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Ausdrucksstark und handwerklich perfekt

Lüder Baier: Grandseigneur der Holzgestalter
Ausdrucksstark und handwerklich perfekt

Holzgestalter – selten beschreibt eine Berufsbezeichnung in allen ihren Facetten einen Menschen so genau wie im Falle des Drechslers und Holzgestalters Lüder Baier aus Dresden. Die Arbeiten – oder besser noch das Lebenswerk – des im Westen zu Unrecht fast unbekannten Künstlers zeigen Gestaltungen in Holz in allen nur denkbaren Ausformungen.

Der heute fast 80jährige Grandseigneur der DDR-Holzgestalter hat sich formschöpferisch und diszipliniert mit vielen Aspekten der Holzgestaltung befasst: Holz – als bearbeiteter Baumstamm, als Fachwerkkonstruktion aus Balken, als flächige Gebilde, als geschnitzte und gedrechselte Form und als organisch geformte Skulptur. Naturbelassene Fundstücke aus heimischen Hölzern, fein beschnitzte Reliefs aus einheimischen und exotischen Holzarten bis hin zu gedrechselten Formen in Materialkombi-nationen aus Holz, Metall, Elfenbein und Horn.

Lüder Baier, 1920 in Dresden als Sohn eines Goldschmiedes und Graveurs geboren, hatte früh Kontakt mit dem Werkstoff Holz. Der Vater Hermann Baier war gezwungen, bedingt durch die Wirtschaftskrise der 20er Jahre und die Notwendigkeit eine vierköpfige Familie zu ernähren, seinen erlernten Beruf aufzugeben. In seiner Freizeit aber fertigte er mit einfachsten Mitteln Musikinstrumente und andere Holzarbeiten und führte die beiden Söhne zum Musizieren, vor allem aber zum spielerischen Umgang mit dem Werkstoff Holz. Doch eine Berufswahl in Richtung künstlerischer Tätigkeit war in diesen Zeiten undenkbar, zumal sich schon die Suche nach einer Lehrstelle sehr schwierig gestaltete.
Auf Drängen der Mutter, einen Beruf – als Basis für jegliche weitere Bildung – zu erlernen, begann Lüder Baier 1934 eine Modellbauerlehre. Allerdings stellte sich der damals 14-jährige unter diesem Beruf etwas vollkommen Anderes vor. Anschließend an seine Ausbildung wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Bedingt durch eine Kriegsverletzung kehrte er 1944 in seine Heimatstadt Dresden zurück. Während der folgenden Genesungszeit verordneten ihm die Ärzte handwerkliche Betätigung. Lüder Baier nutzte eine umgebaute Metalldrehbank zu ersten Drechselversuchen, bei denen einfache gedrechselte Gebrauchsgeräte entstanden.
In dieser Zeit erkannte er, dass ihm eine handwerklich gestalterische Tätigkeit mehr lag, als die „trockenen“ Inhalte des Modellbaus. So nutzte er ab sofort jede freie Minute, neben seiner Arbeit als Modellbauergehilfe, zur Vervollkommnung seiner neu-gefundenen „Berufung“.
Nach Ende des Krieges eröffnete er in der ehemaligen Mehlstube einer Bäckerei in Dresden-Neustadt seine erste eigene Werkstatt. Als wichtigste Maschine diente ihm eine selbstentworfene und -gebaute Drechselbank. Versuche als handwerklicher Drechsler anerkannt zu werden scheiterten an der Sächsischen Handwerkskammer, die ihn als „Dilettant“ – also als Ungelernten und Hobbydrechsler – abwies und ihm die Aufnahme in die Handwerksrolle verweigerte.
Durch verschiedene Exponate in einer Dresdner Kunsthandlung wurde Theodor A. Winde auf Lüder Baiers Arbeiten aufmerksam und holte ihn für ein Jahr als ausführenden Mitarbeiter in sein Atelier. Winde, ehemals Lehrer an der Dresdner Kunst-gewerbeschule, war bereits in den zwanziger Jahren durch seine Holzarbeiten, Spielzeuge, Dosen und Schalen bekannt geworden. Er erhielt mit der Wiedereröffnung der Hochschule für Werkkunst in Dresden eine Professur und Lüder Baier begann 1947 als einer seiner ersten Schüler das Studium. Dieses schloss er 1952 mit dem Diplom in Holzgestaltung ab.
Seit dieser Zeit arbeitet Lüder Baier als freischaffender Künstler und Holzgestalter auf den Gebieten der Drechslerei, der Holzbildhauerei, der architekturgebundenen Plastik bis hin zum Industrie Design für kunsthandwerkliche Serien. Während all dieser Jahre und verschiedensten Tätigkeiten blieb der Werkstoff Holz eine bestimmende Konstante in seinen Arbeiten. Und auch heute noch spürt man im Gespräch mit ihm diese ungebrochene Begeisterung für „sein“ Material Holz.
Lüder Baiers gedrechselte Objekte umfassen Schalen, Gefäße, Kugeln und Dosen. In seinem Atelier finden sich immer wieder Dosen in allen nur denkbaren Formen und Dekoren: schlichte, zylindrische Büchslein mit Deckel, die die verwendete Edelhölzer, wie Palisander, Makassar-Ebenholz, Padouk oder Cocobolo vortrefflich zur Geltung kommen lassen. Aber auch schlanke hohe Behältnisse aus einheimischen Nadelhölzern deren gedrehten Oberflächenreliefs die markante Maserung der Jahresringe noch hervorheben. So unterschiedlich seine Arbeiten auch sein mögen, gemeinsam ist ihnen stets eine perfekte handwerkliche Ausführung: so sehr man auch sucht es gibt keine Unterseite, keine Rückseite, keinen Dosenboden, der nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit und Sauberkeit bearbeitet ist wie die Außen- oder Sichtseite.
So auch bei seinen plastischen oder bildhauerischen Arbeiten. Hier finden sich flächige Reliefs und Strukturen in Nadelhölzern ebenso wie dreidimensionale Plastiken in exotischen Hölzern. Diese erinnern beim Anblick ihrer Oberflächen teils an die Perfektion von polierten Bronzenskulpturen eines Henry Moore, teils aber auch an wettergegerbte, von Wind und Sand zerfaserte Strandfundstücke. Überhaupt kommt der Oberflächenbearbeitung in Lüder Baiers Arbeiten eine große Bedeutung zu: ob mit dem Schnitzeisen behauen, glatt geschliffen und poliert, gebürstet oder sandgestrahlt, mit Metallen eingelegt oder mit Bronzestaub in den Poren eingerieben, stets stehen Werkstoff und Bearbeitung in einem engen Zusammenhang, ja ergänzen und überhöhen sich gar. Die Größe seiner Arbeiten reicht von Kleinplastiken für den Innenraum bis hin zu baumstammgroßen Stelen für den Außenbereich. In all den Jahren seines Schaffens sind aber auch baugebundene Arbeiten, wie Wandreliefs sowie Flächen- und Gitterstrukturen entstanden, die ihren Ursprung direkt aus den organischen Strukturen der ihn umgebenden Natur oder aus der Anwendung einer bestimmten handwerklichen Technik, wie der des Drechselns oder Schnitzens, beziehen. In allen Arbeiten treten diese ihm vertrauten Handwerkstechniken des Bildhauers und Drechslers sowie des Schreiners und Zimmermannes – oftmals auch nebeneinander – auf.
Auch in seiner Arbeit als Industrieformgestalter (seine Diplomarbeit hatte den Entwurf und Bau von Stuhlformen zum Thema) in der er unzählige Leuchter, Lampen und Tischgeräte entwarf und als Prototypen fertigte, kommt immer wieder der Werkstoff Holz im Zusammenspiel mit Metall und Glas vor. Viele seiner Entwürfe gingen in der Holzindustrie in Serienfertigung.
Bei der Betrachtung von Lüder Baiers Arbeiten wird deutlich, dass hier ein Künstler und gestaltender Handwerker von hohem Range am Werke war. Verbindet er in seinen Stücken doch stets handwerkliche Perfektion und Reife mit der Sensibilität und Ausdruckskraft eines Künstlers. Nie erscheinen seine Formen beliebig oder gar zufällig, sondern zeigen die Durchgängigkeit und das aufbauende Wesen eines langen gestalterischen Schaffens. Aufbauen auf bereits Geschaffenem und Erfahrenem. Neue Wege suchen. Neugierde und Wachheit beweisen: Das sind, so scheint es, auch heute noch Lüder Baiers Arbeits- und Lebensinhalte. Denn trotz seines Alters von fast 80 Jahren verbringt er noch täglich einige Stunden in Atelier und Werkstatt, um „seinem“ Werkstoff Holz Neues zu entlocken. o
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