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Urlaubsanspruch verjährt nicht mehr automatisch

Was Arbeitgeber jetzt beachten sollten
Urlaubsanspruch verjährt nicht mehr automatisch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20. Dezember 2022 einen fundamentalen Grundsatz des Urlaubsrechts ad acta gelegt: Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern verjähren jetzt nur noch, wenn der Arbeitgeber sie regelmäßig darauf hingewiesen hat. „Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon – und regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen“, sagt Joachim Zobel, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun und Leiter des Arbeitsrechtsbereichs der Kanzlei.

Zeitliche Höchstgrenze mit Bedingung

Bislang war es so, dass nicht genommene Urlaubstage nach drei Jahren auf jeden Fall verjährten. „Es gab also eine zeitliche Höchstgrenze, bis zu der die Mitnahme von Urlaubsansprüchen möglich war. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber war aber immer klar: Bis hierhin und nicht weiter!“, sagt Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Grenze nun an die Bedingung eines regelmäßigen Hinweises des Arbeitgebers geknüpft und damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im nationalen Kontext eins zu eins umgesetzt. Diese umfasst zudem, dass die Hinweispflicht – man spricht hier von der Hinweisobliegenheit – des Arbeitgebers auch bei einem langzeitkranken Arbeitnehmer greift. „Wenn ein Arbeitnehmer im Lauf eines Jahres arbeitsunfähig wird, verfällt dessen Urlaubsanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer regelmäßig daran erinnert, den Urlaub zu nehmen und ihn auf den möglichen Verfall und die mögliche Verjährung hingewiesen hat“, sagt Zobel. „Das führt auf Arbeitgeberseite insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig wird und bleibt, bevor der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkommen konnte.“

Operative und finanzielle Auswirkungen

Für Unternehmen haben die beiden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Dezember große Auswirkungen – in operativer und finanziellem Zusammenhang: „Erinnert ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht regelmäßig an ihre Urlaubsansprüche sowie deren Verfall und Verjährung, ist in zeitlicher Hinsicht alles offen“, ordnet Panzer ein. „Arbeitnehmer könnten in einem solchen Fall – also ohne regelmäßigen Hinweis – ihre Urlaubsansprüche zeitlich unbefristet ansammeln. Ob dies aber auch entsprechend für den monetären Urlaubsabgeltungsanspruch gilt, kann erst nach Vorliegen der umfassenden Urteilsbegründung beurteilt werden.“

Enorme finanzielle Herausforderung

Finanziell gesehen wird das Thema Urlaub für Unternehmen durch die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu einer enormen Herausforderung. Schließlich muss ein Unternehmen für jeden Urlaubstag, den ein Arbeitnehmer im laufenden Geschäftsjahr nicht und damit über den Jahreswechsel mitnimmt, finanzielle Rückstellungen bilden. Denn wenn der Arbeitnehmer mit Resturlaub kündigt oder ihm gekündigt werden muss, kann es sein, dass der Resturlaub ausgezahlt werden muss. In solchen Fällen ist ein entsprechendes finanzielles Polster für den Arbeitgeber am Ende viel wert. Allerdings können die Rückstellungen die Firmenbilanz negativ beeinflussen, da sie im Falle eines Abrufs den zu versteuernden Gewinn und damit die Steuerlast des Unternehmens erhöhen.

Risiken planen und kontrollieren

„Es ist essenziell, dass Arbeitgeber die mit den Urlaubsansprüchen ihrer Arbeitnehmer verbundenen finanziellen Risiken planen und kontrollieren können – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie jetzt“, sagt Zobel. „Unternehmen sollten daher großen Wert darauf legen, dass ihre Arbeitnehmer ihre nicht genommenen Urlaubstage nicht unbegrenzt ansammeln. Sonst sind die zu bildenden Rückstellungen irgendwann für das Unternehmen finanziell nicht mehr tragbar.“ Auch um Rechtsstreitigkeiten mit ihren Arbeitnehmern vorzubeugen, empfehlen Zobel und Panzer Arbeitgebern, die Entscheidungen des BAG zum Anlass nehmen, ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub zu überprüfen. Sie müssen spätestens jetzt bei der Urlaubsplanung ihrer Mitarbeitenden noch proaktiver sein als sie es bislang ohnehin schon sein sollten.

Hinweis und Nachweis

Fakt ist: Arbeitgeber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Arbeitnehmer ihren Urlaub wirklich wahrnehmen. Was das bedeutet, ist spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Az.: 9 AZR 541/15) aus dem Februar 2019 klar: Ein Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer formal und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie noch Urlaubstage übrig haben und diese verfallen können. „Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber auch nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmer an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall erinnert hat“, sagt Panzer. Denn nur dann verfällt der Jahresurlaub der Arbeitnehmer zum Ende des Jahres (bzw. zum 31. März des Folgejahres). „Nach den aktuellen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts müssen Arbeitgeber aber zusätzlich noch darauf achten, dass sie ihre Arbeitnehmer auf die Verjährung nach drei Jahren aufmerksam machen“, so der Spezialist für das Thema Urlaub. „Wichtig ist: Es geht nicht darum, Arbeitnehmern ihren Urlaub vorzuenthalten oder gar wegzunehmen. Doch wenn wenn Unternehmen durch die Urlaubsansprüche ihrer Arbeitnehmenden in eine finanzielle Schieflage geraten, ist niemandem geholfen.“

Regelmäßige Erinnerungen

Dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer daran erinnern, Urlaub zu nehmen, ist üblich und mit Blick auf das laufende Kalender- und Geschäftsjahr haben die meisten Unternehmen dies in diesem Jahr wahrscheinlich ohnehin schon getan. „Allerdings ist die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die sogenannten Hinweisobliegenheit, leider konkret unkonkret ausgestaltet“, sagt Zobel. „Die entscheidende Frage lautet: Was heißt `formal und rechtzeitig´ hinweisen ganz konkret?“ Erinnere der Arbeitgeber zu früh im Jahr – etwa bereits im Frühjahr – fehle dem Hinweis die Wirkungskraft. Je näher das Jahresende rücke, desto wirksamer würden Erinnerungen oder gut gemeinte Warnungen vor einem Urlaubsverfall. Allerdings komme es dann mitunter vor, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht mehr im laufenden Geschäfts- und Kalenderjahr nehmen könne, so Panzer.

Es ist daher für Arbeitgeber ratsam, das Thema Urlaub regelmäßig anzusprechen, beispielsweise alle drei Monate. Der Vorteil bei solch einen regelmäßigen Turnus ist, dass alle informiert bleiben und das Thema und die Nerven der Beteiligten auch nicht überstrapaziert werden. Wichtig ist, dass ein Arbeitgeber bei diesen Hinweisen aber zum Beispiel auch langzeitkranke Arbeitnehmer informiert – etwa für das Kalenderjahr, in dessen Lauf die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. „Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Information ihrer Arbeitnehmer schriftlich dokumentieren und sich von den Arbeitgebern innerhalb einer angemessenen Frist bestätigen lassen, dass sie die Information erhalten und verstanden haben“, sagt Panzer.

Keine unlösbare Aufgabe

Arbeitgeber kommen ihren – leider eher unklar definierten – Pflichten am besten im Austausch mit den Arbeitnehmern nach. Das gemeinsame Ziel sollte es sein, die Urlaubswünsche abzufragen, um diese bei der Festlegung des Urlaubs mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. Im Rahmen einer vorausschauenden Urlaubsplanung ist es zudem wichtig, die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite im Blick zu haben – zum Beispiel Schulferien bei Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern oder Auftragsspitzenzeiten in saisonalen Branchen auf Arbeitgeberseite. „Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich austauschen, profitieren beide Seiten davon und das Thema Urlaubsplanung ist – trotz ungenauer Definition – keine unlösbare Aufgabe“, fasst Zobel zusammen. (bs)

www.schultze-braun.de

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