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Leserbrief „Raus aus der Pfuscherecke!“

Geringe Jugendarbeitslosigkeit dank Meisterpflicht?
Leserbrief „Raus aus der Pfuscherecke!“

Leserbrief „Raus aus der Pfuscherecke!“
Die BM-Redaktion freut sich über jeden Leserbrief. (Foto: Stefanie Salzer-Deckert, Pixelio)
In BM 11/2015 haben wir auf Seite 8 eine Studie des ifh Göttingen vorgestellt, die sich mit der Meisterpflicht beschäftigt. BM-Leser Michael Kunze störte sich an unserer plakativen Überschrift. Er hat die Studie gelesen und einige Gegenargumente formuliert. Wir bedanken uns für seinen Leserbrief an die Autoren, den wir hier in voller Länge veröffentlichen:

Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrter Herr Thomä,
ich habe in der BM-Ausgabe 11/15 den Vermerk auf Ihre Studie wahrgenommen und diese auch gelesen. Nicht nur die plakative Überschrift, auch der Beitrag nötigt mir einige Bemerkungen bzw. Gegenargumente ab.
Ich bin seit 15 Jahren als Tischler im Reisegewerbe tätig, und ebenso lang beschäftige ich mich mit all den Argumenten, die den Meisterbrief hochleben lassen und nichts auslassen, andere Meinungen „abzubügeln“. Wie „unvoreingenommen“ dies erfolgt, erkennt man bei genauer Betrachtung der Auftraggeber dieser Studie und der Struktur Ihres Institutes (Zusammenstellung des Beirates). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nachfolgend möchte ich auf drei Behauptungen eingehen.
1. „Der Meisterbrief wird abgeschafft.“
Niemand in der Europäischen Kommission oder in der Monopolkommission will den Meisterbrief kassieren. Gefordert wird die Möglichkeit zur vollen Handwerksausübung, ohne dass diese an den Erwerb eines Meistertitels geknüpft ist.
2. „Die Einheit von selbstständiger Berufsausübung im Handwerk und Lehrlingsausbildung ist historisch gewachsen und manifestiert sich in Form des großen Befähigungsnachweises.“
Diese in der Einleitung der Studie erwähnte Historie des heute bestehenden Großen Befähigungsnachweises ist sehr überschaubar: Er wurde 1935 als Voraussetzung für die Selbstständigkeit eingeführt, 1945 in der amerikanisch besetzten Zone abgeschafft (Gewerbefreiheit) und 1953 mit dem Erlass des Gesetztes zur Ordnung des Handwerks wieder eingeführt – mit weitestgehend textgleicher Fassung wie 1935. Das macht in der Summe bis heute 72 „historische“ Jahre.
3. Das Hauptargument: „Ein Wegfall des reglementierten Zuganges wäre mit kaum abschätzbaren negativen Folgen für die Funktionsfähigkeit des handwerklichen Ausbildungsbereiches verbunden.“
In der Drucksache 16/2460 des Deutschen Bundestages steht auf Seite 91, Kapitel 147 folgendes: “Die Monopolkommission hält die Meisterqualifizierung auch im Hinblick auf die Lehrlingsausbildung für unverhältnismäßig. Zum einen geht die Meisterausbildung wesentlich über das pädagogische Moment hinaus. Zum anderen ist sie zur Lehrlingsausbildung offenbar auch nicht erforderlich, weil in den Handwerken ohne Meisterzwang zur Sicherung ihres Fortbestandes ebenfalls handwerklicher Nachwuchs benötigt und ausgebildet werden.“
Wenn die Ausbildung ein so hohes gesellschaftliches Gut darstellt, dem nur der Meister entsprechen kann: Wie ist es zu erklären, dass seit der Novellierung 2013 Ausnahmen für berufserfahrene Altgesellen zur Ausbildung existieren?
Und wie hoch ist eigentlich die Ausbildungsleistung des Handwerks im Verhältnis zu allen anderen Ausbildungsbereichen (Industrie/Handel)? In Deutschland lag sie 2014 bei 27,3 %. In Österreich, wo die Meisterhürde 1999 abgeschafft wurde, betrug sie im selben Jahr 42,7 %.
Bevor ich zur meiner Abschlussbemerkung komme, möchte ich noch eine Bemerkung auf Seite 10 kommentieren. Da steht: „Denn die Möglichkeit, sich später einmal selbstständig machen zu können, dürfte für die Beschäftigten ein relevanter Beweggrund zur Absolvierung der Meisterprüfung gewesen sein.“ Fragen Sie doch mal, wie viele die Meisterprüfung ablegen würden, wenn es keinen Meisterzwang auf den Weg zur Selbstständigkeit gäbe.
Die Abschaffung des Meisterzwanges bedeutet nicht gleichzeitig den Untergang des in meinen Augen guten, aber verbesserungswürdigen dualen Ausbildungssystems.
Es wäre an der Zeit, selbständige Handwerker ohne Meisterbrief nicht immer in die „ Pfuscherecke“ zu drängen, ihnen jegliche Kompetenzen abzusprechen und ihre Existenz mit unlauteren Mitteln (Vorwurf der „Schwarzarbeit“, mit tatkräftiger Unterstützung der Ordnungsämter) zu vernichten.
Das ist nur die Spitze des Eisberges bei dem zwanghaften Versuch der Besitzstandswahrung, und es ist alles andere, als mit offenen Visier zu kämpfen.
In keinem andern Land ist die Handwerksausübung an den Meistertitel geknüpft. In diesen Ländern regelt sich die Qualität über den Markt und einem zum Teil schärferen Produkthaftungsrecht.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Kunze
(nr)
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