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Das falsche Fenster

FritzGlock Tischler GmbH „ergänzt“ die Villa Meyer in Jena
Das falsche Fenster

66 Felder. 21 mal 36. Glasteilende Sprossen. Ein Vertikalschiebefenster, wo es eigentlich nicht hingehört. Früher hatte diese Hausecke der Villa Meyer in Jena eine offene, überdachte Veranda. Bei offenem Fenster spürt man noch etwas von der ursprünglichen Situation.

1901 hat Hans Meyer, ein Verwandter des Lexikon-Klassikers das Haus am Landgrafenstieg errichten lassen. Damals ein vornehmes Neubaugebiet hoch über Jena. Der romantisierende Fachwerkstil ist typisch für die Gründerzeit in Thüringen. Nach der Wende 1989 bleibt die „Meyer-Villa“ zunächst im Vermögen der Ernst-Abbe-Stiftung. 1999 mietet der Jenaer Unternehmer Heiko Krabbe die Wohnung im Erdgeschoss. Lange erträgt er es nicht, zuzusehen, wie das Haus vor sich hin gammelt. Feuchte Wände, Dach und Fenster undicht, verstopfte und zerstörte Fallrohre, klemmende Türen, die Fassade bröckelt. 2003 kauft er gemeinsam mit einem Freund der Stiftung die Villa ab und beginnt mit der Sanierung.

Soviel originale Bausubstanz wie möglich
Die FritzGlock Tischler GmbH bekommt den Auftrag, 65 Fenster und 4 Türen zu liefern. Man kennt sich, für das betreuende Architekturbüro haben die Hermsdorfer bereits bei einem anderen Sanierungsobjekt in Jenas Innenstadt gearbeitet. Hier sind die Auflagen des Denkmalamtes streng. Das Haus hat überwiegend noch die ersten Fenster und trotz vieler Teilungen und Pappzwischenwände sind auch noch fast alle alten Türblätter übrig. Der Bauherr möchte soviel originale Bausubstanz erhalten wie irgend möglich, aber Kastenfenster mit zwei Flügeln hintereinander sind auch für ihn keine Option mehr.
So baut die Schreinerei FritzGlock sie so genau wie möglich nach. Zweifarbig. In Fichte weiß und grün beschichtet. Mit Karniesprofil innen und außen. Statt Regenschienen bekommen die Fenster Wetterschenkel, wie sie vor hundert Jahren gebräuchlich waren.
Für die historischen Innentüren bauen die Tischler neue Zargen.
Dagegen wird die Eingangssituation komplett neu hergestellt. Das Treppenhaus verlegen die Architekten nach außen. Die Haustür wird entsprechend modern gebaut, eingefasst mit Glaselementen.
Kaum ein Teil wie das andere
Ein spezielles Thema sind die alten Fensteroliven. „Die aufzuarbeiten, war eine echte Fleißarbeit für unsere Azubis“, erzählt FritzGlock-Chef Sven Höfer. Farbe von mindestens zehn Anstrichen entfernen, wo sich niemand die Mühe gemacht hat, die Beschläge abzuschrauben, sie mechanisch gängig machen, Vierkante tauschen. „Selbst bei den Oliven ist kaum ein Teil wie das andere. An so kleinen Dingen merkt man, wie sehr sich unser Handwerk verändert hat.“ Vor hundert Jahren habe kein Mensch ein Fenster gezeichnet. Bis auf ganz besondere Stücke wurden sie direkt aufs Holz gerissen. Roh vorgearbeitet kamen sie auf die Baustelle und wurden dort passend gemacht. „Mit einfachen Mitteln aber effizient!“ Damals fand noch mehr Wertschöpfung auf der Baustelle statt. Was heute alles bis hin zum zweifarbigen Anstrich komplett in der Werkstatt passiert. „Da hat man dem Handwerker noch mehr vertraut als heute“, so Schreinermeister Höfer.
Und gerade bei Objekten wie der Villa Meyer wird der Handwerksmeister gebraucht. Fensterbauer, wie FritzGlock mit 24 Mitarbeitern und einer modernen CAD-Produktion, sind auf solche Spezialanfertigungen, die viel Abstimmungsbedarf haben, angewiesen. In Nischen wie diesen sind sie gegenüber den großen Herstellern und der ausländischen Konkurrenz klar im Vorteil.
Man ist nicht so vergleichbar
Aber auch unter den Sanierungsspezialisten hat der Wettbewerbsdruck nach dem Ende des Baubooms 1998 stetig zugenommen. „Solange in den Jahren nach der Wende Masse gemacht wurde, haben auch die Preise gepasst.“ Außer den Überkapazitäten, die in jener Zeit aufgebaut wurden, verschiebt vor allem die im Vergleich zu den alten Bundesländern viel höhere Handwerkerdichte in Ostdeutschland die Gewichte in Richtung Angebot. Dennoch hält Höfer diesen Markt für stabiler als zum Beispiel das Neubaugeschäft. Da könne keine Eigenheimzulage mehr wegfallen und für Bauherren, die so hochwertige Sanierungen machen, gebe auch die Denkmalabschreibung nicht den Ausschlag. Und außerdem ist Qualität bei solchen Projekten nach seiner Erfahrung neben dem Preis eben immer noch ein Argument.
Das schwere Vertikalfenster leichtgängig hinbekommen
Ein Vertikalfenster wie am Giebel der Villa Meyer ist eben ein gutes Stück Handwerk. Ganz davon abgesehen, dass diese Art der Öffnung in Deutschland ohnehin sehr viel seltener ist als in Großbritannien oder Amerika. FritzGlock hat dafür die Profile mit den gleichen Sprossen und der gleichen Teilung genommen wie bei den historischen Fenstern. Das Problem war, das schwere Vertikalfenster leichtgängig hinzubekommen. Einfache Federlösungen kamen für 2,26 mal 1,81 cm Fensterfläche nicht in Frage. „Wir haben, ganz so wie man das auch früher gelöst hat, mit einem Futter zur Wand hin gearbeitet.“ Darin laufen jetzt die Drahtseile mit den Gegengewichten.
Das Ergebnis ist ein Original, das allerdings im Sinne des Denkmalschutzes eigentlich falsch ist. Im Fall der Villa Meyer hatten die Bauherren aber Spielräume, die nach Ansicht von Sven Höfer den Unterschied machen zwischen striktem Denkmalschutz und sinnvoller Denkmalpflege. Den Bauherren bleibe nicht nur, ein Museum zu möblieren, sie haben ihr eigenes Haus gebaut. Nach heutigen Bedürfnissen, mit den heutigen Möglichkeiten. „Und mit einem falschen Fenster.“ ■
Kontakt: FritzGlock GmbH
07629 Hermsdorf
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