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Berufliche Ausbildung zum Carpintero

Allgemein
Berufliche Ausbildung zum Carpintero

Eine Fachinformationsreise unternahmen deutsche Fachkräfte der beruflichen Bildung, unter ihnen Dr. Thomas Heyn, Dozent an der Bildungsstätte Zeulenroda des Berufsbildungs- und Technologiezentrums der Handwerkskammer für Ostthüringen, im November 1998 nach Argentinien. Die Reise wurde durch die Carl Duisberg Gesellschaft e. V. (CDG) organisiert und weitgehend durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) gefördert. Die Reise führte ihn von Zeulenroda/Thüringen in zwei nordöstliche Provinzen und in den Raum von Buenos Aires. Seine Eindrücke schildert er im folgenden Bericht.

Centro Tecnològico de la Madera, Argentinien

Eindrücke vom Land
Von den ländlichen Provinzen ausgenommen entstand in Buenos Aires mehr der Eindruck aus Europa gar nicht abgereist zu sein (Wetter ausgenommen). Nachhaltig erlebte ich die Wasserfälle von Iguazú im Dreiländereck von Brasilien, Argentinien und Paraguay.
Argentinien scheint – durch die Zuwanderer – ein Staat zu sein, in dem keine Argentinier leben. Man wird auch als Ausländer akzeptiert, zwar nicht so selbstverständlich wie in London – aber unvergleichbar besser als in Südostasien.
Europäisch im Erscheinungsbild (u. a. herrliche Jugendstilfassaden in der Hauptstadt), im argentinischen Selbstverständnis, im Lebensstil und in der Mentalität lateinamerikanisch hat sich mir die Auseinandersetzung mit öffentlichen und privaten Verhältnissen im Gastland Argentinien offenbart.
Beeindruckend bleiben das alte Hafenviertel mit allem Vergänglichen und der kurze Eindruck vom beobachteten Tango in San Telmo: Lebensfreude und Tradition.
Buenos Aires ist auch manchmal im organisierten Chaos als Lateinamerika zu entdecken. Vor verbeulten Autos flüchten Menschen über die Straßen. Eine Vielzahl gelb-schwarzer Taxen findet Kunden und bringt sie in einer Stadt von 14 Millionen Einwohnern wohl zum Ziel.
Im Leuchten der Reklameschilder beginnt die Hauptstadt erst richtig zu pulsieren. Am Wochenende sind die Straßen und Plätze gänzlich überfüllt. Argentinier engagieren sich im bunten Treiben, warten aber auch in stoischer Ruhe stundenlang vor einer Bank auf die Erfüllung von Geschäftsbedürfnissen.
Das große Land verspürt keinen Bevölkerungsdruck, weil es im Landesdurchschnitt unterbesiedelt ist.
Schulwesen und Ausbildung
Für das Verstehen konkreter beruflicher Ausbildung ist das Gesamtkonzept argentinischer Bildung heranzuziehen. So muß für die Bewertung der Ausbildung beachtet werden:
• Das argentinische Schulwesen befindet sich gerade im Umbruch. Neue Gedanken können deshalb nur als Absicht einbezogen werden.
• Durch das Fehlen eines eigenen Berufsschulsystems deutscher Gewohnheit sind nachfolgende Aussagen immer mit allgemeinbildenden Formen zu verknüpfen bzw. in einem etwas lockeren didaktischen Bezug zu sehen.
Überschauend ist von nachfolgender Sachlage auszugehen.
• Berufliche Ausbildung ist an Sekundarschulen gebunden (gesonderte Berufsschule ist nicht existent).
• Bisherige Schulpflicht wird von sieben auf zehn Jahre verlängert.
• Während vorher zwischen beruflicher und allgemeiner Sekundarbildung im Alter von zwölf Jahren zu entscheiden war, ist im neuen System der Übergang nach neun Schuljahren in eine 3jährige polymodale Technikerausbildung vorgesehen.
• Abschlüsse sind auf unterschiedlichen Niveaustufen (ähnlich von Fachhochschulen) möglich. Dabei sollen parallel und im Anschluß an den polymodalen Schulzweig Module belegt werden können, die zu einem Technikerabschluß der mittleren Ebene führen.
• Der staatliche Technikerabschluß versteht sich als Doppelqualifikation (Techniker und zugleich Zugangsberechtigung zur Universität).
• Für handwerkliche Berufe gibt es keine staatlich anerkannte, formale Ausbildung. Sie kann derzeit nur in speziellen Projekten für einen konkreten Beruf in dafür zur Verfügung stehenden Unternehmen ausgeführt werden.
• Berufsbildende Abschlüsse erfahren nur einen geringen gesellschaftlichen Wert. Dual erworbene Ausbildungsabschlüsse verhelfen den jungen Menschen in den Unternehmen zu Kompetenz, sind aber sonst wenig akzeptiert.
• An technischen Sekundarschulen bestehen zur Zeit sehr hohe Abbrecherraten (man informiert über 60 %).
• Bestehende bzw. vorgesehene Berufsbilder der Technikerausbildung, wie z. B. Elektrotechnik, Bauwesen, Aufsichtspersonal für Baustellen, sind unklar abgegrenzt.
• Es gibt Bemühungen durch das Arbeitsministerium mit beschäftigungsfördernden Programmen und ab 1994 den „Lehrvertrag“ für 3 bis 24 Monate ohne theoretische Unterweisung oder berufliche Praktika als Ergänzung.
Aus der sozusagen vorliegenden „Philosophie“ wird ersichtlich, daß
• gestufte Ausbildungsabschlüsse als Maßnahme der Chancengleichheit gesehen werden
• bestimmte Berufe nur im Rahmen nonverbaler Abschlüsse (sogenannter Techniker) bestehen
• eine Anpassung an bestehende Modelle nicht vorgesehen ist
• Allgemeinbildung im Stellenwert eine besondere Bedeutung beibehält.
Die Qualität der Ausbildung an Hochschulen und Universitäten – auch wenn Argentinien ein entwickeltes Land mit z. T. hochqualifizierter Produktion ist – scheint fraglich.
Mit der neuen Struktur des Bildungssysteme erhalten die Provinzen die Bildungshoheit unter zentral vorgesehener Abstimmung. Die Idee vom lebenslangen Lernen verfolgt insbesondere die Aspekte der Zugangserweiterung, der Flexibilität, Transparenz und Qualität.
Ausbildung zum Tischler/Zimmerer
1. Möglichkeit
Eine staatliche Ausbildung in einer Sekundarschule mit möglichen Betriebspraktika würde zu einem Technikerabschluß führen, der allgemeingültig bleibt. Der Absolvent könnte sich nur auf den Umgang mit Holz o. ä. beziehen.
2. Möglichkeit
Eine für die Holzindustrie erforderliche Ausbildung als „Carpintero“ (Tischler/Zimmerer) kann in der nordöstlichen Provinz Misiones, in der Stadt Montecarlo, im Ausbildungszentrum „Centro Tecnològico de la Madera“ erfolgen.
Das Zentrum wird als gemeinnütziger Verein mit der Finanzierung durch den Staat, die Gewerkschaft und die Unternehmer sowie ausländischer Unterstützung geführt.
Wirtschaftslage. Provinz Misiones mit 32000 km², Holzindustrie mit vier bis zwölf Großbetrieben und 275 Kleinbetrieben als Forstbetriebe mit Holzeinschlag; von 246 Tischlereien werden nur sieben industriell betrieben, andere sind Kleinbetriebe.
Bewerbung. Für eine Ausbildung müssen sich die zukünftigen Lehrlinge an das Arbeitsministerium wenden. Die Gewerkschaft untersteht dem Arbeitsministerium. Schüler (hier: Lehrlinge) sind selbst nicht in der Gewerkschaft.
Ausbildungsinhalte
Die Stoffgebiete umfassen wesentlich
• den Holzeinschnitt
• die Trocknung und
• die Weiterverarbeitung (Herstellung von Holzverbindungen, Konstruktion einfacher Möbel – einschließlich der Holzwerkstoffherstellung wie Platten, Gestaltung von Bauelementen, wie Fenster und Türen).
Zeitlicher Ablauf
Erstes Lehrjahr:
Die Arbeitszeit besteht von 7.30 bis 12.45 Uhr und von 14.00 bis 17.30 Uhr an fünf Tagen für zehn Monate im Jahr. Im ersten Lehrjahr verbleiben die Lehrlinge im Ausbildungszentrum bis auf zwei Wochen Urlaub. Übernachtungsmöglichkeiten bestehen im nahegelegenen Ort.
Zweites und drittes Lehrjahr:
Ein Tag pro Woche wird in einem Block zusammengefaßt. 1000 Ausbildungsstunden sind zu absolvieren.
Insgesamt sind für den Abschluß 2000 Stunden Lehrzeit einzuplanen.
Anzahl der Auszubildenden
In der Erstausbildung befinden sich 50 Lehrlinge in zwei Durchgängen. In der Fortbildung nehmen ca. 600 Teilnehmer die Angebote auf.
Unterrichtserteilung
Der Unterricht wird von eigenen Ausbildern und Fremdlehrern gegeben. Die Aufteilung entspricht in etwa der Ausbildung in Deutschland. Im ersten Lehrjahr erhalten die Lehrlinge in Vollzeitform je zur Hälfte Theorie und Praxis in einer zentrumeigenen Werkstatt (Ausstattung entspricht der Grundausstattung im deutschen Verständnis). Im zweiten und dritten Lehrjahr erfolgt die Praxis in den Unternehmen (duale Form).
Vergütung
Die Lehrlinge erhalten an die Provinzeinkommen angepaßte Lehrlingsentgelter.
Abschluß
Das Abschlußzertifikat wird vom Arbeitsministerium ausgestellt, hier nicht vom Staat. Der Abschluß findet leider wenig Anerkennung.
Der Besuch im Ausbildungszentrum fand in einer sehr aufgeschlossenen Atmosphäre statt. Es bestand ein sehr großes Interesse für Unterlagen zur Arbeitsplanung in der Holztechnik.
Schlußbetrachtung
Die vergleichende Betrachtung der Bildungskonzepte zeigt viele Parallelen zu Anlernpraktiken aus den USA und Kanada.
Durch die unklare Abgrenzung der Berufsfelder wird eine zu verallgemeinerte Ausbildung impliziert.
Die verstärkte Einbeziehung der technologischen Bildung sichert Handlungskompetenz. Technologische Bildung ist freilich immer an wirtschaftliche Gegebenheiten anzupassen.
Ohne Beteiligung des Staates an der gezielten Berufsausbildung kann in Unternehmen viel Einseitigkeit in der Ausbildung entstehen. Kleinere Betriebe mit weniger guten Ausrüstungen bleiben dabei quasi auf der Strecke.
Da Argentinien nicht durch so viel Gesetze wie in Deutschland in der Entwicklung bestimmt ist, bestehen mehr Handlungsspielräume.
Argentinien bleibt für mich im europäischen Schein und der Beherrschbarkeit mancher chaotischer Gegebenheiten als weiter interessant zu beobachtender Staat.
Dr. Thomas Heyn
Dozent an der HwK Gera, Bildungsstätte Zeulenroda (u. a. Meisterschule für Tischler und Glaser), Autor Fachzeichnen Holz, Mitautor Fachtechnologie Holz – Kieser Verlag
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