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Ein Schritt vor – zwei Schritte zurück

Kommentar: Der lange Weg zur neuen Ausbildungsordnung
Ein Schritt vor – zwei Schritte zurück

Ein Schritt vor – zwei Schritte zurück
Den Anforderungen der Berufspraxis wird die neue Ausbildungsordnung nicht gerecht, meint Christian Zander
Ein Trauerspiel, meint Christian Zander, sei das Gerangel um die neue Ausbildungsordnung. Das Ergebnis sei ein Rückschritt: Mit der Entscheidung, Tischler und Schreiner weiterhin zu Generalisten auszubilden, wurde die Chance einer inhaltlichen Neuregelung, einer effektiven Anpassung der Ausbildung an die verän- derten Anforderungen der Praxis, vertan.

Anfang des Jahres 2005 schien es, als habe man nun endlich nach jahrelangem Hin und Her einen Durchbruch erreicht. Gewerkschaft (IGM) und Bundesverband HKH verkündeten ein „gemeinsames Eckwertepapier“. Daraufhin wurde das offizielle Novellierungsverfahren beim Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin eingeleitet. Zum neuen Lehrjahr 2006/2007 soll die neue Ausbildungsordnung in Kraft treten.

Anlass für die Diskussion um eine Neufassung der Ausbildungsordnung von 1997 war die Erkenntnis, dass sich der zu beherrschende Stoff des Berufes „Tischler“ enorm ausgeweitet hat und – so die allgemeine Ansicht – heute kaum mehr in seiner Fülle von einem Lehrling in seiner Lehrzeit aufgenommen werden könne. Der Lösungsansatz der Arbeitgeber, die Lehrzeit deshalb auf 3 ½ Jahre zu verlängern, erwies sich als politisch nicht durchsetzbar. Stoffreduzierung, so lautete eigentlich die für diese zunächst nur theoretisch angenommene, nun aber eingetretene Situation abgesprochene Alternative.
Wie aber den Stoff reduzieren in einem Beruf, in dem gerade die Technik und das erforderliche Wissen explodieren? Wie reduzieren, wenn die C-Techniken (CAD, CNC, CAM) in die Werkstätten einziehen, wenn praktisch täglich neue Werkstoffe entwickelt werden, wenn die Anforderungen z. B. in der Türen- und Fensterfertigung und -montage ständig erhöht werden und neues Fachwissen und Fertigkeiten erfordern? Eine Lösung dieses Widerspruchs kann offensichtlich nur durch die Abkehr vom Ideal des „Generalisten“ geschehen. Dieses Idealbild eines Tischlers, der für alle anfallenden Arbeiten des Berufsbildes gut ausgebildet ist, bestimmte bis heute in Deutschland die Ausbildung des Nachwuchses. Angesichts der zu beobachtenden Stoffausweitung jedoch und angesichts der realen Entwicklung des Tischler- und Schreinerhandwerks, in der die Spezialisierung auf einige Arbeitsgebiete als Antwort auf die vor sich gehende Strukturveränderung von immer mehr Betrieben als sinnvoller Weg beschritten wird, ist der „Generalist“ überholt.
Deshalb bestimmten die guten Erfahrungen der Schweizer Kollegen die Diskussion vor allem der Bildungsfachleute der Arbeitgeberseite. In der Schweiz wird nach einer gemeinsamen Grundausbildung der Lehrling in einer zweiten Phase schwerpunktmäßig unterschiedlich ausgebildet (Bau- oder Möbelschreiner). Zudem ermöglichen verschiedene Wahlmodule eine zusätzliche weitere Spezialisierung. In Deutschland wurde u. a. das Modell der Handlungsfelder entwickelt, das im dritten Lehrjahr die Möglichkeit einer Spezialisierung nach den Bedürfnissen des Ausbildungsbetriebes und des Lehrlings vorsah. Dieses Modell war selber bereits ein Kompromiss, aber immerhin ein erster Schritt in die Richtung einer spezialisierten Ausbildung. Es hätte z. B. auch für die überbetriebliche Ausbildung die kostenneutrale Einbindung sinnvoller Ausbildungsbereiche (CNC, Montage, spezielle Oberflächenkurse, Treppenbau usw.) ermöglicht.
Leider wurden diese Vorstellungen im zitierten „gemeinsamen Eckwertepapier“ nicht weiterverfolgt. In der Presseerklärung des Bundesverbandes HKH lesen wir: „Tischler und Schreiner werden demnach weiter zu Generalisten ausgebildet.“ Beinahe bedauernd wird hinzugefügt, man hätte sich zwar eine Verordnung vorstellen können, die mehr Spielraum geboten hätte … die interessante Frage aber, wieso sie denn nicht auch umgesetzt worden ist, bleibt unbeantwortet. Implizit wird durch die gewählten Formulierungen der schwarze Peter der Gewerkschaft zugeschoben. Das ist nun schon beinahe zynisch. Denn nachdem sich die Gewerkschaft (IGM) heftig lange Zeit gegen die Auflösung des „Generalisten“ in der Ausbildung gewehrt hatte, war sie nach längerer interner Diskussion eben jetzt dazu bereit! Der aktuell zu beklagende Kehrschwenk in der Ausbildungsfrage ist einzig dem Bundesverband HKH zu verdanken. Offensichtlich verweigert sich die Mehrheit oder zumindest ein großer Teil dieser Organisation in Ausbildungsfragen der Abkehr vom Ideal des „Generalisten“. Ein Beispiel mehr, wie man vor den Anforderungen der Wirklichkeit die Augen schließen kann, indem man nicht wahrnimmt, was man nicht wahrnehmen will. Zugleich ist die Ausbildungsfrage nur eine vorgeschobene Bastion, ein Symptom für die Reaktionen auf die im Augenblick im Tischlerhandwerk stattfindende Strukturveränderung.
Mit dieser Entscheidung aber wurde die Chance einer inhaltlichen Neuregelung, einer effektiven Anpassung der Ausbildung an die veränderten Anforderungen der Praxis, vertan. Was bleibt ist eine Veränderung der Prüfungsabläufe an Vorgaben, die in anderen Berufen schon längst verwirklicht worden sind. Was aber auch bleibt, ist die nunmehr unbeantwortete Ausgangsfrage nach der notwendigen Stoffreduktion bei gleichzeitiger Beibehaltung des Ausbildungsniveaus. Die man auch nicht durch die burschikose Antwort, man werde offene Formulierungen wählen, lösen kann. Was bleiben wird, ist ein Reformstau. Denn die Anforderungen der Berufspraxis werden auch in der neuen Ausbildung nicht erfüllt werden. So ist die Lage: Ein Schritt vor – zwei Schritte zurück! Welch ein Fortschritt.
Schon jetzt lässt sich ohne großes Prophetentum voraussagen, wie sich das Problem lösen wird: Zunehmend mehr Betriebe und auch Innungen werden inhaltliche Forderungen an die Ausbildung stellen. Die Einrichtungen der überbetrieblichen Ausbildung werden darauf mit Angeboten zusätzlicher, freiwilliger überbetrieblicher Ausbildungskurse antworten. Aber auch wenn dadurch einige drängende Probleme der Ausbildung gemildert werden – kann es im Interesse des gesamten Tischlerhandwerks sein, wenn sein Bundesverband wichtige Steuerungsfunktionen nicht ergreift? Ja, sie aus der Hand legt, weil sich eine Mehrheit nach gestern orientiert?
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