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Ort der Stille und Besinnlichkeit

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Ort der Stille und Besinnlichkeit

Von Harald Welzel

Durch die Umplanung eines Hauses war einem Zimmer im Erdgeschoß keine genaue Nutzung zugewiesen – es war quasi zuviel. Da der Hausherr mit einer Japanerin verheiratet ist, kam man auf die Idee, dort ein Japanisches Zimmer einzubauen.
In dem kleinen Raum mit einem Panoramafenster aus den 60er Jahren sollten die japanischen Schiebetüren – Shoji’s – auf den Steinfensterbänken “laufen”. Dies schien mir jedoch eine sehr unpraktische Lösung zu sein. Es bot sich an, das Panoramafenster durch eine Schiebetür zu ersetzen, die dann auch den Zugang in den Garten ermöglicht. Der Bauherr ging auf meinen Vorschlag ein und ließ eine Balkonschiebetür einbauen, zumal alle Fenster im Haus erneuert wurden.
Die Planung konnte beginnen, verschiedene Details konzipiert und Varianten ausgearbeitet werden. Die Pläne und Varianten wurden dann mit dem Kunden besprochen und kurze Zeit später freigegeben.
Die Umbaumaßnahmen am Haus waren langsam abgeschlossen, auch die Wand zwischen dem Schlafzimmer und zukünftigem Japanzimmer war entfernt worden. Dies war notwendig geworden, weil als Bodenbelag geflochtene Reisstrohmatten – sogenannte Tatamimatten – verlegt werden sollten, die in einem Fixmaß von 1800 x 900 mm erhältlich sind und damit die Raumgröße mit einem Rastermaß von 900 mm erforderlich machten. Mit einer für Japan typischen Lehm-Trockenbauwand paßte ich die Maße an und hatte damit auch die Möglichkeit die Tokonoma einzuplanen. Lehm hat in Japan und für japanische Holzverbindungen eine sehr große Bedeutung: er ist hygroskopisch, schafft ein gleichmäßiges Feuchtigkeitsgefälle und so schwindet das Holz nicht so stark.
Tokonoma heißt wörtlich übersetzt “die gute Ecke im Haus”, in bayerisch könnte man auch “Herrgottswinkl” dazu sagen. In diesem Bereich vom Haus finden sich alle persönlichen, für die Familie wichtigen Gegenstände, wie beipielsweise ein Rollbild oder ein Leitspruch der Familie. Die Tokonoma wird zur Raumseite hin von der Tokobashira begrenzt. Dieser Baumstamm ist auch ein wichtiger Bestandteil in einem japanischen Wohnraum und kommt aus gepflegten Waldbereichen. Die Rinde wird unter Dampf von Hand entfernt. So bleibt die Holzstruktur sehr schön erhalten, wenngleich sich diese Arbeit als mühevoll und sehr anstrengend erwies.
Interessante Trägerkonstruktion
Der 4 m lange freitragende Träger zwischen den unteren und oberen Shoji’s machte eine spezielle Konstruktion erforderlich. Da die Führungen der Schiebetüren sehr exakt sein müssen, war die Konstruktion so zu wählen, daß das Holz des Trägers nahezu verzugsfrei arbeiten kann. Ich entschied mich für eine relativ aufwendige Konstruktion, in dem ich den Träger aus zwei Halbschalen konzipierte, die über die eingenutete Führungsschiene zusammengehalten wird. Von oben wurde ebenfalls die Führungsschiene in die Nuten eingesetzt, wobei ein eingeleimtes Brett die zwei Halbschalen über die Schrägen nach außen drückt und die Konstruktion ohne Leim oder weitere Verbindungsmittel zusammenhält und ein Arbeiten des Holzes gewährleistet. Da kein Kirschbaum mit einer Länge von 4 m erhältlich war, verlängerte ich die Halbschalen mit einem schrägen Hakenblatt mit Keilverschluß.
Viel Handarbeit
Einiges hatte sich in der Fertigung schwieriger erwiesen, als auf dem Papier. So die vielen Sprossen für die Shoji’s – die japanischen Schiebetüren – die in filigraner Handarbeit auszuklinken waren.
Die Shoji wurden aus Zedernholz gefertigt, wobei die Rahmen eine Abmessung von nur 30 x 36 mm, die Sprossen 15 x 6 mm haben. Natürlich wurden alle Flächen mit dem Putzhobel von Hand gehobelt und ohne Oberflächenbehandlung eingebaut. Bei der Menge, die zu hobeln war, lernt man jedoch sehr viel über das Arbeiten mit dem Hobel – Handhabung und das Gefühl für’s Holz, das man im Zeitalter der Schleifmaschinen fast total verlernt hat.
Von der Kundin kam auch der Wunsch nach einem Fusuma-Schrank, der fest im Haus mit eingebaut wird und ebenfalls Schiebetüren hat. Der Unterschied zu den Shoji´s ist, daß diese Schiebetüren beidseitig mit Papier bespannt werden. Dieser Schrank wurde komplett aus massivem Amerikanischem Kirschbaumholz gefertigt. Die Holzverbindungen sind halbverdeckt gezinkt, die Böden und Mittelseiten eingegratet.
Die Montage
Die Spannung wächst ins Unermeßliche, denn ich konnte kein Teil komplett zusammenbauen, um die Rechtwinkligkeit zu überprüfen. Nachdem nun fast alle Teile fertig sind – die Werkstatt platzt fast aus allen Nähten – wird der Montagetermin festgelegt.
Mit drei Kollegen ist der gemietete LKW bald beladen, angeliefert und die Montage konnte beginnen. Nach drei Tagen fügte sich das Puzzle langsam aber sicher zu einem japanischen Raum zusammen und meine Helfer fuhren nach Hause. Den Rest machte ich alleine fertig. Dann kam der Lehmverarbeiter, dem ich half und zwischendurch die Zeit nutzte, um die Decke zu flechten. Die Deckengestaltung nennt man “Vier-Augenflechtwerk”, das aus Lärchenfurnier – vor Ort – zusammengelegt wurde. Als der Lehmbauer fertig war, hatte ich bereits fast alle Shoji’s eingepaßt und leichtgängig verschiebbar gemacht – eine schöne und interessante Arbeit. Die Kundschaft brachte aus Japan die Shojigriffe aus Ebenholz mit. Ebenso der “weiße” Lehm, der als Schlußschicht über den verputzten Lehm kam und die Atmungsaktivität erhält. Jetzt kommt der letzte Part, die Tatamimatten auspacken und in den Rahmen legen – fertig.
Ein gutes Gefühl macht sich breit – glücklich und zufrieden, wenn man nach so langer Vorbereitungszeit nun alles beendet hat. Vor allem hat dieser Raum ein sehr angenehmes Klima und eine Atmosphäre, wie ich es nur in Japan kennengelernt hatte.
Um den Raum noch abzurunden, durfte ich eine Lampe und einen Tisch dazu entwerfen und bauen. n
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