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Handwerk ist Gestaltung – schon während der Ausbildung

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Handwerk ist Gestaltung – schon während der Ausbildung

Das Handwerk – speziell die Tischler – waren Jahrhunderte lang der Motor, um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu decken und zu steigern. Heute beherrscht und weckt die Gestaltung das Kaufverhalten und den Lifestyle unseres Lebens. So ist Design zu einem Wirtschaftsfaktor geworden und beeinflusst ganze Generationen. Leider hat in den letzten Jahren die Industrie die Rolle des Impulsgebers und kreativen Gestalters/Urhebers übernommen bzw. dem Handwerk abgenommen.

Im Zeitalter des i-Phone und anderer Statussymbole wird es höchste Zeit, den Marketingfaktor Design im Handwerk bewusster, effektiver und aggressiver zu verwenden und einzusetzen. Es gilt somit sich auf das zu konzentrieren, wo Handwerk stark ist – nämlich bei der „Individualität“. Wir sollten diese Stärke bewusst herausstellen und nicht der Industrie hinterher hecheln. Industrie heißt Masse – wir im Handwerk können mehr! Schaffen wir ein Premiumsegment – erfüllen wir professionell die Erwartungshaltung des Kunden, ohne uns zu prostituieren. Eine Begegnung mit dem Kunden, persönlich und auf Augenhöhe, ist dabei unumgänglich. „Schaffen wir Einzelstücke mit Seele“, heißt die Forderung, wobei individuelle Gestaltung, gepaart mit materialgerechter und wirtschaftlich vertretbarer, nachhaltiger Konstruktion und Fertigung, die Wertigkeit des Möbels bzw. des Innenausbaus bestimmen.
Gute Gestaltung kann man lernen und hat nichts mit Geschmack zu tun. Und das sind – neben der selbstverständlichen handwerklichen Fähigkeit und des kaufmännischen Geschicks – die Aufgaben des Tischlerhandwerks. Auch und gerade in der Ausbildung!
Ausbildung als unsere Zukunft
Während der Lehrzeit lernt der Auszubildende im Handwerksbetrieb an erster Stelle handwerkliche Fähigkeiten. Daneben sollten aber auch Werte, Tugenden, Umgangsformen und Traditionen vermittelt und vorgelebt werden. Ganz wichtig ist auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Gestaltung. Sie spiegelt sich in der Gesellenprüfung und beim Gesellenstück wider und ist ein kreativer Lehr- und Denkprozess, der sich schon über den gesamten Zeitraum der Ausbildung erstrecken sollte.
Unser duales System ermöglicht uns vielseitig auf unsere Auszubildenden einzugehen. Damit kreative Gedanken nie durch Umsetzungsschwierigkeiten beschränkt werden, sollten die Azubis sehr früh lernen über „den Tellerrand“ zu schauen. Dazu gehören auch der Umgang und die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Materialien umzugehen und diese verarbeiten zu können – Materialwissen erweitern, nicht auf Holz beschränken.
Fragt man sich was bei der Ausbildung zu tun ist, so gilt es gleich zu Beginn der Ausbildung die kreativen Fähigkeiten und Begabungen der Azubis zu wecken und dann zu fördern – denn Gestaltungskompetenz wird am Anfang der Ausbildung nur selten zu finden sein.
Ich bin nachhaltig der Meinung, dass zuerst das zwei- und dreidimensionale Sehen von Formen erlernt werden muss; gefolgt vom dreidimensionalen Denken.
Wichtig ist dabei auch die Kenntnis der Kunst- und Architekturgeschichte als Grundlage, um das Rad nicht neu erfinden zu wollen. Gleichzeitig kann man auf die Erfahrungen und Entwürfen der Antike bis zur Neuzeit aufbauen. Gekonnte Proportionen, eine perfekte Linienführung und abgestimmte Fugenmaße beherrschten schon die alten Meister – der Barock ist beispielsweise ein guter Lehrmeister. Die Konstruktionsdetails im Maßstab 1:1 zu zeichnen – früher der so genannte Brettriss – ist und bleibt unabdingbar, um Fehler zu vermeiden.
Traditionelle Handwerkskunst mit angeblich veralteten Techniken (zinken, zapfen, graten usw.) sollten weder verherrlicht noch verneint werden – nein, in der Verbindung mit modernster Technik liegt die Kunst. Und auch die Zukunft des Handwerks.
Deshalb muss die kreative Freiheit noch breiter gefördert und die Richtlinien und Anforderungen an ein Gesellenstück weiterhin überdacht werden, wobei man die Wertigkeit und Seele eines Möbels nicht vergessen darf. Die gestalterischen Fähigkeiten müssen durch die Lehrmeister, die Lehrer sowie durch Prüfungsausschüsse sichergestellt werden. Aber auch Lehrgänge in Sachen Entwurf, Ideenfindung usw. ist für Auszubildende und Gesellen genau so wichtig wie für die Meister, die Ausbilder und die Lehrer.
Was kann der Lehrherr tun
Grundsätzlich sollte man den Azubi zu einer projektorientierten Herangehensweise erziehen und entsprechend unterweisen, wobei mehrere Lösungsansätze zugelassen und ausprobiert werden sollten. Notwendig und dringend empfohlen ist die Entwurfsberatung des Lehrlings beim Entwurf des Gesellenstücks durch Lehrbetrieb, Schule und Prüfungsausschuss – und dies im technischen, aber auch im gestalterischen Bereich. Eventuell empfiehlt sich auch auf externe Berater (engagierte Tischlermeister und Designer) zurückzugreifen und Kurse oder Beratungen außerhalb des Betriebs durchzuführen; so wie dies verschiedene Innungen anbieten. Dabei lassen sich Wahrnehmungen trainieren und entwickeln, vergleichen und hinterfragen. Sehen und wahrnehmen wird auch auf Messen, in Museen und Zeitschriften fast unbemerkt geschult. Der jugendliche Esprit muss genutzt werden und man muss deshalb Lehrlinge „jung“ denken und sein lassen.
Gestaltungskompetenz fördern
Der Betrieb sollte die Tradition des Tischlerhandwerks aktiv weitergeben, Vielfalt und Reichhaltigkeit aufzeigen und dabei die handwerkliche Praxis erklären – nachvollziehbar machen. Wichtig ist mir, dass in der Schule und/oder in überbetriebliche Ausbildung diverse Projekte und Projektwochen aktiv angeboten und durchgeführt werden, wobei der Betrieb die Lehrlinge unterstützt, begleiten und nach Möglichkeit die Projekte ergänzt, aber auch konstruktiv kritisiert. Dabei lernt der Azubi auch mit Kritik umzugehen, insbesondere wenn der Tadel von Mann zu Mann erfolgt – eben auf Augenhöhe.
Mit derartigen Projekten bzw. Projektwochen weckt und fördert man das Verhältnis für Gestaltung, verstärkt die Sorgfalt in der Detailplanung und -ausführung, intensiviert das Verständnis für Funktion, Konstruktion und Ergonomie. Gleichzeitig kann eine nachhaltige Materialauswahl und -gerechtigkeit diskutiert und bewusst gemacht werden. Ideal wenn sich ein solches Projekt in den betrieblichen Alltag einbinden lässt. Als Abschluss der Lehre – und damit großes Projekt – sehe ich auch die Entwurfsarbeit am Gesellenstück. Hier gilt es den Azubi zu fordern, zu unterstützen und zu fördern. Die systematische Entwicklung einer Idee durch Variationen und diversen Veränderungen sind unabdingbar. Freihändiges Zeichnen ist hierbei sehr förderlich: Vom skizzieren geometrischer Formen und Körper, über Grundlagen der Perspektive hin zu Konstruktionsdetails, die per Freihandzeichnung im Maßstab 1:1 erstellt werden und im Brettriss ihren Abschluss finden. Aber nicht nur der Lernende – nein, auch der Lehrende, also Berufsschullehrer und Lehrherren bzw. verantwortliche Meister – müssen geschult werden bzw. ihren Kenntnisstand auffrischen und die Fähigkeiten vertiefen. Workshops zur Entwurfsberatung sowie Seminare sind wünschenswert.
Gestaltung aus meinem Blickwinkel
Mein Ziel ist es, die formalen Mittel zu beschränken, nicht in ihrer Vielfalt, sondern auf funktionale und formelle Notwendigkeit. Gestaltung heißt für mich Punkt, Linie, Fläche und Volumen, wobei Gestaltung eine perfektionierte Sorgfalt für jedes Detail bedeutet. Mit Mut zu Neuem, bezogen auf Form und Funktion, sollte man an die Entwürfe gehen und dies immerzu hinterfragen. Gestaltung ist vor allem Idee, Einfall und Geistesblitz!
Geht das alles nur mit Spezialisten? Nein! Gestaltung hat eine lange Tradition, die einhergeht mit der Funktion, der Konstruktion, aber auch der Erfahrung. Grundlegende Maße zu Rahmenquerschnitten, Plattendicken, Fugenmaße ergeben sich. Wir können aber nicht erwarten, dass unsere Auszubildenden dies alles mitbringen. Es ist unsere Aufgabe, junge Menschen zu begleiten, zu lehren, zu unterstützen und Vorbild zu sein, um später auf eine Generation zurückgreifen zu können, die unser Handwerk nicht zu einem Auslaufmodell verkommen lässt. Das Hinterfragen der jetzigen Leistung und die Zusammenarbeit von Meistern, Lehrern, Ausbildern und vor allem den Auszubildenden kann uns weiterbringen, um das Tischlerhandwerk neu aufzustellen. ■
Anmerkung der Redaktion: Die Firma Reichenberg-Weiss beschäftigt sich sehr intensiv mit der Ausbildung ihrer Lehrlinge. So konnte die Firma in den vergangenen Jahren sechsmal einen Landessieger in NRW und schon drei Mal einen Bundessieger bzw. eine Bundessiegerin stellen. Alle hier gezeigten Gesellenstücke stammen aus seinem Betrieb.
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