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Krumme Dinger

Rahmenverzug bei dunkel beschichteten Kunststofffenstern
Krumme Dinger

Seit ca. 2007 ist das Phänomen bekannt, dass sich bei einer dunkel beschichtetenOberfläche die Blend- und Flügelrahmen von Kunststofffenstern teilweise massiv verziehen – und zwar immer mit konkavem Verzug auf der Außenseite. Somit sind Reklamationen vorprogrammiert. Andreas Giess und Jürgen sieber

Ein Rahmenprofilverzug ist nur bei dunkler Außenbeschichtung der Rahmenprofile möglich. Die ersten Reaktionen der Fachleute sahen es nur als Einzelfälle und Fehler der Montage, was sich in der zeitlichen Folge als nicht richtig herausstellen sollte.

Warum werden die Profile krumm?
Durch solare Strahlungswärme kann eine Profilaußentemperatur von 75 °C bei dunklen Beschichtungen erreicht werden. Ab dieser Temperatur wird ein einmaliger physikalischer Prozess der Moleküle in Gang gesetzt, der sogenannte „Remember-Effekt“. Weiße oder auch sehr helle Profil-oberflächen sind hiervon nicht betroffen, diese erwärmen sich nur bis auf rund 40 °C.
„Ich habe selbst in meiner Fertigung einen Versuch unternommen. Eine 6000-mm-Profilstange wurde acht Stunden lang auf ca. 80 °C erwärmt. Am Abend war die Stange 6011 mm lang. Am nächsten Morgen, nach einer Nacht der Abkühlung, hatte die Stange noch eine Länge von 5993 mm. Sie war insgesamt 7 mm gegenüber dem ursprünglichen Maß zurückgeschrumpft“, erklärt Jürgen Sieber.
Ursachen für den Rahmenverzug:
  • Durch die dunkle Außenbeschichtung bei heutigen Mehrkammerprofilen (fünf bis acht oder mehr Kammern) können die anfallenden Oberflächentemperaturen auf der Außenseite des Profils nicht mehr über den Stahlkern abgeleitet werden. Es entsteht ein hohes Temperaturgefälle innerhalb des Profils, welches zu ungleich ausgeprägtem Zugeigenschaften führt.
  • RAL-B-Profile (Class B) sind von Rahmenverzug massiver gefährdet als RAL-A-Profile (Class A), da die Wandungen um 0,4 mm dünner sind und somit geringere Steifigkeit aufweisen.
  • Die Befestigung des Stahlkerns innerhalb des Profils: je größer der Abstand der Verschraubungen – umso höher die Gefahr eines Rahmenverzugs.
  • Unregelmäßigkeiten in der Fertigung der Profile: Kunststoffprofile werden im Strangpress- oder Strangziehverfahren hergestellt. D. h. der flüssige Kunststoff wird durch die Grundform gepresst, gefolgt von einer Härtungsstation und einem Ausziehwerkzeug. Die absolut exakten Geschwindigkeiten (Press – Zug) im Herstellungsprozess gewährleisten ein standsicheres Profil.
Kommt es z. B. dazu, dass ein Ausziehwerkzeug stärker zieht als (Profil-)Masse nachkommt, entsteht ein „gezogenes“ Profil (gezogene Moleküle), da zum Zeitpunkt des Ausziehens der Kunststoff noch nicht komplett ausgekühlt ist. Die gleichmäßige Abkühlung verhindert, dass es zu Verformungen des „gezogenen“ Profils kommt. Das heißt, die Moleküle (Molekülketten) verharren im gezogenen Zustand. Die „gezogenen“ Moleküle bleiben solange in diesem Zustand, bis diese einmalig (solare Strahlungswärme) über 75 °C erhitzt werden. Nun setzt der Remember-Effekt ein und die Moleküle nehmen ihre Ur-Form wieder an. Es kommt zur Längenreduktion des Profils und einem konkaven Verzug auf der Außenseite (0,7 mm Schrumpfbedeutet 7 mm/2 m Verzug). Am Profil oder gelieferten Fenster kann man nicht erkennen, ob es sich um ein „gezogenes“ Profil handelt.
Befestigung/Montage: Bei heutigen Leichtbausteinen ist es von absoluter Wichtigkeit, dass Mauerwerk und Befestigungsschraube aufeinander abgestimmt werden. Durch falsche Montageschrauben, die im Mauerwerk keinen richtigen Halt finden, kann bei einem beginnenden Verzug des Blendrahmens die Verschraubung nicht mehr dagegenhalten. Ein übermäßig starker Verzug des Blendrahmens ist dann die Folge.
Stellt sich die Frage, ob ein Rahmenverzug grundsätzlich ein Mangel oder ein Totalschaden ist? Dies ist davon abhängig, ob der Verzug der Blend- und Flügelrahmen eine nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionen des Fensterelements selbst und der Funktionsfugen am Bauanschluss bewirkt.
Kann das Fenster repariert werden?
Eine Möglichkeit ist, die Profile zu „tempern“. Das bedeutet, die Profile werden auf der Raumseite ca. 70°C erhitzt, damit alle Moleküle im Profil gleichmäßig rückgebildet werden. Es gibt Firmen, welche sich hierauf bereits spezialisiert haben.
Es besteht aber das Risiko, dass bei stark verzogenen Elementen Spannungen im Profil und an den Eckverbindungen entstehen, welche zu Rissbildungen und Versagen der Eckverbindungen führen können. Dann wäre es ein Totalschaden. Daher ist die Intensität des Rahmenverzugs im Schadensfall abzuwägen, und welche Maßnahmen sinnvoll sind.
Kundenaufklärung beugt vor
Es gibt Fachbetriebe, welche mittlerweile eine Gewährleistung für Kunststoffelemente mit dunkler Außenbeschichtung in Süd- und Westausrichtung ausschließen.
Das kann man so machen. Riskiert aber möglicherweise, einen Auftrag nicht zu erhalten. Empfehlenswert ist es, seinen Kunden im Beratungsgespräch die Problematik fachlich zu erklären.

Die Autoren

 

Andreas Gieß ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger des Tischlerhandwerks.
Jürgen Sieber ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Glaserhandwerk, Betriebswirt d. H. und freier Dozent an der Fensterakademie Karlsruhe.
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