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Nachhaltige Leidenschaft

Im Porträt: Holzwoi Schreinerei + Innenarchitektur
Nachhaltige Leidenschaft

Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Bei Holzwoi trifft nachhaltige Architektur auf nachhaltige Betriebsführung. Die kleine Schreinerei hat drei Generationen überlebt – die vierte mischt bereits kräftig mit. Was dabei entsteht, macht nicht nur den Beteiligten Spaß, sondern scheint auch bei Kunden gut anzukommen. BM-Redakteurin Natalie Ruppricht

I Nachhaltigkeit. Ist dieses Wort inzwischen nicht ziemlich ausgelutscht und abgenutzt? „Keineswegs“, findet Julia Woisetschläger. Die Rosenheimer Innenarchitektin ist letztes Jahr in die Schreinere i ihres Vaters Frank eingestiegen. Mit dabei sind außerdem Mama Petra und Bruder Felix, der 2016 in Garmisch-Partenkirchen seinen Schreinermeister gemacht hat. Die ganze Familie füllt den Begriff Nachhaltigkeit mit Leben. Das beginnt bei der Firmentradition: Der Betrieb feierte im vergangenen Oktober das 65-jährige Bestehen. Mit Julia (27) und Felix (25) steht die vierte Generation in den Startlöchern. Eines Tages wollen sie das Familienunternehmen übernehmen und gemeinsam weiterführen. „Nachhaltigkeit ist heute mehr denn je ein Thema“, betont Julia. „Sie kann niemals ausgelutscht sein. Würde sich jeder damit befassen, würden alle viel mehr darauf achten, wie sie leben und was sie konsumieren.“

Arbeiten, leben und träumen
Was Schreiner tun, sei ja per se nachhaltig: der Werkstoff Holz, die Langlebigkeit der Produkte, intensive Kundenbeziehungen. Vor allem unbehandelte Zirbenbetten von Forcher und Schlafsysteme von Relax und ProNatura laufen derzeit super. Die Schlafberatung ist ein wichtiges Standbein von Holzwoi. Alle Produkte werden aus natürlichen Rohstoffen gefertigt und in der Ausstellung im Bad Nauheimer Stadtteil Steinfurth aus Überzeugung angeboten.
Dann ist da die Verbundenheit der Woisetschlägers mit ihrer Heimat. Julias Urgroßvater Robert Woisetschläger kam 1946 als Vertriebener aus dem Böhmerwald nach Hessen. Er hatte nur das Nötigste bei sich – darunter auch einige Hobel – und gründete 1951 die Schreinerei in Steinfurth.
Wie sehr Julia dieser Ort am Herzen liegt, beweist unter anderem ihre Masterarbeit „Ort Raum Konzept“. Darin hat sie sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie man den Ortskern wiederbeleben könnte. Die Grundstücke sind alle ähnlich aufgebaut: Vorne an der Straße steht das Wohnhaus, dahinter eine Scheune, die früher für Landwirtschaft oder Gewerbe genutzt wurde. Inzwischen stehen die meisten Scheunen leer, die Häuser an der Straße sind wegen des heutigen Verkehrsaufkommens für viele junge Familien nicht attraktiv. Folglich werden immer neue Baugebiete erschlossen und zusätzliche Flächen versiegelt, während der Bestand verfällt und der Ortskern ausstirbt. Das hat zur Folge, dass es hier nur wenige Läden gibt, kein Kino, keinen normalen Supermarkt.
Mehr Wertschätzung für den Bestand
Julia würde diese Gebäudenutzung gerne umdrehen und an aktuelle Begebenheiten anpassen: Auf dem hinteren Teil der Grundstücke lebe es sich viel besser. Hier ist es ruhig und man hat Zugang zu großzügigen Gärten, wie es sie im Neubaugebiet nur selten gibt. Zudem eröffnet eine Scheune zahlreiche Möglichkeiten für attraktive und moderne Innenarchitektur: In Julias Entwürfen bleibt das charmante Fachwerk an vielen Stellen sichtbar. Das Scheunentor interpretiert sie als Glasfassade mit vorgesetzten Holzlamellen neu und lässt so viel Licht in den offen gestalteten Wohnraum. An der Straße hingegen sollen Arbeit und Wirtschaften im modernen Sinne stattfinden. Hier können sich Geschäfte und Betriebe wirksam präsentieren, was neue Firmen in den Ortskern locke, wodurch wiederum neue Arbeitsplätze entstünden. Und wenn Wohnen und Arbeiten nah beieinander liegen, schrumpfe das Verkehrsaufkommen und die Attraktivität Steinfurths steige weiter. Die junge Innenarchitektin hat ihre Ideen schon mehrfach präsentiert – im Betrieb, in Nachbarortschaften mit ähnlichen Problemen, an ihrer alten Schule. In Steinfurth und Umgebung werden sie intensiv diskutiert.
Fachkräftemangel? Kein Thema
Dass das Konzept funktionieren kann, wollen Woisetschlägers am eigenen Beispiel demonstrieren. So haben sie die Möglichkeit genutzt, ihr Nachbargrundstück zu kaufen. Derzeit entsteht in den beiden bisherigen Wohnhäusern die neue Holzwoi-Ausstellung samt Besprechungs- und Präsentationsraum sowie großzügigen Büros. Die Werkstatt soll wachsen, während die Nachbarscheune zum Wohnhaus umfunktioniert wird.
In der Umgebung kommt das Holzwoi-Treiben gut an. Auch der sonst so heiß diskutierte Fachkräftemangel scheint bisher kein Thema für die kleine Schreinerei zu sein. Das liegt zum einen daran, wie sie sich präsentiert – vor Ort, im Netz, auf Messen. Ein alter Schulfreund von Frank Woisetschläger hat sich kürzlich beworben und erhöht die Anzahl der angestellten Gesellen auf vier. Im Sommer beginnt ein Abiturient seine Ausbildung zum Schreiner. Und seit die neue Webseite online ist, rufen viele junge Leute an und fragen, ob sie ein Praktikum machen können – in der Werkstatt oder auch in der Innenarchitektur.
Außerdem hat der aktuelle Firmeninhaber Frank Woisetschläger (Jg. 1965) die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft immer wieder neu gestellt. 1994 war er einer der ersten Handwerker in der Umgebung, der sich eine CNC zulegte. 2003 stand er dann vor der Entscheidung, seinen Maschinenpark erneut grundlegend zu modernisieren, um weiterhin auf dem gewünschten Niveau und zu tragbaren Preisen produzieren zu können. Er fand, dass es abermals Zeit für eine Veränderung sei und wurde stattdessen Topateam-Partner. Seither liegt der Fokus auf Planung, Handel und Montage. Die Werkstatt ist mit Kreissäge, Dickenhobel, Vierseiter, Abrichte, zwei Tischfräsen und einer Kettenfräse, Breit- und Langbandschleifmaschine, Furnierpresse, -füge- und -schneidemaschine sowie Gannomat und Kantenanleimmaschine dennoch gut ausgestattet. So kann man bei Lieferproblemen auch mal selbst produzieren, ist vom rauen Arbeitsmarkt aber weitgehend unabhängig.
Ein starkes Team mit Zukunft
Petra Woisetschläger (Jahrgang 1962) freut sich schon auf ihre neue Küche. Der gelernten Bankkauffrau sei es nicht schwergefallen, ihren Job aufzugeben und nach der Geburt der Kinder bei Holzwoi einzusteigen: „Meine Eltern waren auch selbstständig. Ich wusste also, worauf ich mich einlasse.“ Sie kümmert sich unter anderem um Administration und Buchhaltung und macht Schlafberatungen. „Durch unseren eigenen Umbau erleben wir jetzt hautnah, wie unsere Partnerfirmen arbeiten.“ Petra lebt für die Familie und das gemeinsame Unternehmen – und ihre Kinder teilen diese Leidenschaft. Sie sei sehr stolz auf die beiden. Dass sie nun im Betrieb etwas bewegen wollen, bereite ihr Freude und entlaste sie. Gerade das Marketing habe sich sehr verändert, der Aufwand sei größer geworden. In Facebook und Co. sind die Jungen ganz natürlich unterwegs und auch viele Ideen und Inhalte für die Webseite stammen von ihnen. „Zudem können wir jetzt ein noch breiteres Spektrum anbieten.“
Felix’ Herz schlägt vor allem für hochwertige und durchdachte Einzelmöbel. Er ist der Macher in der Werkstatt und auf Montage, plant, konstruiert und kalkuliert aber auch eigene Aufträge wie sein Vater, welcher zudem fürs Aufmaß verantwortlich ist. Für ihre 2D-Zeichnungen nutzen sie Vectorworks. Wenn umfangreichere Anfragen ausstehen, kommt Julia ins Spiel. Sie erstellt Entwürfe und Visualisierungen in Sketchup („Das ist schnell und effektiv“) und nutzt für’s Finetuning Photoshop. Mit ihrem Einstieg wurde die Firma in „Holzwoi Schreinerei + Innenarchitektur“ umbenannt. „Beide Bereiche profitieren sehr voneinander“, freut sie sich. „Für mich ist der Bezug zum Handwerk hilfreich, weil ich immer abklären kann, was machbar ist und was nicht.“ Der Schreinerei eröffnen sich neue Zielgruppen, so Frank Woisetschläger: „Viele Kunden rufen an, weil wir jetzt auch eine Innenarchitektin haben.“ Und auch der Stand für die regionale Verkaufsmesse Wetterau spricht dank Julias geschmackvoller Gestaltung die Besucher an.
Grundrissarbeit und schöne Möbel
Felix und Julia sind sich also einig: Sie wollen den Betrieb eines Tages übernehmen, die Familientradition fortführen. Und wie stellen sie sich die Zukunft vor? Wollen sie wachsen? Sich verändern?? „Das sehen wir dann“, sagt Julia entspannt. An sich sei alles gut, so wie es ist. Sie wollen weiterhin Betten und Einzelmöbel verkaufen, Julia hofft aber auch auf größere Projekte. „Architektur macht Spaß“, verkündet sie. „Fassaden planen oder ein ganzes Hotel.“ Außerdem liebt sie Grundrissarbeit: Räume zusammenlegen, aus zwei kleinen Wohnungen eine große machen. Oder ein Haus neu einteilen, wenn die Kinder ausgezogen sind. „Für Planung und Grafik werde ich wahrscheinlich irgendwann Unterstützung im Büro brauchen, denn wir sind jetzt schon sehr ausgelastet.“ Hat sie Angst vor der Aufgabe? „Eigentlich nicht, weil alles am Wachsen ist. Es macht Spaß. Ich gehe morgens gerne zur Arbeit.“ Die Arbeit im privaten Umfeld liegt beiden mehr als gewerbliche Aufträge. „Man ist hier einfach näher am Menschen“, bringt es Julia auf den Punkt.
Zirbenglühen für neue Kontakte
Die Menschen holen Woisetschlägers übrigens gerne zu sich, in ihre Ausstellung in der Bad Nauheimer Straße 4. Zum „Zirbenglühen“ etwa. Die Veranstaltung findet immer in der Vorweihnachtszeit statt, spätestens am ersten Advent. Im Hof vor Ausstellung und Werkstatt steht dann ein großes Zelt mit vielen Sitzmöglichkeiten, es gibt Schmalzebrot und Kuchen sowie Glühwein und Zirbenschnaps. Überall brennen Kerzen, an der Decke hängen Lichterketten und ein großer Zirbenstamm verbreitet seinen wunderbaren Duft. „Wir versuchen immer mehrere Events übers Jahr zu verteilen. Wenn es etwas zu essen und zu trinken gibt, kommen unsere Kunden gerne.“
Familie Woisetschläger berät dann und kann viele Schlafsysteme verkaufen. Und vielleicht auch dem einen oder anderen ihre überhaupt nicht abgenutzte Vorstellung von Nachhaltigkeit nahebringen. I

Mit Liebe und Authentizität

Das ist mir aufgefallen

Angesichts der Möglichkeiten, die Julia und Felix Woisetschläger haben, könnte man fast ein bisschen neidisch werden – wenn sie nicht so sympathisch wären. Weil sie ihre Eltern Frank und Petra Woisetschläger unterstützen, weil alle an einem Strang ziehen, für ihre Überzeugungen eintreten und unaufgeregt gemeinsame Ziele verfolgen, scheint es Holzwoi gutzugehen. Die Marke wirkt authentisch. Ich wünsche auch weiterhin viel Erfolg und Spaß bei der Arbeit.
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Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
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