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Abschied auf Raten

Lösemittelbasierende Lacksysteme auf dem Rückzug
Abschied auf Raten

Wasserlacke und Naturprodukte ersetzen zunehmend lösemittelbasierende Systeme. Thomas Palm, Leiter der Entwicklungsabteilung des Geschäftsbereichs Zweihorn bei der Akzo Nobel Deco GmbH, geht dem Thema aus Sicht eines Lackherstellers in diesem Beitrag differenziert auf den Grund.

Schenkt man den Politikern in der Europäischen Union Glauben, so ist auch für den Holzmöbelbereich die Abkehr vom lösemittelbasierten Lack hin zum Wasserlack bzw. Naturprodukt die einzige Lösung zur Reduzierung der Treibhausgase. In jedem Fall macht hier eine differenzierte Betrachtung Sinn. Deshalb gehen wir zunächst der Frage nach, wo Wasserlacke bzw. Naturprodukte heute stehen. Anschließend versuchen wir zu skizzieren, welche Wege die Rohstoff-/Lackhersteller in Bezug auf zukünftige Technologien beschreiten könnten.

Moderne Wasserlacke: Ausgereifte Multitalente
Moderne Wasserlacke sind in Bezug auf die Oberflächengüte ebenso gut oder zum Teil sogar bereits besser als Lösemittellacke. Dass dies so ist, liegt zum einen am ständig wachsenden Formulierungsgeschick der Entwicklungsabteilungen, aber auch an dem enorm gestiegenen Know-how der Rohstoffhersteller, insbesondere der Bindemittelhersteller. Moderne Wasserlacke sind beispielsweise auch bei der Holzanfeuerung sehr gut geworden. Jedoch unterscheidet sich der Farbton je nach Holzart zu dem eines Lösemittellackes. So feuert ein Wasserlack z. B. eine Buche nur geringfügig an, ein Lösemittellack jedoch sehr. Auf Kirschbaum erzielt man eine sehr schöne Anfeuerung, die sich allerdings von der eines Lösemittellackes unterscheidet. Chemisch sehr gut beständig sind eigentlich alle modernen 2K-Lacke.
Die klassischen einkomponentigen Nitrolacke nehmen bei den Verkaufszahlen seit den letzten 10 Jahren immer mehr ab und verlieren somit an Bedeutung. Hier merkt man das gewandelte Anspruchsdenken der Endverbraucher. Haltbarkeit und Langlebigkeit sind wichtige Kaufargumente, die ihrerseits für Nachhaltigkeit stehen. 2K-Wasserlacke sind bei der Beanspruchung (z. B. Kratzfestigkeit und Härte) oftmals sogar besser als 2K-Lösemittellacke und erfüllen die bei lösemittelhaltigen 2K-Lacken als selbstverständlich geltende Creme- und Fettbeständigkeit mit Bravour. Hierbei muss man wissen, dass der Unterschied zwischen ein- und zweikomponentigen Lösemittellacken sehr groß ist, der bei 1K- und 2K-Wasserlacken allerdings deutlich geringer.
Moderne Wasserlacke sind in der Summe aller Eigenschaften auf jeden Fall eine echte Alternative zu den Lösemittellacken. Lediglich die Verarbeitung bedarf einer besonderen Betrachtung. Denn bei regnerischem Wetter und 10 °C Raumtemperatur trocknet auch der beste Wasserlack nicht, weil das Wasser im Gegensatz zu den Lösemitteln nicht weiß, wo es hin soll. Um dies jedoch immer zu gewährleisten, müsste man je nach Betriebsgröße und Gegebenheiten in Trocknungstechnologien investieren. Beheizte und belüftete Trocknungsräume, Ventilatoren, Infrarottrocknung oder aber auch Mikrowellentrocknung seien hier genannt.
Gerade die beiden letzteren Technologien stellen hier die neuesten Entwicklungen dar und sind auch bereits erfolgreich im praktischen Einsatz. Aber auch weniger kostenintensive Trocknungsanlagen, wie beheizte und belüftete Trockenkanäle, können hier schon hilfreiche Dienste leisten. In vielen Handwerksbetrieben reicht bereits ein simpler Austausch der feuchten durch trockene ungesättigte Luft. Dies ist, je nach Größe des Trocken-/Spritzraumes, mit handelsüblichen und relativ preiswerten Luftentfeuchtern zu erreichen.
Naturprodukte zunehmend auf dem Vormarsch
Naturprodukte sind aus Sicht der Entwicklung und der Oberflächengüte eine ganz andere Welt und müssen gesondert betrachtet werden. Öle und Wachse waren lange Jahre fast ganz aus dem Angebot der großen Lackproduzenten verschwunden und quasi in eine Nische verdrängt worden. Gründe waren die geringe Nachfrage, da die Beständigkeiten einfach nicht gut genug waren.
Spezielle Anbieter bedienten diese „Öko“-Kunden direkt über kleine Fachgeschäfte oder aber Schreiner und Tischler haben sich auf solche Kunden fokussiert. Umweltkatastrophen und gesteigertes Gesundheitsbewusstsein führten allerdings zu einer bemerkenswerten „Renaissance“ natürlicher Produkte. Aus der ehemaligen Randzielgruppe entwickelte sich in den letzten ca. 15 Jahren eine zusätzliche Kundengruppe, nicht vergleichbar mit den so genannten „Öko“-Kunden. Die, ich nenne sie mal „aufgeklärten“ Kunden, entscheiden sich nicht für oder gegen ein Öl oder Wachs, sondern beziehen es in ihre Überlegungen mit ein. Dabei spielt neben gesundheitlichen und ökologischen Aspekten auch die Oberflächengüte eine Rolle.
Wir als Lackhersteller haben unser ursprünglich kleines Angebot von Ölen vor 13 Jahren zu einem inzwischen umfangreichen Sortiment von natürlichen Wachsen und Ölen ausgebaut. Bei Ölen und Wachsen verfolgen die Anbieter unterschiedliche Konzepte. Zweihorn hat sich zum Einen für das Konzept der entaromatisierten Kohlenwasserstoffe als Verdünner, zum Anderen für das lösemittelfreie Konzept entschieden, da wir diese aus gesundheitlicher Sicht für die besten Alternativen halten.
Generell sind die lösemittelhaltigen Öle schneller trocken und riechen auch nicht so lange. Technisch gesehen sind diese auch wesentlich leichter zu verarbeiten. Öle dringen generell tief ins Holz ein und schützen es von innen. Da das Öl nach dem Auftrag abgenommen wird, bleibt die „natürliche“ Haptik der Holz-Oberfläche erhalten. Das erklärt auch die Notwendigkeit eines 400er Schliffs des rohen Holzes.
Wachse sind – im Gegensatz zu modernen Ölen – aufgrund ihrer unvollständigen Filmbildung nie sehr wasserbeständig. Daher empfiehlt es sich immer, vor dem Wachsen auch zu Ölen, um das Holz vor Feuchtigkeit zu schützen. Dennoch muss eine Wachsoberfläche häufiger gepflegt werden als eine geölte. Aber viele Kunden wünschen trotzdem die Haptik einer gewachsten Oberfläche. Das führte dazu, dass diese so genannten Hartwachsöle entwickelt wurden. Neuartige Technologien haben das Leistungsspektrum der Öle und Wachse enorm gesteigert. Technisch kann man durch Heißspritzen der Öle ein besseres Eindringverhalten und eine bessere Zerstäubung bei weniger Druck erzielen. Zur Trocknungsbeschleunigung empfiehlt sich der Einsatz von Infrarottrocknern, wie sie auch zur Wasserlacktrocknung eingesetzt werden.
Welche Wege beschreiten die Rohstoff-/Lackhersteller?
Nachdem auch in unserem Hause jahrelang die Entwicklung von wässrigen Systemen im Vordergrund stand – konträr zu den Verkaufszahlen – ist eigentlich seit geraumer Zeit klar, dass der Markt ohne politischen Druck nicht auf breiter Front von seiner gewohnten Arbeitsweise abrückt. Daher haben wir uns dem Thema VOC-konforme Lösemittellacke zugewandt und dies, obwohl die Rohstoffindustrie das Thema Lösemittellacke aus den Zukunftsplänen gestrichen hat.
Viele namhafte Rohstoffhersteller haben sich sogar ganz aus diesem Markt zurückgezogen. Das führt dazu, dass schon jetzt von der Rohstoffseite keine nennenswerten Neuentwicklungen zu erwarten sind.
Trotzdem haben sich einige Lackhersteller dazu entschieden, dem Schreiner und Tischler durch neuartige Produkte die VOC-konforme Lackierung mit Lösemittellacken zu ermöglichen. Hier gibt es aus Entwicklersicht zwei verschiedene Möglichkeiten:
  • High-Solid Lösemittellacke haben einen reduzierten Lösemittelgehalt, wobei die Bindemittelmenge bzw. der Festkörperanteil des Lackes erhöht werden. Vorteile für den Verarbeiter sind der geringe Verbrauch und eine ähnliche Verarbeitungsweise wie gewohnt. Als Nachteile sind bei klassischen 2K-PUR-Systemen die sehr langsame Trocknung und der hohe Preis aufgrund des teuren Bindemittels zu nennen.
  • So genannte „Hybrid-Lacke“ sind Lösemittellacke, bei denen durch geschicktes Formulieren und durch geeignete Prozesstechnik die meisten Eigenschaften von klassischen Lösemittellacken abgebildet werden können. Meist haben sie einen erhöhten Festkörperanteil und bestimmte Anteile der Lösemittel sind durch Wasser ersetzt. Diese Technologie wird uns in den nächsten Jahren vermutlich am stärksten begleiten, weil sie dem Schreiner und Tischler nur geringfügige Änderungen bei der Verarbeitung abverlangt.
Ganz aktuell hat Zweihorn auf der Holz-Handwerk in Nürnberg mit „Futuran“ einen VOC-konformen, patentierten Lösemittellack präsentiert, der mit 20 Prozent weniger Lösemittel auskommt und bei dem – ähnlich den so genannten Hybridlacken – ein Teil der Lösemittel durch Wasser ersetzt wurde. Die Vorteile des Systems liegen in einer relativ schnellen Trocknung, einer starken Anfeuerung sowie darüber hinaus auch in einer guten Blockfestigkeit/Stapelfähigkeit.
Nachhaltigkeit an erster Stelle
Lösemittel schaden der Umwelt. Auf der Suche nach geeigneten Auswegen ist allerdings eine isolierte Betrachtung der Produkte aus ökologischer Sicht nicht sehr hilfreich.
Nachhaltigkeit ist in diesem Zusammenhang die bessere Sichtweise. Es bedeutet, nicht nur, den Lösemittelgehalt eines Produktes zu betrachten, sondern die Ökobilanz des gesamten Prozesses: Von der Rohstoffherstellung über die Produktion bis hin zum Endverbraucher bzw. zur Entsorgung. Bestenfalls wird im Laufe dieses Prozesses mehr klimaschädliches CO2 aus der Umwelt entnommen, als ihr nachher wieder zugeführt wird. Leider wird dies bisher so nicht betrachtet. Akzo Nobel – als größter Lackhersteller der Welt – nimmt das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst und versucht bereits im Entwicklungsprozess, Rohstoffe nach ihrer CO2-Bilanz zu beurteilen. Für die Zukunft heißt das, dass die Nachhaltigkeit bzw. die CO2-Bilanz eines Produktes stärker in den Vordergrund gerückt wird, als der reine Lösemittelgehalt. Unter solchen ökologischen Betrachtungen wäre der klassische Nitrolack sicherlich genauso umweltfreundlich zu sehen, wie der Pulverlack, der für die Filmbildung sehr viel Wärme und somit Energie benötigt.
Um Lösemittel zu reduzieren, wie es die VOC-Verordnung der EU fordert, sind Wasserlacke oder einige Naturprodukte der einzig richtige Weg. Wenn die EU die derzeit gültige VOC-Richtlinie ändert, was zu erwarten ist, dürfen wir als Hersteller sowieso viele unserer jetzigen Lösemittellacke gar nicht mehr anbieten. (Thomas Palm, Leiter der Entwicklungsabteilung des Geschäftsbereichs Zweihorn bei der Akzo Nobel Deco GmbH) ■
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