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Geschichte verpflichtet

Fensterrestaurierung im Renaissancegutshaus Renz auf Rügen
Geschichte verpflichtet

Der jetzige Besitzer des Gutshauses ist Architekt im Bereich der Denkmalpflege und weiß zu schätzen, was er sich da auf der Insel Rügen angeeignet hat: ein Schmuckstück mit über 400jähriger Geschichte, das viel Feingefühl auch bei der Restaurierung der Fenster erfordert. Der Tischler Dietrich Raschke tritt hier den Beweis an, dass er es kann.

Das Haus wurde 1603 als Herrenhaus eines 1577 angelegten Adelsgutes errichtet. Es ist eines der ältesten Repräsentanten der reichen Gutshauskultur auf der Insel Rügen. Weiterhin zeigt es viele für die Renaissance typische Baumerkmale. Am augenfälligsten ist der asymmetrisch vorgelagerte polygonale Treppenturm, über den die Erschließung der einzelnen Geschosse durch den ebenerdigen Haupteingang erfolgte. Eine weitere Gliederung der Fassade bilden die beiden Eckerkertürme. Alle Türme waren ursprünglich mit Hauben bekrönt, die aber alle abgängig sind. Ob das für Norddeutschland typische Krüppelwalmdach bauzeitlich ist, lässt sich beim derzeitigen Stand der Bauforschung nicht sagen. Trotz häufiger Besitzerwechsel und den damit verbundenen Um- und Einbauten hat sich die bauzeitliche Fassadengliederung im Wesentlichen erhalten. Der letzte größere Umbau erfolgte im Jahre 1867. Dabei wurde die Erschließung der einzelnen Geschosse durch den Einbau einer Treppenanlage nach innen verlegt. Der Treppenturm bekam seine heutige zweiflügelige Eingangstür mit Oberlicht. Aus dieser Zeit sind neben einigen barocken Fenstern noch 11 weitere Fenster erhalten.

Das Gutshaus hat einen äußerst sachkundigen neuen Eigentümer erhalten. Er ist Bauherr und Architekt in einer Person und selber in der Denkmalpflege tätig. Deshalb war die sonst übliche intensive Überzeugungsarbeit zur Bestands- erhaltung der Fenster nicht nötig.
Restaurierung eines Fensters von 1867
Vor Beginn der Fensterrestaurierung wurde jedes einzelne Fenster für sich dokumentiert und sichtbare Schäden an Rahmenhölzern, Glas und Beschlägen anschließend notiert. Dann wurde die erste Flügelebene ausgebaut. Fensterkästen konnten im eingebauten Zustand überarbeitet werden.
Mit Hilfe einer Kittlampe werden die Glasscheiben aus dem Kittfalz gelöst, gereinigt und für den späteren Wiedereinbau dokumentiert. Hierbei stellte sich heraus, dass die erhaltenen historischen Scheiben noch die Erstverglasung bildeten. Dann wurden die Espagnoletteverschlüsse demontiert. Deren Farbe wurde entfernt und die korrekte Funktionsfähigkeit wieder hergestellt. Als Oberflächenbehandlung wurden auf die Verschlüsse nach dem Einbrennen eines ersten Leinölanstrichs ein weiterer Leinölanstrich aufgetragen. Der Farbanstrich auf dem Fenster wurde mit Heißluftfön und Spachtel entfernt. Spätestens jetzt wird klar, warum diese Fenster nach 140 Jahren Nutzung immer noch in einem bemerkenswert guten Zustand sind: Das Zusammenspiel aus meisterlicher Holzauswahl, gründlicher Grundierung mit Leinöl und dem Anstrich mit Ölfarbe macht das Fenster über Jahrhunderte widerstandsfähig. Holz und Leinöl harmonieren besonders gut miteinander und gewährleisten eine äußerst lange Haltbarkeit von Anstrich und Fenster. Heutzutage kommen fast ausschließlich Kunstharz- und Acryllacke zum Einsatz. Da in der Denkmalpflege andere Anforderungen an die Arbeitsausführung gestellt werden (Arbeitstechniken, die der historischen Substanz gerecht werden) und die Beschichtung der Oberflächen mit Ölfarben durchgeführt wird, hält das fachgerecht restaurierte Fenster länger als moderne Fenster.
An der inneren Flügelebene waren keine nennenswerten Holzschäden zu verzeichnen. Nach der Farbentfernung an den Fensterkästen und dem Schleifen der gesamten Flächen wurden kleinere Schäden im Holz (Durchbrüche für Antennenkabel) durch Einsetzen von kleinen Holzstücken behoben. Kleinstlöcher wurden mit Leinölkitt verschlossen. Nun konnten die Fensterflügel wieder eingehängt werden und evtl. auftretende Schwergängigkeit durch Nachhobeln behoben werden. Dabei ist es wichtig, in den Fälzen des Kastens Material abzutragen. Dadurch werden die schlanken Profilquerschnitte der Flügelhölzer nicht noch weiter geschwächt.
Der nächste Schritt: die Grundierung mit Leinöl und drei Deckanstriche mit schwedischer Ölfarbe. Die Beschläge konnten montiert werden und die Verglasung konnte mit Leinölkitt erfolgen. An der äußeren Flügelebene wurden größere Risse mit Holzspänen ausgeleimt, kleinere mit Ponal Duo geschlossen.
Auf das nachträgliche Einfräsen von Nuten zur Aufnahme von Dichtungen wird im gesamten Gebäude verzichtet. Damit werden die gleichen klimatischen Bedingungen wie sie seit vielen Jahren in dem Gebäude vorherrschen gewährleistet. Dies ist besonders wichtig, da das Haus noch nicht ganzjährig genutzt wird.
Das in dieser ersten Restaurierungsphase bemerkenswerteste Fenster ist in die Zeit um 1700 zu datieren (siehe untere Bildreihe). Hierbei handelt es sich um ein vierflügeliges Kreuzstockfenster. Dieses Fenster wies starke Schäden aufgrund der Einbausituation auf und wurde komplett ausgebaut. Ein Kastenaufrechtes und das Unterstück waren verfault, wie auch der Pfostenfuß. Die neuen Stücke wurden dem Original entsprechend ausgeführt und der angelaschte Pfostenfuß in das Unterstück eingezapft. Die verrotteten Unterstücke der unteren Flügel und Teile der Aufrechten mussten ebenfalls ausgetauscht werden. Ende des 19. Jahrhunderts ist dann ein inneres Blendrahmenfenster mit gleicher Aufteilung vorgesetzt worden. Diese Fensterflügel sind aus den Resten der zu einem früheren Zeitpunkt ausgebauten und demzufolge eingelagerten barocken Fenster gefertigt. Da es sich bei dem Fenster um ein Treppenhausfenster handelt, wurde bei der Restaurierung dieser Zustand beibehalten und somit auch dieser Teil der Baugeschichte des Gebäudes erhalten. Weitere Fenster dieser Gebäudeseite sind Neubaufenster, als Ersatz für Verbundfenster. Sie sind in Bauart, Profilierung und den verwendeten Beschlägen dem barocken Bestandsfenster nachgebildet.
Neubau eines Eckerkerturmfensters
Dieses in der Fläche gebogene Fenster (siehe oben) wurde gemäß den noch erhaltenen Fenstern von 1867 neu hergestellt. Spätestens jetzt kommt große Achtung vor der Arbeit der Handwerker dieser Zeit auf, die damals ohne die Hilfe von Maschinen gearbeitet haben. Die Herstellung der gebogenen Gläser war damals wohl schwieriger: Die hergestellten Radien passen nicht unbedingt in den gebogenen Glasfalz. Ganz im Gegensatz dazu die neuen, von einem Rostocker Glasrestaurator hergestellten Scheiben – die passen exakt.
Der historische Fensterbestand des Gebäudes befindet sich in der zweiten Restaurierungsphase – weitere Maßnahmen werden noch folgen. Und dem Gebäude tut die langsame und behutsame Instandsetzung gut. Denn das ist die weitaus schonendere Behandlung im Gegensatz zu den „Hauruckinstandsetzungen“ mit viel Geld. Dann ist viel Freude und Erfüllung bei der Arbeit und mit der Bausubstanz garantiert. ■
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