Das besagt ein Urteil des LG Limburg (02.03.2007, AZ 2 O 515/04):
- 1. Mittelholmtreppen bedürfen einer Zulassung als Bauprodukt und gehören nicht zu den handwerklichen Treppen, die aus Erfahrung zu beurteilen sind.
- 2. Eine Holztreppe ist mangelhaft, wenn ein erforderlicher Nachweis der Standsicherheit oder der Eignungsnachweis zum Leimen schichtverleimter tragender Holzteile fehlt.
- 3. Ein Treppenbauer handelt arglistig, wenn er es in Kenntnis fehlender statischer Nachweise billigend in Kauf nimmt, dass ein Risiko für die dauerhafte Standsicherheit entsteht.
Das Ganze hat folgenden Hintergrund: Im Jahr 1996 fertigt und montiert ein Tischler eine Mittelholmtreppe aus Holz. Eine allgemein bauaufsichtliche Zulassung besitzt er nicht und er hat auch noch nie eine solche Treppe gebaut, obwohl er dem Kunden gegenüber behauptet, über hinreichende Erfahrung durch die Fertigung vergleichbarer Treppen zu verfügen. Nachdem sich in 2004 an verschiedenen Stellen Lackablösungen zeigen und sich beim Begehen der Treppe ein unsicheres Gefühl einstellt, beauftragt der Kunde einen Sachverständigen, der zum Ergebnis kommt, dass die Treppe verschiedene konstruktive und statische Mängel aufweist. Der Kunde verlangt, nachdem der Tischler u. a. unter Hinweis auf die Gewährleistungsverjährung jegliche Nachbesserung ablehnt, die Kosten für das Privatgutachten, den Abriss der vorhandenen und die Errichtung einer neuen Treppenanlage, alles in allem fast 30 000 Euro.
Die Einrede der Verjährung lässt das Landgericht nicht gelten. Die kurze fünfjährige Verjährung findet keine Anwendung, da der Tischler die Mängel arglistig verschwiegen hat. Er wusste als Tischlermeister, dass in Fachkreisen seit Jahrzehnten, so auch im Jahr 1996, die einheitliche Auffassung bestand, dass eine Mittelholmtreppe nicht zu den handwerklichen Treppen gehört, die aus Erfahrung beurteilt werden können und wie sie im Regelwerk Handwerkliche Holztreppen beschrieben sind. Insoweit nimmt das Landgericht Bezug auf einen vom Gerichtsgutachter zitierten Bericht im Informationsdienst Holz aus dem Jahr 1983.
Den Mangel selbst sieht das Landgericht darin, dass ein Risiko für die Standsicherheit der Treppe besteht. Das leitet das Landgericht aus den sachverständigen Feststellungen ab, wonach ein ausreichender Standsicherheitsnachweis für die Treppe vom Tischler nicht vorgelegt wurde und der Tischler nicht nachweisen kann, zum Leimen schichtverleimter, gekrümmter Holzteile mit tragender Funktion zugelassen zu sein. Diesen Eignungsnachweis fordert aber die DIN 1052 Anhang A. Die vom Tischler nachträglich vorgelegte statische Berechnung überzeugt das Gericht nicht, weil dieser Berechnung die Werte für Buchensperrholz zugrunde gelegt sind, während die Festigkeitswerte für das tatsächlich vom Tischler für den Mittelholm verwendete Birkenschichtholz nicht bekannt sind und Birkenschichtholz unter Langzeitwirkung weniger formstabil ist.
Am Ende des Prozesses schließen die Parteien im Hinblick auf die finanzielle Situation des Tischlers einen Vergleich, wonach dieser nicht den vollen Schaden gegenüber dem gnädigen Kunden erstatten muss. Dennoch macht das zuvor ergangene Teilurteil des Landgerichtes deutlich, welche zivilrechtlichen Folgen drohen, wenn ein Tischler ohne die erforderliche bauaufsichtliche Zulassung zulassungspflichtige Bauteile fertigt und einbaut. Das Landgericht geht hier sogar so weit, die fehlende Zulassung als Sachmangel anzusehen; ihm genügt schon das Risiko, also die abstrakte Gefahr der Instabilität der Treppe, ohne dass die Treppe tatsächlich instabil wäre.
Im vorliegenden Fall wäre es für den Schreiner sehr schwer gewesen, einen hinreichenden statischen Nachweis zu erbringen. Selbst ein teurer Belastungsversuch mit Gewichten hätte vielleicht nicht den angestrebten Nachweis geliefert. Für das von ihm für den Mittelholm verwendete Birkenschichtholz gibt es eben keine ausreichenden Daten aus Versuchen, im Gegenteil: Fachleute stehen dessen Vergleichbarkeit mit dem hinlänglich getesteten Buchenschichtholz eher skeptisch gegenüber.
Wer aber in dieser Form als Handwerker experimentiert, sollte sich die Zustimmung seiner Kunden einholen, sonst liegen alle Risiken allein bei ihm. Denn neue Baumethoden ohne rechnerische/experimentelle Nachweise oder Langzeitbewährung bergen hohe Gefahren, über die man den Kunden aufklären muss. Solche Baumethoden entsprechen eben gerade nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Die abstrakte Wirkung der allgemein anerkannten Regeln der Technik besteht gerade darin, dass ein Mangel schon vorliegt, wenn ein Schaden noch gar nicht sichtbar ist oder vielleicht auch nie eintritt! ■
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