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Abendstund‘ hat Gold im Mund

Fachschule Holztechnik Detmold: Technikerausbildung in Teilzeitform
Abendstund‘ hat Gold im Mund

Der erste Jahrgang der Studenten der berufsbegleitenden, vierjährigen Techniker- und Meisterausbildung an der Fachschule Holztechnik Detmold begeht nach zwei Jahren ihr Bergfest. Nach der Hälfte der Ausbildungszeit resümieren Schüler ihre Technikerausbildung, der sie abends und an Wochenenden nachgehen.

Überstund’ hat Gold im Mund ist eine weitere abgewandelte Form der Redensart, die auch schon mal zu hören ist. Für viele Teilzeitstudenten scheint das zutreffend zu sein. Auch Susanne Richts kann dieser Sichtweise etwas abgewinnen, denn die Abendstunden, am Dienstag und Donnerstag, von 17:30 bis 20:30 Uhr, haben für sie neben dem Samstagvormittag, trotz der zusätzlichen Belastung auch etwas Entspannendes, Erholsames. Sie bieten für sie eine Abwechslung vom Arbeits- und Familienalltag. Dies gilt sicherlich nicht für alle Teilzeitler der Fachschule Holztechnik Detmold. Für alle aber war entscheidend, dass sie ihren relativ sicheren Arbeitsplatz in der heutigen Zeit nicht aufgeben und sich trotzdem weiterbilden wollten. An einer staatlichen Schule ist dies bekanntermaßen mit geringen Kosten verbunden. Mancher Interessent hatte sich die letzten Jahre zurückgehalten, sich für die Vollzeitform anzumelden, weil die Arbeitsmarktsituation zu unsicher war. Hinzu kommt für einige die Möglichkeit, in Detmold zusätzlich auf den Meistertitel vorbereitet zu werden. Detmold bildet – trotz der Nähe zur Möbelindustrie – auch für das Handwerk aus. Jeder zweite Student kommt aus handwerklichen Betrieben.

Spaß an der Projektarbeit
Florian Ober hat momentan vor allem Spaß an der praxisorientierten Projektarbeit 1, bei der unter dem Motto „Was ich schon immer zeigen wollte“ Ausstellungsmöbel entworfen werden. Am Ende des zweiten Jahres wird das Möbel für einen Auftraggeber geplant und im Anschluss als Prototyp gefertigt.
„Wir haben einen guten Auftraggeber, der uns auch über die Planungsphase hinaus unterstützen wird. Wir arbeiten darauf hin, etwas zu fertigen, was wir auch auf den Markt bringen können. Auch wenn einige Dinge nur Spinnereien sind. Doch gerade das Tüfteln und Ausprobieren macht sehr viel Spaß, ebenso die gute Arbeit im Team.“
Wissen, worauf man sich einlässt
Es wäre jedoch unredlich hier allein die positiven Seiten einer berufsbegleitenden Technikerausbildung darzustellen. Man hat deutlich weniger Zeit für Familie, Freundin oder Freunde, „zeitweise ist es Stress pur, aber man lernt damit umzugehen und viele Dinge nicht zu eng zu sehen. Man darf sich selber nicht zu viel Stress machen“, wie Florian Ober sich ausdrückt. In diesem Zusammenhang betont Ober, dass die Unterstützung des Arbeitgebers sowie der Kollegen wichtig sei: „… ich habe immer pünktlich Feierabend, kann kleinere Dinge auch während der Arbeitszeit erledigen, und mein Chef steht voll hinter mir. Die Kollegen zeigen Respekt, da viele das nicht machen würden, weil sie auf ihre freie Zeit nicht verzichten möchten.“
Am schwersten fällt vielen die Arbeit zu Hause, vor allem wenn es die Allgemeinbildenden Fächer sind, deren Inhalte insbesondere für die älteren Teilzeitler ungewohnt sind. Die eigene Schulzeit liegt eben recht lange zurück. Zum Beispiel Referate vorbereiten, für Klausuren lernen, Englisch, im Fach Kommunikation Reden schreiben oder das oft sehr zeitaufwändige Üben mit neuer Software. Die Altersstruktur ist in der Teilzeitform deutlich breiter gestreut, als in der Vollzeitform: Sie reicht von 25-Jährigen bis zu einigen Teilnehmer/innen, die um die 40 Jahre alt sind. Im Unterschied zur zweijährigen Vollzeitform beobachtet ein Lehrer, dass es für einige Studenten von Vorteil ist, die vorhandenen Wissenslücken in einem längeren Zeitraum aufarbeiten zu können. Für andere mag es jedoch eine zu stark aufschiebende Wirkung haben.
Auch für Lehrer ist es anders
Je nach Unterrichtsverpflichtung am Tag, ist es für Lehrer selbstverständlich auch anstrengender in der Abendzeit bis 20:30 Uhr zu unterrichten. Die Konzentrationsfähigkeit ist deutlich geringer. „Aber das geht den Studenten ja nicht anders und man kann sich gemeinsam aufraffen. Man muss die Latte eben niedriger hängen“, so das Statement eines Lehrers. Auch deshalb, weil von den Studierenden weniger häusliche Nacharbeit erwartet werden kann.
Von Vorteil dabei ist, dass die Lehrer flexibel auf Themenzusammenhänge reagieren und Unterrichteinheiten sinnvoll blocken können, da sie in der Abendzeit bzw. am Samstag mehr oder weniger alle zur Verfügung stehen.
Das Wochenende ist spürbar verkürzt – die Vor- und Nachbereitungen vom Unterricht verschieben sich auf die freien Abende und auf das Wochenende.
Praxisnähe ist gefragt
Eine weitere Herausforderung für die Lehrer ist die Realitätstauglichkeit. Mehr noch als in der Vollzeitform muss der Lehrer die Inhalte auf die Realitätstauglichkeit und Praxisnähe hin überprüfen. „Die Leute sind halt noch näher an der Praxis und man lernt so selbst mehr dazu“, so ein Lehrer. Die Abstimmung der Inhalte und die Kooperation unter den Kollegen sind mehr gefordert, auch wenn in der Teilzeitform im Prinzip die gleichen Inhalte und Projekte wie in der Vollzeitausbildung umgesetzt werden sollen.
„Das Material und die Inhalte für die Vollzeitausbildung lassen sich jedoch nicht einfach auf die Vollzeitform übertragen. Das gilt auch für die Methodik, denn für viele Studenten ist es lange her, dass sie die Schulbank gedrückt haben – und das muss berücksichtigt werden. Man muss sich hier und da mehr einfallen lassen, bessere Beispiele suchen oder sich handlungsorientierte Aufgaben überlegen, damit die Studenten von einem übermäßigen Dozieren am Abend nicht einschlafen. Auch wenn man sich Mühe geben will, ist das im Alltag nicht immer zu schaffen.“
Viel Ausdauer über Jahre
Nach zwei Jahren ziehen zwei Schüler ein insgesamt positives Resümee und gehen mit Optimismus in die zweite Halbzeit. Dazu Wulf Schröder: „Es kommt auch vor, dass der Dienstag und Donnerstag nicht ausreichen und ich mich an anderen Abenden oder am Wochenende hinsetzen muss, was mir auch nicht immer Spaß macht. Aber genau das ist es, was wir „Teilzeitler“ uns selbst und künftigen Arbeitgebern, neben dem Wissen was wir uns aneignen, beweisen: Nämlich die Ausdauer, gleichzeitig Beruf und Ausbildung über vier Jahre zu meistern. Wenn ich mir das immer wieder vor Augen halte, bin ich optimistisch – für die nächsten zwei Jahre, aber auch was die Zeit nach der Ausbildung betrifft.“
Während der bevorstehenden sechs Wochen Ferienzeit werden die Detmolder Teilzeitler sich sicherlich – auch ohne Schulbank-Drücken – die Abendstunden vergolden.
Vorteile für die Unternehmen
Anders als in der Vergangenheit erwarte die Wirtschaft nicht nur Vollzeitangebote, sondern auch Teilzeitformen, die berufsbegleitend realisiert werden können. Dr. Lucas Heumann, Hauptgeschäftsführer der Verbände der Holz- und Möbelindustrie Westfalen-Lippe, bestätigt damit die Einschätzungen und Erwartungen der Detmolder Teilzeitler. So hätten die berufsbegleitenden Ausbildungsgänge aus seiner Sicht mehrere Vorteile für die Unternehmen:
  • Zum einen würde die Ausbildung zum Techniker bei gleichzeitigem Fortbestand des Arbeitsvertrages die Bindung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer stärken.
  • Darüber hinaus biete die berufsbegleitende Teilzeitform eine Möglichkeit, die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse – jeweils parallel und ohne Zeitversatz – in der betrieblichen Praxis umzusetzen.
  • Schließlich biete die berufsbegleitende Form auch die Möglichkeit, besondere Anforderungen der Unternehmen durch die Studenten in die Ausbildungsinhalte der Technikerausbildung einzuführen.
  • Ein auch für die Studenten nicht zu unterschätzender weiterer Vorteil bestehe darin, dass sie durch die Bewältigung des Studiums parallel zur beruflichen Tätigkeit ihre besondere Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit nachweisen. Nach allen Erfahrungen sei dies ein Leistungsnachweis, der auch bei späteren Bewerbungen förderlich ist und sich auf die Karriere auswirken kann. ■
Michael Eckert
Felix-Fechenbach-Berufskolleg
Detmold

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Wulf Schröder, 37 Jahre alt, Tischler, Kulissenbauer im Fotostudio Vogelsänger: „Vor ein paar Jahren hatte mich die recht unsichere Arbeitsmarktsituation davon abgehalten, die Technikerausbildung in der Vollzeitform über zwei Jahre zu beginnen. Nach nunmehr zwei Jahren, also der Hälfte der Ausbildung, würde ich mich wieder für die berufsbegleitende Form entscheiden. Auch wenn es eine Doppelbelastung ist, und ich auch im Sommer sicherlich öfters Zeit mit Freunden verbringen oder lieber im Biergarten sitzen würde. Aber durch diese „duale Ausbildung“ schaffe ich mir Bezüge zwischen meiner praktischen Arbeit als Tischler und der Theorie: Teilweise Dinge, die mir in der Fachschule vermittelt werden und die ich dann in der Praxis überprüfen und anwenden kann.“

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Florian Ober, 25 Jahre alt, Tischler, Möbel- und- Innenausbau:
„Ich habe es schon öfters mal bereut, gerade am Wochenende, wenn die Kumpels freitags weggehen und man selber zu Hause bleiben muss, weil ich am nächsten Morgen frühaufstehen und rechtzeitig auf der Matte stehen soll. Zum Glück habe ich nicht so viele private Verpflichtungen, da ich noch jung bin.
Ob ich es wieder machen würde, kann ich erst sagen, wenn ich weiß, was es mir eigentlich gebracht hat. Wenn ich beispielsweise einen guten Job bekomme, bin ich restlos überzeugt, dass die Entscheidung richtig war und ich es wieder machen würde.“

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Susanne Richts, 38 Jahre alt, zwei Kinder, Tischlerin, Fenster- u. Türenmontage: „Während der Unterrichtszeit kann ich gut abschalten, von Zuhause, vom Betrieb, von den Kindern. Das ist meine Zeit und ich kann was dazu lernen. Ich sehe etwas anderes, andere Leute und höre auch mal von anderen Betrieben, was da so läuft, dass es woanders die gleichen Probleme gibt oder andere Lösungen praktiziert werden. Das ist interessant!“
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