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Holztreppen und das europäische Recht

Baurecht aktuell
Holztreppen und das europäische Recht

Die ETAG 008 Leitlinie – europäische technische Zulassungen für vorgefertigte Treppenbausätze – hat im Oktober 2004 formal die nationalen Zulassungsverfahren abgelöst. Ralf Spiekers hat versucht, die ziemliche komplizierten Zusammenhänge rund um die europäische Treppennormung bzw. -zulassung sowie deren historischen Hintergrund kompakt zusammenzufassen. Offen ist, wo in diesem Zusammenhang künftig die „Regelwerkstreppe“ anzusiedeln sein wird.

Bedeuten neue Vorschriften nun auch mehr Regelung?, wird sich so mancher Leser schon vor dem Lesen dieses Beitrages fragen. Diese Frage kann, speziell für die Holztreppen, wohlgemut verneint werden. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich etwas näher mit der aktuellen baurechtlichen Situation beschäftigt.

Das deutsche Baurecht unterscheidet grundsätzlich geregelte und nicht geregelte Bauprodukte. Die traditionelle Holztreppe (Regelwerkstreppe) hat als so genanntes sonstiges Bauprodukt bis zu dem Zeitpunkt eine kennzeichnungsfreie Sonderstellung, an dem eine EU-Treppennorm wirksam wird. Sonstige Bauprodukte dürfen auch verwendet werden, wenn diese Regeln nicht in der Bauregelliste A bekannt gemacht sind. Sie bedürfen keines Nachweises ihrer Verwendbarkeit, wie der Gesetzgeber formuliert. Wenn der Treppenbauer hingegen keine Regelwerkstreppe herstellt, musste er den formal korrekten Weg der nationalen Zulassung beschreiten.
Ein geregeltes Bauprodukt bedeutet, dass es entweder nationale Regeln (Bauregelliste A) oder europäische Regeln (Bauregelliste B) gibt. Mit der ETAG 008 sind diese erstmalig europäisch konkretisiert. Das bedeutet auch, dass die ETAG die nationalen baurechtlichen Forderungen an das Produkt Treppen begrenzt, in dem sie der Zulassungsbehörde (in Deutschland das DIBt, Berlin) als Leitfaden dienen. Die Rahmenbedingungen werden durch die so genannten wesentlichen Forderungen an Bauprodukte auf europäischem Level beschrieben. Es handelt sich dabei um folgende Aspekte:
  • Mechanische Festigkeit und Standsicherheit
  • Brandschutz
  • Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
  • Nutzungssicherheit
  • Schallschutz
  • Energieeinsparung und Wärmeschutz.
Regelwerkstreppe mit nationaler Sonderstellung
Die Regelwerkstreppe nimmt im deutschen Baurecht eine deutliche Sonderstellung ein. Sie ist ein gutes Beispiel für die sonstigen Bauprodukte. In der Vergangenheit ist sie bedauerlicherweise immer wieder heftig kritisiert und leider auch falsch interpretiert worden. Einige sahen eine unnötig starke Dimensionierung, andere wollten immer wieder auch neuere Konstruktionen dieser Gruppe von Treppen zuordnen.
Auch wurden, wie erst kürzlich in einer Fachzeitschrift zu lesen war, inhaltlich falsche Schlüsse aus statischen Belastungsversuchen gezogen. Belastungsversuche für in Details anders konstruierten und gleichzeitig auch noch dünner dimensionierten Treppen, die positiv verlaufen, führen nicht dazu, dass eine solche Treppe quasi im Nachhinein zur in den Abmessungen variierbaren Regelwerkstreppe erklärt werden kann.
Die Regelwerkstreppe ist, und zwar nach harten Kämpfen, per Definition ein sonstiges Bauprodukt geworden. Der Bund Deutscher Zimmerer (BDZ) und der Bundesverband Holz und Kunststoff (BHKH) haben damals an einem Strang gezogen, um diese traditionelle handwerkliche Holztreppe nicht unter die Zulassungsverpflichtung fallen zu lassen.
ETAG 008: Für vorgefertigte Treppenbausätze
Für welche Treppen gelten nun die wesentlichen Eigenschaften, die nach EU-Recht an die Bauprodukte gerichtet werden? Im Prinzip für jede Treppe, wie Herr Dr. Mehl, österreichischer Normungsvertreter im CEN, immer wieder festgestellt hat. Diese allgemeinen Forderungen sind sowohl für die ETAG-Treppen, als auch für alle anderen Treppen (so auch die Regelwerkstreppe) wichtig. Konkret werden die Prüfaspekte – und auch ihr Umfang – durch die ETAG 008 geregelt. Sie gilt für vorgefertigte Treppenbausätze, wie es im Titel steht. Ein Treppenbausatz besteht beispielsweise aus Trittstufen, Treppenpodesten, Wangen, Handläufen, Umwehrungen, Befestigungselementen und Abdeckungen (Belägen).
Der Begriff „vorgefertigt“ bedeutet, dass die Produkte in industrieller Serienherstellung oder zumindest ähnlich einer serienmäßigen Herstellung produziert werden. Nach deutschem Verständnis sahen die Regelsetzer immer die ingenieurmäßige Treppe, die auch heute schon im nationalen Zulassungsverfahren ist, als die klassische Zulassungstreppe.
Ein zweiter Blick auf die Ausschlüsse im Geltungsbereich rundet das Baurechtsverständnis ab. Ausgeschlossen aus der ETAG 008 sind traditionell hergestellte, vorgefertigte Treppen aus Massivholz, die nach Auftrag für individuelle Anforderungen hergestellt werden und auch einzelne Bestandteile (z. B. einzelne Trittstufen, Umwehrung), wenn sie nicht Bestandteile eines Treppenbausatzes sind. Diesen Ausschlussbereich müssen wir jetzt sauber untermauern, wie der genannte Normungsexperte weiter ausführt.
Es war immer die deutsche und auch die österreichische Position, den Geltungsbereich genau abzustimmen. Die ersten Sondierungsgespräche in den technischen Ausschüssen von EOTA, der europäischen Zulassungsbehörde, sind bereits geführt, weiß der Fachmann zu berichten. Die verschiedenen Formulierungen und die damit verbundenen Geltungsbereiche werden gegeneinander abgewogen. Dabei gilt es, viele Rahmenbedingungen einzuhalten, wie insbesondere die Baurechtler wissen. Neben der ETAG 008 sind auch die EU-Bauproduktenrichtlinie und die entsprechenden Leitpapiere zu beachten, was widerum die Arbeit alles andere als leichter macht.
Zulassung contra harmonisierte Norm
Quasi im Wettbewerb zu den EOTA-Aktivitäten steht das europäische Normungsinstitut (CEN). Beide Einrichtungen konkurrieren häufig um die Umsetzung von EU-Mandaten. So ist es auch bei der Treppe geschehen. Für CEN wurde in Sachen Fußboden und Holztreppe parallel zum Zulassungsverfahren ein Mandat M119 vergeben. Die einzige in diesem Arbeitsfeld harmonisierte Norm DIN EN 14342 (Parkett und Holzfußböden – Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung) zeigt, dass das Mandat M 119 eigentlich ein reines Fußbodenmandat ist. Alle anderen Normen erschienen als so genannte Ergänzungsnormen, wie z. B. die EN 13756 (Holzfußböden, Terminologie) oder die EN 13489 (Mehrschichtparkettelemente). So hat man seitens CEN auch die Normungsarbeiten an der Treppe eingeleitet. U. a. wurde die Terminologienorm Holztreppen DIN EN 14076 Holztreppen – Terminologie abgeschlossen. Aber die französischen Normer wollten lange Zeit mehr – sie sahen alle Holztreppen unter dem Mandat M 119.
Gegen eine generelle Ausweitung des Geltungsbereiches der Norm sprach ganz klar die mit der Überlappung zur ETAG 008 gegebene Konfliktsituation. Aus deutscher Sicht ein unnötiger Konflikt, welchen man mit den in der EOTA vertretenen Zulassungsbehörden nicht aufmachen wollte.
Auch wurde das AoC (Konformitätslevel 2+ mit Fremdüberwachung) im Mandat M 119 als kritisch bewertet. Dieses AoC ist für die traditionell gestalteten Treppen aus Massivholz sicher zu hoch, wie man europaweit übereinstimmt. Daher wird es sicher der bessere Weg sein, ein neues Mandat von der EU-Kommission zu erhalten. Diese Überzeugung setzt sich langsam durch und ist Teil der deutschen Normungsstrategie. Ein neues Mandat steigert auch die Chance auf das Konformitätslevel 4, ohne die sonst notwendige Fremdüberwachung, wie Dr. Mehl unterstreicht. Dies schafft gerade für die Regelwerkstreppe die notwendigen Erleichterungen, die man sich seitens des Handwerks erhofft. Die entscheidende Frage, die sich viele Leser nun stellen werden, lautet: Ist eine harmonisierte Norm eine gute Alternative zum Zulassungsverfahren? Die salomonische Antwort könnte lauten „Im Prinzip ja“. Es kommt aber vor allem auf das an, was die künftige Treppennorm – bezogen auf die wesentlichen Eigenschaften – fordert. Man darf auch nicht vergessen, dass hinter den Lastannahmen und Sicherheitsbeiwerten für die Treppen der Eurocode steckt. So wird nämlich viel Arbeit geleistet werden müssen, um die Details zu normen.
Noch einen weiten Weg zu beschreiten
Jetzt ist die Arbeit im Normenausschuss etwas gelassener geworden, wie Josef Ries, Vorsitzender des Deutschen Holztreppeninstitutes (DHTI), feststellt. Unsere Normungsvertreter haben nachhaltig ihre Positionen vertreten.
Kernforderung war die exakte Klärung des Geltungsbereiches der ETAG 008. Dies konnte nur über die EOTA geschehen, wie Josef Ries weiter ausführt. Für die Lücke, die die ETAG öffnet, gilt es nun ein geeignetes Mandat zu formulieren. Hier müssen DIBt, Normungsvertreter und EU-Kommission, vertreten durch den Ständigen Ausschuss im Bauwesen, noch einen weiteren Weg beschreiten. Denn erst dann wird es eine handwerksgerechte CE-Kennzeichnung der traditionellen Holztreppen geben. ■

Verwendete Abkürzungen

AoC: attestation of conformity – (Produkt/Mandatsabhängiges) Konformitätsbewertungsverfahren
AoC 2+: Fremdüberwachung, werkseigene Produktionskontrolle (WPK); Herstellererklärung (u. a.)
AoC 4 : Werkseigene Produktionskontrolle; Herstellererklärung (u. a.)
BHKH: Bundesverband Holz und Kunststoff – Bundesinnungsverband für das Tischler- und Schreinerhandwerk, Berlin (www.tischler.de)
CEN: Comité Européen de Normalisation – Europäisches Komitee für Normung (www.cenorm.be)
DHTI: Deutsches Holztreppeninstitut, Saarbrücken (www.dhti.de)
DIBt: Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin (www.dibt.de)
DIN: Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin (www.din.de)
EOTA: European Organisation for Technical Approvals – Europäische Organisation für technische Zulassungen, Brüssel ( www.eota.be)
ETA: European Technical Approval – europäisch technische Zulassung
ETAG : European Technical Approval Guideline – europäisch technische Zulassungsrichtlinie
TC: Technical Comité – Technisches Komitee

Eine weitere Treppennorm?

Kommentar

Warum soll die Regelwerkstreppe künftig CE-gekennzeichnet werden? Nun, weil wir Europa haben und weil Europa dies vorsieht. Diese Antwort ist sicherlich formal richtig, aber natürlich wenig hilfreich.
Sehen wir es doch einmal von der Marktseite: die Ingenieurstreppe muss künftig europäisch gekennzeichnet werden. Das wird auch den deutschen Treppenmarkt treffen und für eine gewisse Unruhe und Veränderungen sorgen.
Diese Zulassungen verursachen Kosten und sind für die Zulassungsinhaber/Hersteller sicher auch attraktiv. Was aber geschieht künftig mit den handwerklichen Herstellern? Damit Innungsbetriebe nicht auf der Strecke bleiben, hat die TSH System GmbH in Zusammenarbeit mit dem DHTI eine Lösung für „Handlaufhängende Konstruktionen“ geschaffen.
Es gilt also noch, die traditionelle Wangentreppe europäisch zu regeln. Hier bemühen sich die deutschen Normungsvertreter (BHKH und DHTI) um ein handwerksgerechtes Mandat (ohne Fremdüberwachung) bei CEN.
Damit bliebe auch künftig die in Deutschland bekannte Regelwerkstreppe von möglichen Regelungsverschärfungen verschont, mit der Möglichkeit der CE-Kennzeichnung. Und genau das ist für das Tischler- und Schreinerhandwerk doch sehr positiv.
Josef Ries, DHTI
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