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Problem: Anrampen

BM-Serie zur DIN 18202, Teil 1 „Fußböden“: Höhenanpassungen vs. DIN
Problem: Anrampen

Maßabweichungen im Neubau sind gang und gäbe. In unserem Praxisbeispiel zeigen wir, wie ein Parkettleger mit Anrampungen die Planungsfehler des Bauträgers auszugleichen versucht und von der DIN 18202 mehr oder minder im Regen stehen gelassen wird.

Autor: Andreas GieSS

I Die DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau“ dient der Begrenzung von Maßabweichungen gegenüber den Nenn(soll)maßen. Auch wenn Ungenauigkeiten im Bauablauf meistens nicht zu vermeiden sind, sollen sie so begrenzt werden, dass Anpassungsarbeiten beim Zusammenfügen von Bauteilen ausgeschlossen werden können. Soweit die Grundsätze der Norm. In der Praxis sieht es leider so aus, dass die Maßtoleranzen der Norm (Grenz-, Winkel- und Ebenheitsabweichungen) gänzlich ausgereizt werden. Für die ausführenden Firmen ist das oft eine Herausforderung und ein bedeutender Mehraufwand. Solange sich aber die Vorgewerke im Toleranzbereich der Norm befinden, also gemäß Norm regelkonform gearbeitet haben, wird man vergebens Problemlösungen in der Norm suchen.

Praxisbeispiel Parkettböden
In einem Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohneinheiten wurde Mosaikparkett in den Wohnräumen und Fluren verlegt. Bad, Küche und WC wurden mit Keramikfliesen und das Treppenhaus mit Werkstein versehen. Vom Planer wurden keine oder ungenaue Referenzhöhenmaße angegeben. Ergebnis: Die Estrichhöhen der Wohnräume und Flure wurden 7 bis 25 mm niedriger gegenüber dem Sollmaß hergestellt. Um eine kostenintensive Anpassung des Estrichniveaus und Absätze zu vermeiden, wurde der Estrich zu den angrenzenden Stein- und Fliesenbelägen auf eine Länge von 1 m zur Raumseite angespachtelt (Anrampungen). Der Bauherr bemängelte diese Ausführung, weil die Anrampungen beim Begehen deutlich spürbar und optisch sichtbar waren.
Der Bauträger entgegnete der Mängelanzeige mit der Aussage, dass „die Anrampungen im Bereich der Toleranzen gemäß DIN 18202 liegen und somit keinen Mangel darstellen“.
DIN lässt Handwerker im „Regen“ stehen
Was schreibt die DIN 18202 zu der Thematik? In Punkt 5.4 heißt es: „Tabelle 3 (Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen) findet für Absätze und Höhensprünge zwischen benachbarten Bauteilen keine Anwendung. Diese sind gesondert zu regeln.“ Im Kommentar ist nachzulesen: „Für Knickstellen an höhengleichen Übergängen zwischen benachbarten Bauteilen finden die Regelungen nach DIN 18202, insbesondere für Ebenheitsabweichungen, keine Anwendung.“
Im Ergebnis kann also davon ausgegangen werden, dass die Norm und deren Messmethoden hier nicht greifen. Welche Regelungen/Richtlinien sind also anzuwenden? Wie auch in anderen Fällen lässt diese DIN den Planer und Handwerker im „Regen“ stehen.
Wünschenswert wäre z. B. die Angabe von Richtwerten oder ein Verweis auf Richtlinien, welche sich in der Baupraxis für Anrampungen bewährt haben. Somit ist der Streit vorprogrammiert, wenn alle Parteien (auch die Gutachter) nicht wissen, woran sich gleichermaßen orientiert werden kann/soll.
Ein Fall für den Sachverständigen
Im vorliegenden Fall wurden drei öbuv. Sachverständige (nacheinander) beauftragt, die Situation zu begutachten und zu bewerten:
Der erste Sachverständige stellte fest, dass die meisten gesichteten Anrampungen zwar nicht schön, aber im Bereich der Ebenheits- und Winkeltoleranzen der DIN 18202 liegen, von div. extremen Ausnahmen abgesehen.
(Kurios, dass die gleichmäßigen, 1 m langen Anrampungen vom Sachverständigen mit unterschiedlich langen Richtscheiten (1,5 m und 2 m) übermessen wurden. Je nach Zustand kam die „günstigere“ Messung im Gutachten zur Anwendung.) In der Bewertung kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, „dass die Norm zwar hierzu keine Regelung findet, der Sachverständige aber die Norm und deren Messmethoden trotzdem anwendet, wenn eine existenzbedrohende Situation des Handwerkers entstehen kann.“
  • Der zweite Sachverständige stellte gleichermaßen fest, dass die DIN 18202 (Punkt 5.4) für diese Anrampungen keine Anwendung findet, folglich auch deren Messmethoden nicht berücksichtigt werden können: „Werden höhengleiche Anschlüsse geplant, sind diese, mit kleineren handwerklich unvermeidbaren Ungenauigkeiten, zu realisieren. Hier wurde bewusst angerampt und versucht, das mit der DIN 18202 zu rechtfertigen.“ Die Betonung wurde auf die „bewusst hergestellten Anrampungen“ gelegt, welche „nicht im Sinne von bauüblichen Toleranzen“ zu bewerten sind. Die optischen und spürbaren Unregelmäßigkeiten wurden gerügt.
  • Der dritte Sachverständige (beauftragt als Obergutachter) stellte zwar auch fest, dass die Anrampungen nicht im Sinne der DIN zu bewerten sind, bewertet aber (kurioserweise) den Fall dennoch über die Winkeltoleranzen der Norm. Er setzt die 1 m langen Anrampungen ins Verhältnis zur Raumlänge. Die optischen oder spürbaren Unregelmäßigkeiten fanden in seiner Bewertung nur geringfügig Beachtung.
Auch wenn die DIN 18202 auf solche Anrampungen explizit nicht eingeht, werden deren Ausführungen zumindest teilweise in Gutachten berücksichtigt. Um weitere Irritationen zu vermeiden, sollten in der nächsten Novellierung der Norm klare Aussagen hierzu getroffen werden.
Ist die DIN 18202 noch zeitgemäß?
Es lässt sich heute gewerkübergreifend feststellen, dass die aktuell übliche Baubeschaffenheit, bei handwerklich sorgfältiger Ausführung, weit unter dem „zulässigen“ Anforderungsprofil der Norm liegt. Ergo: Wenn eine üblich zu erwartende Beschaffenheit (Verkehrssitte) einer Bauleistung weit unter dem zulässigen Anforderungsprofil einer Norm liegt, muss die Aktualität und somit auch die uneingeschränkte Anwendung einer Norm infrage gestellt werden.
Im zweiten Teil der BM-Serie erläutert der Autor die Problematik bei Innen- und Wohnungsabschlusstüren sowie bei Fenstern. I

Praxis-Tipp Ablehnen oder Bedenken anmelden
Ein Tischler, Schreiner oder Parkettleger ist gut beraten, wenn er Anrampungen in der Größenordnung wie dem nebenstehenden Fall ablehnt oder gegen diese schriftlich Bedenken anmeldet. Als Richtwert für eine maximale Schieflage (Anspachteln zur Überbrückung eines Höhenversatzes) können 2 bis 3 mm/m angenommen werden (Quelle: Oswald/Abel: Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden; Bauverlag).
Der Autor Schürken spricht von einer „Spürbarkeitsgrenze“ von 6 mm/m (Diersch/Schürken: Bewertung von Berg- und Setzungsschäden, Hannover 1995).
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