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Besessen

Eine Ausstellung im Vitra Design Museum
Besessen

Die chronologische Anordnung der über 200 Sitzmöbel bietet ein faszinierendes Panorama der stilgeschicht-lichen Entwicklung, mit allen Strömungen und Persönlichkeiten, die das Sitzmöbel-Design von 1800 bis heute geprägt haben. Die Ausstellung macht auch deutlich, dass hier nicht nur industrielle Produkte, vor allem Beispiele aus der jeweiligen Serienproduktion, gesammelt wurden, sondern auch solche handwerklich hergestellten Unikate, die wichtige technische oder formale Entwicklungen vorangetrieben haben. Das Vitra Design Museum bietet noch bis Ende November 2001 einen einzigartigen Blick auf seine ausgewählten Schätze in Weil am Rhein.

19. Jahrhundert
Die Geschichte des modernen Möbeldesigns ist gekennzeichnet von der Suche nach der Einheit von Form, Funktion und Material sowie dem Bemühen um industrielle Reproduzierbarkeit als Wegbereiter für gute und preiswerte Möbel. Technische Innovationen waren oft die Voraussetzung für eine neue Formgebung, so auch bei den frühen Windsorstühlen, den ersten Designentwürfen von Jean-Joseph Chapuis und Samuel Gragg um 1800, und den ersten Bugholzentwürfen von Michael Thonet. Zwischen 1830 und 1860 entwickelte Thonet ein Verfahren, das es erlaubt, Sitzmöbel aus gebogenem Massivholz herzustellen. Damit legte er den Grundstein für die industrielle Massenproduktion von preiswerten und soliden Gebrauchsmöbeln.

Die Bugholzstühle von Thonet wurden Vorbild eines Möbeldesigns, das sich konsequent an den Erfordernissen der Industrie orientierte. Ihre Form ist auf das konstruktiv Notwendige reduziert. Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten die Architekten der Wiener Moderne (u. a. Adolf Loos, Josef Hoffmann und Otto Wagner), das Bugholzmöbel als Antwort auf den überladenen Historismus ihrer Zeit.
Dem wuchernden Eklektizismus setzten sie eine puristische Ästhetik entgegen, die sich an der gereinigten Form des klassischen Bugholzstuhls orientierte. Parallel dazu blühte in ganz Europa der Jugendstil, vertreten etwa durch den Schotten Charles Rennie Mackintosh oder den Belgier Henry Van de Velde.
De Stijl und das Bauhaus
Ende des Ersten Weltkriegs entwickelte die holländische Gruppe De Stijl – ausgehend von der Abstraktion als dem damals aktuellen Ideal der Kunst – ein neues Gestaltungsprogramm. Für die Architektur bedeutete dies tragende Skelette aus Beton und Stahl, die sich mit Glaswänden zu offenen, lichtdurchfluteten Räumen verbanden. Gerrit T. Rietveld übertrug die neue Raumidee auf den Stuhl und zerlegte ihn mit seinem “Roodblauwe Stoel” in ein geometrisches System aus Flächen und Streben. Durch die räum-liche Transparenz der skelett-artigen Konstruktion ist er nicht mehr Körper, sondern Teil eines kontinuierlich fließenden Raums.
Das von Walter Gropius im Frühjahr 1919 gegründete Bauhaus in Weimar leitete eine neue Phase im Möbeldesign ein: Die Form sollte sich konsequent aus der Analyse der Funktion des jeweiligen Objektes entwickeln. Im geistigen Umfeld dieser Schule entstand 1925 das erste Sitzmöbel aus nahtlosem, kalt gezogenem Präzisionsstahlrohr, der Sessel B3, genannt “Wassily”, von Marcel Breuer. Seine offengelegte Konstruktion und streng geometrische Linienführung sind Ausdruck einer funktionalpuristischen Ästhetik. In den folgenden Jahren avancierte das Stahlrohr zum wichtigsten Gestaltungsmittel der Avantgarde. Auch Mart Stam nutzte das Material und entwickelte daraus 1926 einen völlig neuen Stuhltypus: den hinterbeinlosen, so genannten Kragstuhl. Um der Instabilität des Gestells vorzubeugen, verstärkte er das Rohr an den kritischen Kurven und schuf eine stabile, aber starre, nicht federnde Konstruktion. Mies van der Rohe dagegen nutzte die Elastizität des Stahlrohrs als konstruktives Prinzip und entwarf 1927 den ersten Frei-schwinger der Designgeschichte. Sehr bald interessierten sich auch Vertreter der französischen Avantgarde wie Le Corbusier, René Herbst oder Robert Mallet-Stevens für das neue Material. Doch im Gegensatz zur puristischen Sprache der deutschen und holländischen Designer verbanden sie formale Strenge mit schwungvoll geführten Linien und verliehen dem Stahlrohrmöbel eine neue, luxuriöse Eleganz.
Skandinavien und Amerika
In Skandinavien löste sich in den 30er Jahren das Design aus seiner handwerklichen Tradition und orientierte sich zunehmend an den Prinzipien des Funktionalismus, bewahrte sich aber einen eigenständigen Charakter. Die Vorliebe für natürliche Materia-lien und organische, der Natur entlehnte Formen verband sich mit dem Drang nach neuen technischen Lösungen, wie die Entwürfe von Alvar Aalto und Bruno Mathsson zeigen. Aaltos Experimente mit schichtenverleimtem Holz eröffneten dem Design neue konstruktive Möglichkeiten und mündeten 1931 in den ersten aus Holz gefertigten Frei-schwingerstuhl. Unter dem Einfluss der europäischen Avantgarde, die Ende der 30er Jahre in die USA emigrierte, trat das amerikanische Design nach dem Zweiten Weltkrieg an die Spitze der internationalen Entwicklung. Zu den bedeutendsten Persönlichkeiten gehörten Charles und Ray Eames. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit war die Idee einer dreidimensional verformten Sitzschale. Der ursprüngliche Versuch, die Schale aus Sperrholz zu formen, scheiterte und führte zur Auflösung von Sitz und Rücken in separate, frei artikulierte Elemente, die über ein Gestell miteinander verbunden sind. Erst durch die neue Fiberglas-Technologie konnte Eames die Idee einer multifunktionalen Sitzschale realisieren. Wenig später ersetzte er das Prinzip der Materialverformung durch das der Materialverspannung. Parallel zu den Eames, Eero Saarinen, George Nelson und Harry Bertoia, die in den USA arbeiteten, prägten in Europa hauptsächlich Designer wie Carlo Mollino, Gio Ponti oder die Brüder Castiglioni aus Italien, Arne Jacobsen oder Poul Kjaerholm aus Dänemark, sowie Jean Prouvé aus Frankreich das Design der 50er Jahre.
Die 60er und 70er Jahre
Die 60er Jahre waren die große Zeit des Kunststoffmöbels. Kein anderes Material hat das Möbeldesign so sehr verändert. Seine freie Formbarkeit erlaubte es, das Sitzmöbel dem menschlichen Körper nahezu völlig anzupassen. Die Formbarkeit des Kunststoffs und die Entwicklung neuartiger Schaumstoffe befreiten das Möbel aus den Zwängen der traditionellen Konstruktion und erlaubten ein phantasiepvolles, durch die Pop Art inspiriertes Spiel der Formen und Farben. Verner Panton zum Beispiel entwickelte den ersten hinterbeinlosen, in einem Stück Kunststoff geformten Stuhl der Designgeschichte. Kunststoff wurde zum Ausdrucksmittel eines ungezwungenen Lebensstils, der gegen die einengenden Konventionen der etablierten Wohnvorstellungen rebellierte, Vertreter dieser Periode sind, neben Panton, zum Beispiel Joe Colombo oder Vico Magistretti aus Italien, Eero Aarnio aus Finnland, oder Pierre Paulin und Olivier Mourgue aus Frankreich.
In den 70er Jahren geriet das Design in eine tiefe Krise. Die Kritik richtete sich gegen einen inhaltsleeren Formalismus, der sich aus der allzu engen Verbindung von Design, Industrie und Konsum ergab. Das Zentrum des Protests bildete das italienische Radical Design. Zu den führenden Vertretern der Bewegung gehörten Gruppen wie Archizoom oder Studio 65 und Gaetano Pesce, sowie Alessandro Mendini und Ettore Sottsass. Als Antwort auf den moralisierenden Pathos der Moderne entwickelten sie eine Ästhetik des Banalen, die das Design einem positiv verstandenen “Barbarentum” öffnete. Befreit vom Dogma der “guten Form” wandelte sich das Möbel zur Ikone. Form, Material und Dekor folgten nicht mehr dem über-geordneten Prinzip der Funk-tion, sondern verbanden sich zu einem komplexen System von Zeichen und Bedeutungen.
Die 80er und 90er Jahre
Als die Bewegung mit der Gründung von Alchimia und Memphis in Italien ihren Höhepunkt erreichte, sprang der Funke des Protests Anfang der 80er Jahre auf die übrige Welt über und wurde wieder kommerziell. Neue Leitmotive wie “anything goes” appellierten an das subversive Spiel der Phantasie, um einer Uniformität der Dinge zu entrinnen. Das Streben nach Individualismus und Pluralität bescherte eine nie da gewesene Vielfalt der Stile. Das Experiment der 80er Jahre, mit Gestaltern wie Gaetano Pesce, Philippe Starck, Ron Arad oder Shiro Kuramata veränderte die Grundlagen des Designs und eröffnete der Industrie neue Märkte.
Ohne auf die gewonnene Freiheit zu verzichten, scheint sich das Design seit Anfang der 90er Jahre wieder auf seine wesent-lichen Grundlagen zu konzentrieren. Das Design des 21. Jahrhunderts, vertreten etwa von Jasper Morrison, Philippe Starck, Ron Arad, Marc Newson oder Maarten Van Severen, scheint stärker als bisher die Verantwortung Umwelt und Gesellschaft gegenüber und die Mündigkeit des Käufers und Benutzers zu berücksichtigen.
Studiendirektor Dipl.-Ing. Gerhard Schumacher
Vitra Design Museum
Charles-Eames-Straße 1
79576 Weil am Rhein
Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr
Führungen: samstags und sonntags um 11 Uhr und um 16 Uhr.
Infos: Tel. 0 76 21/7 02 32 00
Fotos:
Vitra Design Museum, Thomas Dix, Marc Eggiman
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