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Des Barden treue Begleiterin

Die Chrotta – ein Streichinstrumentder etwas anderen Art
Des Barden treue Begleiterin

Das Mittelalter war gar nicht so finster wie vielerorts verkündet. Immerhin stammt aus den frühen Jahrhunderten des letzten Millenniums eine ganze Reihe von Musikinstrumenten, die heute noch in veränderter Form weiter existieren. Aber es gab auch solche, die unverändert Generationen überdauerten, bis sie entweder total in Vergessenheit geraten sind oder in den letzten Jahren im Zuge der Wiederbelebung alter Musik aus der Mottenkiste der Musikinstrumentengeschichte wieder ausgegraben und nachgebaut wurden und noch werden. Zu diesen Raritäten gehört auch die Crwth (sprich: Chrotta), die aus dem 12. Jh. stammt und hauptsächlich in Wales bzw. England beheimatet war.

Im 16. Jahrhundert begann der Niedergang dieses Streichinstruments, obwohl es sich in Wales bis Anfang des 19. Jh. gehalten hatte. Der englische Ausdruck „crowd” ist nicht nur die Bezeichnung für die Menschenmasse, sondern steht auch für ein schlechtes Musikinstrument. Der „crowder” war demnach ein miserabler Musiker.

Die Chrotta war in ihren Anfängen zwar ein Streichinstrument, die mit ihren beiden Jocharmen an die antike griechische Lyra erinnert und sowohl gezupft als auch gestrichen wurde. Da zunächst die Crwth kein Griffbrett besaß, wurden die Saiten von hinten mit den Fingernägeln abgegriffen – eine schwierige Spieltechnik, die heute noch im Balkan hie und da ausgeübt wird.
Mit dem Griffbrett wurde die Chrotta endgültig als ein Mitglied der Familie der Fideln zugerechnet. Die historischen Abbildungen zeigen Instrumente, die entweder seitlich etwas eingebuchtet waren oder einen rechteckigen Korpus aufwiesen. Die Besonderheiten sind zum einen der durch das linke Schallloch zum Resonanzboden reichende Stegfuß, zwei in Quintabständen gestimmte Baßbordune sowie drei bis vier Melodiensaiten. Das älteste, noch existierende Instrument (1742) befindet sich heute im Welsh Folk Museum in Cardiff.
. . . konnte es nicht lassen . . .
Eigentlich sollte mit dem Bau der Nyckelharpa (siehe BM 12/99, Seite 108 bis 110) das letzte Instrument meine kleine Werkstatt verlassen haben. Aber beim Durchblättern diverser Fachliteratur fiel mir diese Chrotta ins Auge, und schon wurde meine Neugierde nach neuen Klangerlebnissen geweckt. In der Bayerischen Staatsbibliothek entdeckte ich von D. Klausner/G. Iantorno/T. MacGee eine Anleitung (Toronto 1985) zum Bau einer Crwth. Da eine Kopie 1:1 nicht möglich war, übertrug ich die Maße unter den argwöhnischen Augen eines „Bibliotheks cerberus” auf Butterbrotpapier, wobei ich aus Platzgründen mehrere Blätter anfertigte.
Die Holzauswahl entscheidet sich kaum von der anderer Streichinstrumente. Aus Ahorn sind wie gewöhnlich die Zargen, Joch und Jocharme, Griffbrett, Reifchen, Steg, Eckklötze, Melodiensaitenhalter, aus Fichte die Resonanzdecke sowie der Vorder- und Hinterklotz gefertigt. Der Knopf, an dem der Melodiensaitenhalter aufgehängt wird, ist wegen der großen Zugkräfte aus Buchsbaum. Je nachdem, ob das Instrument mit Darm- oder Metallsaiten bestückt werden soll, verwendet man historische Wirbel aus Palisander oder Wirbelmechaniken aus Stahl.
Zunächst sägt man den rechteckigen Boden aus und rundet die unteren Ecken ab. Danach leimt man alle sechs Klötze an ihre Stelle – wie immer mit heißem Knochenleim. Vier Zargen (zwei seitliche und zwei für vorne und hinten) werden so exakt ausgesägt und nachgearbeitet, dass sie genau in die Nuten der Eckklötze passen. Nach Anbringen der Reifchen an den oberen Zargeninnenrändern werden eventuelle Unebenheiten mit Schleifpapier weggeschliffen. Da die Zargen wegen ihrer geraden Form keinem Druck unterliegen und somit kaum aus ihrer Position gebracht werden können, kann hier das Anleimen von Mullstreifen an Zargen und Boden wegfallen. Ich habe mich aber dennoch dafür entschlossen – Macht der Gewohnheit.
Als nächstes sägen wir den Resonanzboden aus und markieren mit dem Zirkel die Schalllöcher, die wir mit einer Dekopiersäge, bzw. Laubsäge aussägen oder mit einem scharfen Messer ausschneiden. Die Ränder werden dann mit einer Cabinettfeile säuberlich und gleichmäßig bearbeitet. Die Balken leimen wir quer unterhalb der Decke und machen sie ein bisschen länger als die Maße es vorsehen (Abb. 6). Wenn die Decke auf den Korpus geleimt wird, müssen die Balkenenden so bearbeitet werden, dass sie genau an die Reifchen stoßen.
Sozusagen als Entspannungsübung fertigen wir nun den Steg und den Melodiensaitenhalter mit seinem Knopf an. Das Griffbrett fertigen wir erst dann, wenn Joch und Jocharme an den Korpus geleimt sind (Abb. 11).
Nicht so ganz ohne . . .
ist der kniffelige Teil des Chrotta-Baus. Das Anbringen der Jocharme und des Jochs. Die Jocharme sägen wir aus einem Ahornblock mit der Maserung in Längsrichtung heraus, die wir in Richtung Joch unten etwas verjüngen. Dabei können wir entscheiden, ob deren Höhe mit den Zargen oder mit der später aufzuleimenden Decke bündig abschließt. Wir bringen die Jocharme an die
Ecken des Korpus an, wobei wir darauf achten, dass der Korpus in einem exakten 90 Grad Winkel steht. Dazu klemmen wir den Korpus mit Hilfe einer Zwinge auf einer Platte fest (Abb. 7).
Um mehr Stabilität zu verleihen, bohren wir je einen Holzdübel durch die Eckklötze in die Jocharme. Das Joch leimen wir auf die Jocharme und befestigen die Konstruktion mit drei Zwingen (Abb. 8). Den Leim lassen wir nun 24 Stunden abbinden und leimen danach die Decke auf den Korpus (Abb. 10). Dabei müssen wir darauf achten, dass die Balkenenden (Abb. 6) genau an die Reifchen stoßen.
Jetzt geht’s an den Kragen
Ich nenne es mal Kragen – jenes Holzstück für die Wirbel (ebenfalls aus Ahorn) an das das Griffbrett stößt. Gemäß Plan sägen oder feilen wir die beiden Halbrundungen heraus und achten peinlich darauf, dass das Mittelstück genau die Breite des oberen Endes des Griffbretts hat (Abb. 11). Auch müssen wir entscheiden, ob der Kragen bündig mit dem Joch und Jocharmen abschließt oder in der Höhe etwas abgesetzt ist. Ich entschied mich für die zweite Version.
Wir bearbeiten den Kragen solange sorgfältig, bis er haargenau ans Joch bzw. an die Jocharme passt und leimen ihn an-schließend ein. Danach gehen wir daran, das Griffbrett zu fertigen. Dazu messen wir den Abstand zwischen dem Kragenmittelstück und der Oberzarge des Korpus. Die Abmessung Hals (das Teil, welches an die Oberzarge anschließt) zu Oberkante des Griffbretts ist geringfügig länger, damit es mit leichter Spannung zwischen Oberzarge und Kragenmittelstück genau mittig eingepasst werden kann. Um dies zu erreichen, zeichnen wir auf Korpus und Griffbrett eine Mittellinie.
Sattel für Saiten
Halten wir das Stück auf Augenhöhe, müssen beide Linien eine durchgehende Gerade ergeben. Notfalls muss weiter justiert werden. Wir markieren die endgültige Position mit einem spitzen Bleistift und leimen das Teil so an, dass das Oberteil zum Kragenmittelstück leicht übersteht (Abb. 12). Diese überstehende Kante bildet den Anschlag beim Aufleimen des Sattels auf das Kragenmittelstück. Den Sattel, dessen
obere Kante die gleiche Wölbung wie die des Griffbretts aufweisen muss, fertigen wir aus Hartholz, wie z. B. Buche, Ahorn oder Buchsbaum.
Beim Anzeichnen der Bohrungen für die Wirbel achten wir darauf, dass zwischen ihnen für das Stimmen der Saiten genügend Platz bleibt. Besser ist jedoch, dass wir uns einen Stimmstock zimmern. Die Bohrlöcher erweitern wir mit einer Ahle leicht konisch, bis die Wirbel exakt passen. Sie müssen bis zum Kragen etwa 1,5 bis 2 cm hervorstehen, um die Saiten aufwickeln zu können. Den Knopf für den Melodiensaitenhalter leimen wir in das dafür schräg gebohrte Loch im Hinterklotz, wobei sich der Knopf zum Fuß des Korpus hin neigt. Die Winkelschräge beträgt etwa 110 – 120 Grad.
Ein spannender Moment ist immer das Aufziehen der Saiten. Hierbei verlaufen die beiden Baßbordune nicht über das Griffbrett, sondern schräg links daran vorbei. Die Melodien- und Bordunsaiten werden durch die Bohrlöcher im Melodiensaitenhalter gezogen und am Wirbel befestigt. Dabei werden die Saiten nur ganz leicht gestrafft, so dass wir problemlos den Steg unter die Saiten setzen und die Kerben dafür bestimmen können.
Anpassungsdruck
Jetzt wird sich herausstellen, was wir noch an Anpassungsarbeiten zu leisten haben. Wenn man mit dem Streichbogen problemlos die tiefste und höchste Saite streichen kann, ohne dabei die Deckenkanten zu berühren, sind keine Nacharbeiten notwendig. Die obere Stegkante muss soweit gekrümmt sein, dass jede Saite einzeln zu streichen ist. Dabei ist auch darauf zu achten, dass die Außensaiten nicht das Griffbrett berühren. Sollte der Steg zu stark gekrümmt sein bzw. der Bogen die beiden äußeren Saiten nicht erreichen, müssen wir den Steg etwas abflachen oder an den Fußenden etwas erhöhen. Das Problem bei dieser Chrotta ist der rechteckige Korpus, der nur einen beschränkten Streichwinkel bzw. einen ziemlich flachen Steg erlaubt.
Nachdem wir alles sauber abgeschliffen haben, kann das Instrument mit herkömmlichen Geigenlacken oder nur mit Leinöl eingelassen werden, wobei letzteres aus historischen Gründen vorzuziehen ist. Auch bleibt es dem einzelnen überlassen, ob er am Griffbrett Bünde anbringen will oder nicht. Ich habe es getan, obwohl die alten Abbildungen Instrumente ohne Bünde zeigen. Gestimmt werden die Baßbordune bei einer Mensur von 32 cm in D-A, die Melodiensaiten entweder in d-a-d’-a’, in d-g-c’-f’, in d-a-d’-g’ usw. – es gibt viele Varianten, die jeder Musiker nach seinem Geschmack und Bedürfnissen ausprobieren und verwenden kann.
Nicht gerade eine Ohrenweide
Der Klang der Chrotta nimmt sich mit ihren Darmsaiten eher gedämpft, flach, ohne Brillanz, sehr trocken, fast schon unsensibel aus. Kann sein, dass mit Stahlsaiten die Chrotta ganz andere Klangqualitäten zu Tage bringt. Auf jeden Fall ist das Instrument seit jeher nicht als Melodie- bzw. Soloinstrument, sondern lediglich als Singbegleitung herumwandernder Barden gedacht. Das sollte jeder wissen, der eine Chrotta nachbauen will und er sollte auch immer daran denken, dass jedes Musikinstrument nur dann „lebt”, wenn auch darauf gespielt wird.
Rudolf R. Jirka
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