, dass Fertigkeiten weiterleben. Wir werden alle gefragt sein – zum Beispiel mit zirkulierenden Ausbildungen. Das fördert Kenntnisse, schafft Kontakte und Abwechslung. Viele denken nur an sich, aber das ist nicht weit genug gedacht, damit das Holzhandwerk überlebt. Leider erkennen nur wenige die Chance derer, die an einem Strang ziehen.
Und bei all der Faszination um technische CNC-Hypes – die den Nachwuchs ja tatsächlich begeistern – sollten wir nicht vergessen, wo das Verständnis für Zerspanung beginnt: mit dem Hobel in der Hand. Wandel? Klar! Aber erst dieses Grundverständnis ist das unverzichtbare Fundament auf dem eine Faszination wachsen kann, die länger brennt, als ein Strohfeuer.
Meine größte Angst: Lass zwei Generationen nicht mehr brennen und fundiert ausbilden, dann reißt der Faden ab. 40 Jahre sind schneller vorbei als man denkt. Dieses Loch im Handwerk hinterließe solche Narben, das gäbe wahrscheinlich kein schönes Gesicht mehr!“ (mh)
»Schreiner müssen Nischen besetzen«
Thomas Pogner (57) ist Schreinermeister, Techniker für Raumgestaltung und Innenausbau und Inhaber der Schreinerei Pogner in 90427 Nürnberg.
Der Schreiner muss heute Nischen besetzen. Zum Beispiel bei der Zulassung für den Einbau von Sondertüren. Bei einem Auftrag von 100 Türen sind heute sicher 30 bis 50 % Sondertüren, Schallschutz, Rauch- und Brandschutz, etc. Die wollen ja nicht nur fachgerecht eingebaut, sondern auch gewartet und instand gehalten werden. Diese Leistung darf sich der Schreiner nicht von Dienstleistern und Großunternehmen für Gebäudeunterhalt vom Brot nehmen lassen. Der Schreiner muss hier deutlich seine Service-Kompetenz stärken.
Ausbilden? Auf jeden Fall, denn auch ein Geselle von außen muss ja auf die eigenen Betriebsabläufe erst eingearbeitet werden. Die größte Herausforderung für junge Schreiner ist die zunehmende Informationsflut, das immense Wissen um Beschläge, Materialien und Maschinentechnik – da muss man dranbleiben, um den Anschluss nicht zu verlieren, Ausbildung allein reicht nicht, da ist ständige Fortbildung notwendig. Dennoch, für den, der sich anstrengt, gibt’s auch in Zukunft einen Platz in der Schreinerei.
Was mich ärgert? Der Spruch ,Das haben wir schon immer so gemacht!‘ – so bewegt sich nichts im Schreinerhandwerk. Mein größter Wunsch? Preisstabilität! Dass das Preisdumping aufhört und die Schreiner sich endlich auf einen Stundensatz von mindestens 50 Euro auf die Stunde einigen! Dann kämen wir nämlich dem Ziel näher, in Zukunft weniger zu rennen und trotzdem Geld zu verdienen.“ (hf)
»Mehr tun, um Kunden zu begeistern«
Franz Reisch (62) ist Tischlermeister und Geschäftsführer der Tischlerei Franz Reisch GmbH in 27777 Ganderkesee.
Mit unserer 160 m² großen, barrierefreien Musterwohnung können wir das Thema Komfort und Leben mit einem Handicap begreifbar machen. Mit diesem Thema, das in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat, werden wir als kompetent wahrgenommen. Durch den demografischen Wandel und die veränderte Altersstruktur in Deutschland wächst der Bedarf an altersgerechten Wohnungen. Selbst Krankenkassen bewerben öffentlich unsere Wohnung, um zu zeigen, wie Wohnen im Alter funktioniert. Das ist schon etwas Besonderes, was andere Kollegen nicht bieten können. Außerdem stellen wir Inneneinrichtungen für mobile Sanitäts-Container her, die auch bei Auslandseinsätzen benötigt werden. Der Fahrzeug-Innenausbau spielt bei uns eine große Rolle in der Fertigung. Aber wir sind flexibel und ohne unsere anderen handwerklichen Tischlerleistungen, wie den Möbel- und Innenausbau, die Fenstermontage und Reparaturen aller Art, wären unsere Auftragsbücher wahrscheinlich nicht ganz so voll.“ (sk)
»Bildung ist und bleibt eine Investition in die Zukunft«
Tobias Rehder (53), Obermeister der Stuttgarter Schreiner-Innung, ist einer von drei Geschäftsführern der Firma Türenmann, spezialisiert auf Montage- und Reparaturservice für Bauelemente.
Als entscheidenden Motivationstreiber, um Ziele zu erreichen, sehe ich die Kommunikation. Eine offene Firmenkultur ist sehr wichtig. Und die muss konsequent gepflegt werden. Wenn ich ausbilden sage, denke ich also nicht nur an Azubis. Es gilt, an den Schwächen aller Mitarbeiter genauso intensiv zu arbeiten wie daran, ihre Stärken zu fördern. Dauerhaft erfolgreich kann nur sein, wer sich im Team fachlich und menschlich weiterentwickelt. Bildung ist und bleibt eine Investition in die Zukunft. Wer bei uns Bedarf hat und weiterkommen will, wird gefördert. Im Gegenzug wird Antriebslosigkeit oder destruktives Verhalten nicht geduldet. Auch hier ist Konsequenz essenziell.
Das alles gilt genauso eine Ebene höher: Auch Innungen müssen den Mitgliedern aufmerksam zuhören, sich klar hinter ihnen positionieren und Wandel aktiv mittragen, um attraktiv zu bleiben. Nur so können wir gemeinsam den Stellenwert der Handwerkskultur bewahren – in einem Europa, wo diese Kultur zum Beispiel in Fragen der Qualifikations- oder Sicherheitsstandards aufzuweichen droht.“ (mh)
»Immer mehr Fenster werden restauriert«
Raimund Dörr (56) ist Glasermeister und Sachverständiger für den Bereich Denkmalpflege-Fenster sowie Geschäftsführer der Dörr Histoglas in 74706 Osterburken.
BM online 12|2016