Im Handwerk stößt der Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt Baden-Württembergs in der vorgestellten Version weiter auf Widerstand und Unverständnis. Das meldet die Handwerkskammer der Region Stuttgart. Bei der Vollversammlung am am 3. Juli 2017 betonten die Mitglieder, dass Ausnahmen für Handwerksbetriebe existenziell notwendig seien. Die Forderung: eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2025, welche übrigens auch bei der Einführung der Blauen Plakette vorzusehen wäre. Professor Uwe Lahl, Ministerialdirektor beim Verkehrsministerium des Landes, erklärte vor dem Gremium, er gehe von Ausnahmen für den Handwerkerlieferverkehr in der Landeshauptstadt aus und äußerte zudem weitere Forderungen.
Nachrüsten statt Verbieten – und zwar auf Kosten der Autoindustrie
Die bessere Strategie sieht Lahl auch in der technischen Nachrüstung der Motoren: „Statt Verkehr zu verbieten, muss es gelingen, die Emission der Fahrzeuge so zu reduzieren, dass wir die Grenzwerte nicht ständig reißen und der Gesundheitsschutz gewährleistet ist.“
Die Kosten der Nachrüstung seien von der Automobilindustrie zu tragen, weil dort die Verantwortung zu suchen ist, sagte Lahl vor der Vollversammlung. Gleichzeitig sprachen sich die Mitglieder des Gremiums dafür aus, den Ausbau der Autobahnen und Straßen zu forcieren, dass der Verkehr besser fließe. Von höchster Bedeutung sei auch die Umsetzung zukunftsfähiger Mobilitätskonzepte, die die Verkehrsbelastung reduzieren.
Euro-5-Entscheidungen müssen Bestand haben
Kritik äußerten die Mitglieder der Vollversammlung an den unangemessenen Übergangsfristen beim Austausch der Fahrzeuge. Kammerpräsident Rainer Reichhold sagte: „Viele Handwerkbetriebe haben in den vergangen Jahren mit der Einführung von Umweltzonen ihren Fuhrpark mit zum Teil erheblichem finanziellem Aufwand erneuert. Die Investitionen sind dabei nicht nur in die Nachrüstung, sondern auch in die Neuanschaffung von leichten dieselangetriebenen Nutzfahrzeugen mit in weiten Teilen Euro-5-Standard geflossen. Dies taten sie in der festen Überzeugung, Fahrzeuge auf dem neuesten technischen Stand zu erwerben, die sie im Rahmen der typischen Fahrzeuglebensdauer nutzen können.“ Es könne nun nicht sein, dass Rahmenbedingungen, unter denen vor wenigen Jahren unternehmerische Entscheidungen getroffen wurden, heute nicht mehr gültig sind.
Bestandschutz für bestimmte Fahrzeuge – erneuter Austausch wirtschaftlich nicht zumutbar
Darüber hinaus ist nach Meinung der Vollversammlung zu berücksichtigen, dass bei leichten Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen – und damit bei den für das Handwerk am interessantesten Transportfahrzeugen – bis Ende 2015 nur Dieselfahrzeuge mit Euro-5-Standard erworben werden konnten. Auch heute sei das Angebot an alternativen Antrieben nicht verfügbar oder nicht konkurrenzfähig. Daher halte das Handwerk einen Bestandsschutz für zwischen 2009 und 2015 angeschaffte Fahrzeuge für geboten.
„Unternehmen, die in der Vergangenheit aktiv zur Luftreinhaltung beigetragen haben, dürfen nicht von einer periodischen Entwertung ihres Fuhrparks bedroht werde. Ein erneuter Austausch ist wirtschaftlich nicht zumutbar und würde viele Betriebe massiv in ihrer Existenz bedrohen“, sagte Reichhold. Nur bei langfristig geltenden Rahmenbedingungen – darunter verstehen wir die im Handwerk übliche Nutzungsdauer von acht bis zehn Jahre – bestehe Bereitschaft, in eine teure Modernisierung der Fahrzeugflotte zu investieren.
Den Technologiewandel unterstützen
Es sei jetzt entscheidend, den regionalen Technologiewandel vom Verbrennungsmotor hin zu alternativen Antrieben zu unterstützen. Deshalb befürwortet die Vollversammlung den Ansatz, im Dialog mit der Automobilindustrie technische Lösungen voran zu treiben, anstatt Verkehrseinschränkungen auf dem Rücken der Verbraucher durchzusetzen. (mh)
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