Der Gebäude-Energie-Pass lässt auf einen Modernisierungsschub hoffen, von dem besonders die Fensterbauer profitieren können. Dem Schreiner bietet sich zudem die Möglichkeit, sich als Gebäudeenergieberater fortbilden zu lassen und selbst Energiepässe zu erstellen. Große Chancen in einem jungen Markt also, die man nun noch nutzen muss.
Beim Auto kennen alle den Verbrauch: 6,8 l Benzin auf 100 km beispielsweise. Und seit Jahren erwirbt niemand einen neuen Kühlschrank oder eine Waschmaschine, ohne zuvor auf das Energielabel zu achten: Wie hoch ist der Verbrauch des Haushaltgerätes in kWh pro Tag, Monat oder Jahr?
Nur beim Haus oder der Wohnung herrscht allerorten meist pure Ahnungslosigkeit. Und dies ist mit knapp 80 Prozent des Energiebedarfs der größte Posten unter sämtlichen Betriebskosten der Privathaushalte! Zwar kennt die Bauherrschaft den Jahresverbrauch für ein Gebäude übers Jahr gesehen. Man weiß, dass z. B. das eigene 25 Jahre alte Einfamilienhaus 3000 l Heizöl bzw. 3000 m³ Erdgas verbraucht. Aber der spezifische Verbrauch pro m² Wohnfläche ist lediglich Fachleuten eine greifbare Größe. Doch das wird sich jetzt ändern: So wie es seit Jahren für den Produktbereich der so genannten „weißen Ware“ (Waschmaschinen, Kühl-, Gefrierschränke usw.) die Energieeffizienzklassen mit dem entsprechenden Label gibt, werden Gebäude ab dem Jahr 2006 einen Energiepass in ähnlich übersichtlicher Form erhalten.
Gesetzlicher Hintergrund
Bereits vor drei Jahren, wurde die Europäische Richtlinie 2002/91/EG über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden verabschiedet. Sie verlangt in Artikel 7 zwingend, dass bei der Errichtung eines Gebäudes (Neubau), dem Kauf eines Gebäudes (d. h. auch Altbauten!) oder der Neuvermietung einer Immobilie ein Energieausweis erstellt und zugänglich gemacht werden muss. Besagte EU-Richtlinie ist bis zum Januar 2006 von den einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen. Demzufolge hat die Bundesregierung das Energieeinsparrecht (Energieeinspargesetz und Energieeinsparverordnung EnEV) mit Wirkung ab 04.01.2006 entsprechend novelliert. Der Bundesrat hat am 8. Juli diesen Jahres der Änderung des Energieeinsparungsgesetzes zugestimmt.
Verbrauchs- oder bedarfsorientierte Energiepässe
Für die Ermittlung des Kennwertes in den Energiepässen gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen. Die Vermieterverbände sowie die Verbände für Heiz- und Wasserkostenverteilung sprachen sich für einen verbrauchsorientierten Energieausweis auf der Basis der ohnehin vorzunehmenden Heizkostenabrechnung aus. Dieser hat allerdings gravierende Nachteile. Bei Neubauten können verbrauchsorientierte Werte überhaupt nicht herangezogen werden, da diese Gebäude noch keine Energie verbraucht haben. Im Gebäudebestand sind Werte ebenfalls schlecht vergleichbar, da zu viele individuelle Einflussgrößen einwirken: Das jeweilige Nutzerverhalten der Bewohner, sind die Bewohner tagsüber im Haus oder außer Haus, Anzahl und Alter der Bewohner, unterschiedliche klimatische Verhältnisse je nach Region etc. Ein leerstehendes Gebäude hätte kurioserweise die höchste Energieeffizienz. Der bedarfsorientierte Energiepass wurde von der dena (Deutschen Energie Agentur) entwickelt und nun auch erprobt. Die energetische Bewertung orientiert sich an den technischen Eigenschaften des Gebäudes, d. h. an der Dämmung der Gebäudehülle und der Qualität der Fenster und der Anlagentechnik. Maßgeblich für die Einstufung ist der errechnete Primärenergiebedarf pro m² und Jahr. Die Gebäude können unabhängig vom Nutzerverhalten bundesweit objektiv eingeordnet werden. Zudem lässt sich dieses Verfahren für alle Gebäudetypen anwenden.
Energiepass im Feldversuch
Die dena startete im Herbst 2003 bundesweit einen Feldversuch, um die Markteinführung eines bundeseinheitlichen, verbraucher- und marktgerechten Zertifikats für alle Beteiligten bestmöglichst vorzubereiten. Mit eingebunden wurden in einem Fachausschuss sämtliche relevanten Marktpartner: Gebäudeeigentümer, Wohnungswirtschaft, Architekten, Ingenieure, Handwerk und Industrie, Länder, Mieterverbände, Verbraucherverbände, Kommunen, Versorgungsunternehmen, Umweltorganisationen. Der Versuch wurde am 31.12.2004 abgeschlossen und die Ergebnisse vom Fraunhofer Institut wissenschaftlich bewertet.
Label des Energiepasses
Eine auf den ersten Blick signifikante Aussage über die Energieeffizienz eines Gebäudes entnimmt die Bauherrschaft, der Käufer und Verkäufer oder der Vermieter und Mieter dem Label. Von den Haushaltsgeräten her genießt das Label „Klassifizierung“ einen hohen Bekanntheitsgrad. Bei der Eigentümerbefragung zeigte sich eine Präferenz für das Label „Klassenloser Farbverlauf“ oder „Bandtacho“. Oberhalb der Farbverlaufachse wird das untersuchte Gebäude mit einem breiten Pfeil und dem errechneten Jahresprimärenergiebedarf angegeben. Unterhalb sind zum Vergleich in der Bauwirtschaft bekannte Gebäudestandards aufgeführt. So müssen keine „Verrenkungen“ angestellt werden, um in die nächst höhere bzw. günstigere Energieeffizienzklasse eingestuft zu werden. Die endgültige Fassung des Energiepasses wird sich im Laufe der ersten Monate und Jahre auf Grund von Erfahrungen und Rückmeldungen ergeben. Zunächst hat die dena einen Prototyp vorgeschlagen. Beim flächendeckenden Feldversuch wurden über 4100 solcher Pässe ausgestellt. Somit kann auf solide statistische Werte zurückgegriffen werden. Die wichtigsten Ergebnisse sind:
- der Energiepass wird verstanden
- die Akzeptanz am Markt ist hoch
- die Kosten sind relativ günstig: ca. 65 Prozent liegen unterhalb von 300 Euro; bei Einfamilienhäusern beim sog. „Kurzverfahren“ zu über 90 Prozent unter 200 Euro
- der Energiepass gibt Anstöße zu Modernisierungsmaßnahmen und damit zu Investitionen und in der Folge zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Die Kommunen müssen als Eigentümer von Gebäuden selbst Energiepässe ausstellen. Für öffentliche Gebäude mit mehr als 1000 m² Gesamtnutzfläche, die für eine große Zahl von Menschen öffentliche Dienstleistungen erbringen und die deshalb von Menschen häufig aufgesucht werden, gilt eine besondere Verpflichtung: der Gebäudeenergiepass ist an einer gut sichtbaren Stelle öffentlich auszuhängen. Die empfohlenen und aktuellen Innentemperaturen sind anzugeben. Wie bei allen Energiepässen ist die Gültigkeit auf 10 Jahre beschränkt.
Ausnahmen
Eine Reihe von Gebäuden kann von der Pflicht des Energiepasses befreit werden:
- Baudenkmäler
- Kirchen, Gebäude für Gottesdienst und religiöse Zwecke
- provisorische Gebäude mit einer geplanten Nutzungsdauer von bis zu zwei Jahren
- Werkstätten, Industrieanlagen und landwirtschaftliche Nutzgebäude mit niedrigem Energiebedarf
- Wohngebäude, die kürzer als 4 Monate im Jahr genutzt werden
- freistehende Gebäude mit einer Nutzfläche unter 50 m².
Wer stellt Energiepässe aus?
Zugelassene GebäudeenergieberaterInnen werden von der Bauherrschaft/WohnungseigentümerIn beaufragt. Zugelassen sind u. a.
- Bauvorlageberechtigte
- BAFA-Vor-Ort-Berater
- Ausstellungsberechtigte für Energiebedarfsausweise nach § 13 EnEV
- geprüfte Gebäudeenergieberater im Handwerk.
Wichtig: Auch SchreinermeisterInnen können an einem solchen Lehrgang teilnehmen.
Bis zur Einführung der gesetzlichen Regelung ab 04.01.2006 müssen sich alle Aussteller bei der dena registrieren und prüfen lassen. Zugelassene Aussteller erhalten von der dena ein Bestätigungsschreiben, mit dem sie sich Gebäudebesitzern gegenüber als qualifiziert ausweisen können.
Ausblick
Bei den derzeitigen Energiepreisen ist davon auszugehen, dass sich auf dem Wohnungsmarkt Konsequenzen einstellen werden. Bald schon werden Immobilienanzeigen in den Tageszeitungen wohl so ähnlich aussehen:
„Hamburg-Blankenese, Mozartstr., schöne, neu renovierte 3-Zimmerwohnung, 76 m², ruhige Lage, EBK, Bad, Parkett, Balkon, Energieeffizienzklasse A (Energieeffizienzklasse 60) ab 01.02.2006 zu vermieten.“
MieterInnen werden künftig stärker denn je auf die „2. Miete“ , die Nebenkosten und hier vor allem die Heizkosten achten. Seit 1995 kletterten die Heizkosten um stattliche 55 Prozent nach oben, während der Mietpreisanstieg mit 15 Prozent deutlich moderater ausfiel. Für Wohnungen mit niedrigen Energiekosten wird aus der Sicht der Vermieter ein höherer Quadratmeterpreis zu erzielen sein. Somit werden sich Sanierungskosten für beide Seiten „rentieren“. Bisher erfolgten trotz historisch niedrigen Zinsen und interessanten staatlichen Förderprogrammen Modernisierungsmaßnahmen nur schleppend und auch nicht im nötigen Ausmaß. Nach umfangreichen Dämmmaßnahmen muss die dazu passende Heizungsanlage konzipiert werden. Hier wird der Einsatz regenerativer Energien einen immer größer werdenden Stellenwert einnehmen. Gerade Einfamilien-, Zweifamilien- und kleinere Mehrfamilienhäuser gehören zum klassischen Kundenkreis von kleineren und mittleren Handwerksbetrieben. ■
Der Gebäudeenergieberater
Jahrbuch 2006
Ob Energieeinsparverordnung, Energiepass, regenerative Energien, Passivhaus oder energieeffiziente Gebäudeinstandsetzung – dieses Jahrbuch fasst alle aktuellen Themen rund um die Gebäudeenergieberatung zusammen. Ein unentbehrliches Arbeitsmittel für Sachverständige, Gutachter, Bauingenieure und Architekten.
Themen des Jahrbuches 2006 sind u. a.:
- Gebäudeenergiepass: – Qualifizierung und Zulassung
- EnEV: – Stand der Umsetzung;
- Haftung: – falsch beraten, wer haftet?
- Innendämmung von Gebäuden;
- Wärmepumpen: – aktuelle Marktsituation
- Wärmepumpe mit Propangas
- Energiemonitoring – Heizlast genau messen
- Heizlast DIN EN 12831; Energie- simulationen
- Evaluierung energieeffizienter Wohngebäude
- Vakuumdämmung.
Von den technischen und baulichen Entwicklungen über die Normen und Vorschriften bis zum Umgang mit den Kunden werden alle Aspekte des Themas Energieberatung beleuchtet.
Energiepass-Links
Weitere Infos zum Energiepass, zum Berufsbild Energieberater oder Broschüren gibt es unter folgenden Adressen:
- Energie- & Umweltzentrum Allgäu, www.eza-allgaeu.de
- Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung e. V.
- Baden-Wü. Handwerkstag e.V. www.energiesparcheck.de
- Impuls-Programm Altbau Ba-Wü www.impulsprogramm-altbau.de
- Deutsche Energie-Agentur (dena) www.deutsche-energie-agentur.de
- Energiepass Initiative Deutschland www.eidonline.de
- 1.Bauwerk und -konstruktion: Baukonstruktion, -stoffkunde, Umweltschutz/Recycling
- 2.Bauphysik: Wärme-, Feuchte-, Schall-, Brandschutz
- 3.Technische Anlagen: Energie- und Umwelttechnik, Anlagentechnik von Heizung bis zur Lüftung
- 4.Anforderungen und Nachweise nach EnEV
- 5.Modernisierungsplanung (Rechtliche Grundlagen, Gebäudeaufnahme für die bauphysikalische Beurteilung, Berechnungen nach der EnEV und mitgeltender Normen, Konzepterstellung zur Verbesserung der Energiebilanz, Kosten/Nutzenrechnung, Entsorgungskonzept für die gepl. Modernisierungsmaßnahme, Rechtliche Bestimmungen)
- 6. Luftdichtheitsmessung mit Blower-Door und Thermographie .
- Präsenzkurse in Voll- oder Teilzeit.
- Das Solarenergiezentrum Stuttgart bietet in Kooperation mit der BWHM GmbH einen Blended Learning Kurs zum Gebäudeenergieberater an. Um Abwesenheitszeiten zu reduzieren werden circa 45 Prozent der Stunden online mit tutorieller Begleitung angeboten.
- Modular aufgebaute Kurse, die einzeln gebucht werden können.
Mit dem Energiepass Markt machen
Informationen von VFF und BF
Für Fenster- und Fassadenbauer, Isolierglashersteller und Glasveredler eröffnet der Energiepass zusätzliche Geschäftsfelder: Mit der Broschüre „Markt machen mit dem Energiepass“ informieren der Verband der Fenster- und Fassadenhersteller (VFF) und der Bundesverband Flachglas (BF) über das neue Instrument und geben Tipps zur Zusatzqualifikation Gebäude-Energieberater. Die Broschüre gibt es als Einzelexemplar kostenlos beim VFF (vff@window.de, Fax 069 955054 -11) oder beim Bundesverband Flachglas (vff@window.de, Fax 02241 8727-10).
Beraten – ein lukratives Geschäftsfeld
Weiterbildungsmöglichkeit für Meister
Handwerkskammern, Fachverbände und Innungen bieten Weiterbildungen an, in denen sich Interessierte zum Gebäudeenergieberater (HWK) qualifizieren können. Als Experten für die energetische Modernisierung sind sie immer mehr gefragt.
Der Gebäudeenergieberater (HWK) hat sich als Weiterbildungsmöglichkeit für Meister aus den Bau- und Ausbaugewerken etabliert. Allein in Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahren mehr als 700 Teilnehmer die Kurse erfolgreich absolviert. Die Vorteile der gewerkeübergreifenden Fortbildung liegen auf der Hand:
Gebäudeenergieberater sind gefragte Experten in der Sanierung und Modernisierung von Altbauten und die richtigen Partner für eine zeitgemäße Planung von Neubauten.
Ab 2006 wird der Energieausweis für Altbauten obligatorisch. Bereits heute muss für jeden Neubau ein Energieausweis erstellt werden. Die Bestandsaufnahme muss künftig alle zehn Jahre neu vorgenommen werden. Experten prognostizieren daher allein für das Jahr 2006 einen Bedarf von mindestens zwei Millionen Energieausweisen in Deutschland. Über 80 Prozent des Gebäudebestandes in Deutschland wurde vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahre 1977 errichtet. In vielen Bestandsbauten stehen umfassende Sanierungsmaßnahmen am Bauwerk und die Erneuerung der technischen Anlagen an. Hinzu kommen ein verändertes Umweltbewusstsein und stetig steigende Energiekosten. Gebäudeenergieberater (HWK) können kompetent und umfassend beraten, Vertrauen aufbauen und damit auch für sich neue Kunden gewinnen.
Nur mit dem ganzheitlichen Verständnis für ein Gebäude kann ein Handwerker heute die Bauleitung eines Neubauprojektes, einer Sanierung oder Renovierung übernehmen. Gefragt sind Manager, die den Überblick über die Schnittstellen der verschiedenen Gewerke am Bau behalten.
Die Weiterbildung zum Gebäudeenergieberater (HWK) umfasst 240 Unterrichtseinheiten:
Die Handwerkskammern wie auch viele Fachverbände und Innungen bieten die Weiterbildung zum Gebäudeenergieberater (HWK) an. Die Kosten liegen zwischen 1450 und 1700 Euro. Termine können bei den Umweltberatern der Handwerkskammern erfragt werden. Zur Auswahl stehen verschiedene Modelle:
Infos zu den Weiterbildungsmöglichkeiten gibt auch Christine Sabbah beim Baden-Württembergischen Handwerkstag. Sie zeichnet unter anderem für die Durchführung des Projektes EnergieSparCheck verantwortlich.
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