Eine in Deutschland eher seltene Baumart ist zum Baum des Jahres 2018 erklärt worden: die Esskastanie Castanea sativa. Der Baum überzeugt mit kulinarischer und praktischer Vielseitigkeit und mit reizvoller Blütenpracht. Bei der Ausrufung im Berliner Zoo durch die Baum des Jahres-Stiftung wurde gemeinsam mit der frischgebackenen Deutschen Baumkönigin 2018 Anne Köhler der Jahresbaum gepflanzt. „Die Ess-Kastanie hat eine recht junge Geschichte in unseren Breiten“, erklärte Anne Köhler. „Sie gilt zwar nicht als heimische Baumart, gehört aber – zumindest in Südwestdeutschland – längst in die über Jahrtausende entstandene Kulturlandschaft.“
Schon früh in Germanien
Wann die ersten Ess-Kastanien ihre Zweige in den Himmel des heutigen Deutschlands reckten, ist nicht sicher überliefert. Die Griechen etablierten den Baum im Mittelmeerraum, bereits in der Bronzezeit fanden sich Anbaugebiete in Südfrankreich. Gut möglich, dass die eine oder andere Ess-Kastanie sich schon damals über Handelsrouten nach Germanien verirrt hat. Die Römer brachten sie schließlich vor rund 2000 Jahren über die Alpen, erkannten die günstigen botanischen Voraussetzungen und etablierten die Art besonders entlang des Rheins, der Nahe, der Mosel und der Saar. Fortan waren Weinbau und Ess-Kastanie nicht mehr voneinander wegzudenken: Aus dem gegen Verrottung erstaunlich resistenten Kastanienholz fertigten Winzer Rebstöcke. Das Holz erwies sich auch als brauchbares Material für den Hausbau, Fassdauben, Masten, als Brennholz und Gerberlohe.
Wichtig für die Ernährung
Wohl noch bedeutender als für den Weinbau war die Ess-Kastanie lange für die Ernährung der Bevölkerung: Die fettarmen, stärkereichen und süßlichen Maronen blieben nach Missernten oft das lebensrettende Nahrungsmittel. Botanisch betrachtet sind Ess-Kastanien Nüsse, weniger fett als Walnuss oder Haselnuss, jedoch reich an Kohlehydraten. Die Früchte gewann man in lockeren Beständen. Auch wenn die Kulturen heute weitgehend aufgegeben sind, prägen die (inzwischen) stattlichen Bäume noch die Landschaft – insbesondere den Ostrand des Pfälzerwaldes und den Westhang des Schwarzwaldes (Ortenaukreis).
Als Weizenalternative könnte die Ess-Kastanie bald eine Renaissance erleben: Neben köstlicher Nascherei in der kalten Jahreszeit lassen sich die Früchte in getrockneter Form mahlen. Brot und Gebäck aus Ess-Kastanienmehl sind glutenfrei und damit für Allergiker eine willkommene Erweiterung des Speisezettels.
Retter im Klimawandel?
Obwohl die Ess-Kastanie sich in Deutschland nicht im Wuchsoptimum befindet, kommt sie gut mit den klimatischen Bedingungen unserer Breiten zurecht. Eine Baumart, die anpassungsfähig und wärmeresistent ist – da horcht heute mancher Forstbotaniker auf. Ist die Ess-Kastanie also ein Retter im Klimawandel? Das lässt sich so einfach nicht beantworten: Bisher ist Castanea sative eher ein Parkbaum, im Wald findet man sie selten. Doch Forstleute forschen seit einigen Jahren, unter welchen Bedingungen die Ess-Kastanie in unseren Wäldern hochwertiges Holz für langlebige Bau- und Möbelholzprodukte liefern könnte. (bs/Quelle: Stiftung Baum des Jahres)