1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Praxis- und Kollegentipps » Zu Gast beim Kollegen »

Unermüdlich

Der wohl älteste aktive Schreinermeister Deutschlands
Unermüdlich

In seinem Alter sind Kollegen im Ruhestand. Für den 93-jährigen Matthias Metzdorf aus der Moselgemeinde Neumagen-Dhron ist das kein Thema. Er ist jeden Tag an der Maschine. Das hält ihn jung. Christine Speckner

I Mit der Routine eines Genießers legt Matthias Metzdorf die Apfelschnitze auf den Teller. Das passiert täglich um 10 Uhr und selten eine Minute später. Jetzt gönnt sich der 93-Jährige eine Pause für den Verzehr eines Apfels. „So viel Zeit muss sein“, sagt er. „Mein Vater hat seine Prinzipien, denen er immer treu geblieben ist“, sagt sein 59-jähriger Sohn Karl-Josef Metzdorf, der den Schreinerbetrieb seit 1986 führt. Außer der Apfel-Pause hat Metzdorf nämlich noch ein unumstößliches Prinzip: Warum aufhören, wenn man sich rüstig fühlt und eine Menge Arbeit wartet?

Genau das ist der Grund, warum er trotz seines hohen Alters immer noch gerne jeden Tag in die Werkstatt geht und selbstverständlich im Team mitarbeitet. Maßvoll und kontinuierlich, darauf komme es an.
Straffer Zeitplan hält in Schwung
Damit nicht der Schlendrian einreißt, legt Metzdorf Senior Wert auf einen festen Tagesablauf. Um 7.30 Uhr schließt er die alte Werkstatt auf. Die Arbeit beginnt. Um 10 Uhr eine Viertelstunde Pause mit Apfel – dito. Von 12 bis 13 Uhr Mittagessen und Nickerchen, manchmal im Sitzen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass die Mittagspause je ausgedehnt wurde“, sagt sein Sohn. Um 16.30 Uhr kurze Arbeitsunterbrechung für den Verzehr eines süßen Teilchens, gerne Apfelstreusel oder Erdbeerkuchen mit Früchten aus eigenem Garten. Um 19.30 Uhr verlässt Metzdorf die Werkstatt. Er macht Feierabend. Und geht oft noch in den Garten, pflanzt Salat und Bohnen. Oder mäht Rasen und sticht den Löwenzahn aus.
Das Arbeitspensum von Matthias Metzdorf ist erstaunlich. Vielleicht ist es aber gerade der geregelte Tagesablauf, der ihn geistig und körperlich fit hält. Ein Leben ohne Handwerk, sagt Metzdorf, könne er sich gar nicht vorstellen.
Von der Waschküche zur Werkstatt
Bereits 1952 machte sich der Sohn einer Bauernfamilie als Schreinermeister selbstständig. Seine Mutter stammte aus einer Schreinerfamilie. Nach Krieg und Kriegsgefangenschaft war er 1948 nach Neumagen-Dhron zurückgekehrt und gründete mit einem Aufbau-Darlehen für Spätheimkehrer seine Schreinerei. Kurzerhand wurden Waschküche, Wohnzimmer und Abstellraum zur Werkstatt umfunktioniert. Die Maschinentechnik war überschaubar: Hobelmaschine, Fräse und Bandsäge. „Zapfen und Schlitze für Fenster mussten wir noch von Hand ausstemmen.“
Arbeit gab’s im Dorf genug, aber keinen Zeitdruck. „Wir Schreiner konnten mit den Vögeln bauen“, schmunzelt Metzdorf. Während im Winter der Fensterbau ruhte, wurden Zimmertüren und Treppen gefertigt. Sein größter Auftrag war 1963 der Innenausbau der katholischen Kirche in Neumagen. Der Parkettboden musste aus Kostengründen mit falscher Feder verlegt werden. Die ganze Familie half mit und klopfte Federn ins Holz. „400 Quadratmeter, damit waren wir wochenlang beschäftigt“, erinnert sich Metzdorf.
An Körpereinsatz ließ er es nie fehlen. Mit dem Rad fuhr er in die Eifel, um Eichenholz für den Blockrahmen des Kirchenportals zu ordern. Bei der Fertigung kam erstmals Leimholz zum Einsatz, denn Metzdorf hatte früh das gute Stehvermögen erkannt.
Fertigungsliste von Hand
Ein normaler Tag im Betrieb. Gerade prüft Matthias Metzdorf in seiner blauen „Schaffbux“ eine aktuelle Fertigungsliste. Er verschwindet ohne viele Worte mit der Liste zielstrebig ins Nebenzimmer. „Mein Vater rechnet im Kopf nach und schreibt Auftragslisten oft eigenhändig um“, erklärt Karl-Josef Metzdorf dem staunenden Besucher. Listen aus dem PC seien ihm nicht genau genug.
Auf seine handschriftlichen Notizen lässt der Senior sowieso nichts kommen. Hat er es in der Werkstatt mit moderner Maschinentechnik zu tun, nimmt er seinen Notizblock zur Hand, um Maschinen einzustellen. Denn das ist ihm immer noch wichtig. Da er recht klein ist, nimmt er sich eine Trittleiter, um an das Steuerungspult zu gelangen. Die entsprechenden Einstellungen überträgt er aus dem Notizblock. Auf einen Gehörschutz verzichtet er heute ganz, da sein Gehör soweit nachgelassen hat. Wer mit ihm spricht, muss es ein wenig lauter tun.
Auch beim Schleifen und Verleimen der Fenster und Flügelrahmen hilft Metzdorf senior. Diese werden anschließend von anderen Mitarbeitern in der neuen Werkstatt weiterbearbeitet. Dort erfolgt die Oberflächenbehandlung, das Anschlagen und Verglasen. Tausend Türen und Fenster fertigt der Betrieb mit zehn Mitarbeitern im Jahr. „Spezialisiert haben wir uns nicht“, erklärt Metzdorf junior. Der Firmenphilosophie seines Vaters sei er treu geblieben. Vielseitigkeit, ob private Auftraggeber oder öffentliche Hand. Kunden sind Architektur- und Ingenieurbüros, Gemeinden, Kirchen, Zimmereien, holzverarbeitende Betriebe und Denkmalpflege. Vorzeigeprojekte sind das Schloss Villeroy in Wallerfangen, das Kurfürstliche Palais in Trier sowie ein Promi-Weingut an der Saar. Winzer gehören traditionell zur Kundschaft, schließlich ist Neumagen-Dhron bekannt als der älteste Weinort Deutschlands.
Den diamantenen Meisterbrief gibts nicht
Matthias Metzdorf bekam von der Handwerkskammer Trier bereits 2002 den „Goldenen Meisterbrief“ verliehen. „Eigentlich hätte mein Vater für seine Lebensleistung den diamantenen Meisterbrief verdient“, sagt sein Sohn. Da es für 60 Jahre Meisterbrief jedoch keine Auszeichnung mehr gibt, stellte der rüstige Schreinermeister die Kammer vor eine ganz neue Herausforderung. Mangels eines „Diamantenen Meisterbriefs“ überreichte die Kammer zum Firmenjubiläum 2012 eine Ehrenurkunde für herausragendes Engagement im Schreinerhandwerk. Metzdorf war der erste Meister in der Kammer, der dieses Jubiläum feiern konnte. Stolz? Metzdorf winkt ab. Gerade kam eine Auftragsliste rein. Er schaut sich den Ausdruck an. Dann greift er zu Kuli und Block. „Komme gleich wieder. Kurz rechnen.“ Matthias Metzdorf lebt in seiner Welt. Er hat nicht ewig Zeit, und außerdem ist es gleich 10 Uhr. Der Apfel … I

Die Autorin
Christine Speckner ist freie Journalistin und lebt bei Freiburg.

Früher war alles anders …

Schreiben Sie uns

Früher haben die Lehrlinge noch krumme Nägel wieder gerade geklopft. Heute mag mancher darüber lachen, doch zeigt dies mehr als deutlich, wie knapp und deshalb wertvoll das Material damals war. Ganz anders als die Arbeitszeit, die heute oft der Preistreiber ist.
Vieles hat sich im Laufe der Zeit geändert. Wir möchten von Ihnen gerne wissen: An was erinnern Sie sich noch, das früher so ganz anders war als heute? Schreiben Sie uns:
Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de