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Sein Herz schlägt für beide Seiten

Jürgen Heller ist Lehrlingswart mit Leib und Seele
Sein Herz schlägt für beide Seiten

Seit über 20 Jahren engagiert sich der Düsseldorfer Schreinermeister Jürgen Heller ehrenamtlich als Lehrlingswart – lokal, regional und bundesweit. Er versteht sich als Vermittler zwischen Meister und Auszubildenden.

Tischler ist ein Beruf mit Zukunft und bietet viele Möglichkeiten, findet Jürgen Heller. Wie die Chancen in seiner Branche genau aussehen, welche Aufstiegsmöglichkeiten sich bieten, dies erklärt der 50-Jährige regelmäßig Schülern. Marketing für die Berufsausbildung gehört zu den Hauptaufgaben des Lehrlingswarts. Meist geht er direkt in die Schulen, aber es kommen auch interessierte Schüler in seine Sprechstunde, die der Innungsvorstand jeden Dienstag anbietet. Als Lehrlingswart kommt Jürgen Heller viel herum im Raum Düsseldorf und das sei auch eine Grundvoraussetzung für dieses Amt: „Ein Lehrlingswart muss sowohl die Betriebe als auch die Auszubildenden und Bewerber gut kennen.“

Mitte der 80er Jahre hatte ihn die Düsseldorfer Innungsversammlung das erste Mal ins Amt gewählt. Warum die Wahl auf ihn fiel? Nun ja, er hätte wohl einige gute Ideen gehabt und dies und das bemängelt, erinnert sich Jürgen Heller. Wer kritisiert fällt eben auf – und soll es besser machen. Und das wollte Heller auch. Das berufliche Know-how hatte er: Anfang der 80er Jahre war er als junger Meister aus München zurückgekehrt und in den elterlichen Betrieb „Schreinerei Karl Heller“ mit eingestiegen, später übernahm er die Geschäftsführung. In seinem Amt als Lehrlingswart musste er direkt ins kalte Wasser springen, es gab keine Schulungen oder sonstige Vorbereitungen. „Man wächst in seine Aufgaben rein“, meint Jürgen Heller.
Ein Lehrlingswart gehört auch automatisch dem Vorstand der Innung an und vertritt somit die Interessen der Mitglieder. Damit ist der Lehrlingswart im Grunde ein Arbeitgebervertreter. Jürgen Heller liegt aber auch die andere Seite am Herzen: „Die Schwächsten im Glied sind oft die Auszubildenden.“ Laut § 54 der Handwerksordnung soll ein Lehrlingswart „entsprechend der Vorschriften der Handwerkskammer die Lehrlingsausbildung regeln, überwachen sowie für die berufliche Ausbildung der Lehrlinge sorgen und ihre charakterliche Entwicklung fördern.“ Um jeden einzelnen Auszubildenden in der Innung – das sind in der Regel 120 bis 150 – kann sich Jürgen Heller nicht ständig und intensiv kümmern, da sind die Ausbilder in den Betrieben gefordert. Denen rät Heller, ständig im Dialog mit den Jugendlichen zu bleiben. Doch daran hapert es meist.
Aus seiner 20-jährigen Erfahrung weiß Jürgen Heller, dass die meisten Probleme zwischen Meistern bzw. Ausbildern und Auszubildenden durch mangelhafte Kommunikation verursacht wird. „Das Gespräch zwischen Ausbilder und Azubi findet zu wenig statt“, meint der Lehrlingswart. Häufig würde der Ausbilder nicht genügend Überblick geben: Nicht erläutern, welche Arbeitsabschnitte wann folgen, warum das so ist, wie die Zusammenhänge sind etc. Bei monotoner Arbeit käme schnell Frust beim Lehrling auf und er fühle sich dann häufig nicht richtig ausgebildet. Wenn Jürgen Heller im Streitfall in die Betriebe gerufen wird, nimmt er die Vermittlerrolle ein und fragt beide Seiten, wo denn das Problem sei. Oft klärt sich die Sache schnell auf, denn „es gibt Informationsdefizite auf beiden Seiten“. Mal geht es um verspätete Auszahlung der Vergütung, mal gibt es Streit um Überstunden, mal geht es um die Arbeitsmoral. Ziel des Lehrlingswarts ist vor allem, dass das Ausbildungsverhältnis nicht abgebrochen wird. Deswegen rät er den Jugendlichen, nicht überstürzt zu reagieren und auch mal „eine Faust in der Tasche zu machen“. Und den Chefs und Ausbildern gibt er mehr oder weniger deutlich den Hinweis, dass nicht nur über berufliche Dinge geredet werden müsse, sondern dass manchmal ein offenes Ohr für private Probleme nötig sei. Toleranz auf beiden Seiten sei gefordert.
Als Konfliktmanager ist der Lehrlingswart meist in den ersten vier Monaten eines Ausbildungsverhältnisses sowie in den letzten drei Monaten gefordert. Dass es in der beiderseitigen Eingewöhnungsphase zu Spannungen und Unstimmigkeiten kommt, könne man noch nachvollziehen, findet Jürgen Heller. Wenn es aber kurz vor der Gesellenprüfung noch zu Ausbildungsabbrüchen komme – etwa wegen Streitigkeiten ums Gesellenstück – dann sei er mit seinem Latein manchmal am Ende. Damit es erst gar nicht so weit kommt, besucht der Tischlermeister regelmäßig die einzelnen Betriebe.
Dort betreibt der Lehrlingswart nicht nur Kontaktpflege, sondern informiert Ausbilder und Meister über die neuesten Entwicklungen im Ausbildungsbereich. Als beispielsweise im letzten Jahr die neue Ausbildungsverordnung in Kraft trat, stellte Jürgen Heller die Änderungen kurz vor. „Viele Ausbilder haben weder Zeit noch Lust, sich die Ausbildungsordnung durchzulesen“, sagt Heller. Auf seiner Tour durch die Betriebe gibt der Lehrlingswart auch konkrete Hilfestellungen: Er berät die Kollegen beispielsweise, wie man einen Ausbildungsvertrag aufsetzt, wie es mit der Ausbildungsvergütung aussieht, wie man eine ordentliche Abmahnung schreibt, was ein Arbeitszeugnis beinhaltet und so weiter. Auch Auszubildenden beantwortet der Lehrlingswart derartige Fragen und hilft zum Beispiel beim Abschluss des Ausbildungsvertrags.
Die eingangs erwähnte „Nachwuchswerbung“ findet Jürgen Heller besonders wichtig. Es gäbe zwar immer noch mehr Bewerber als Lehrstellen und er glaube, dass der demografische Wandel seinen Berufsstand nicht so hart treffen werde wie andere Branchen, aber dennoch: „Gute Bewerber sind schon jetzt rar. Beim letzten landesweiten Eignungstest in Nordrhein-Westfalen haben von 38 Teilnehmern nur drei den Test bestanden.“
In seiner wöchentlichen Sprechstunde in der Innung bemüht sich Heller, möglichst vielen interessierten Jugendlichen den Beruf schmackhaft zu machen. Den Abiturienten, deren Bewerberzahlen in den letzten Jahren gesunken sind, zeigt er Aufstiegs- und Weiterbildungschancen auf. Mädchen ermutigt er besonders, sich zu bewerben – ihnen nennt er Betriebe, die gerne Frauen einstellen. Allen Jugendlichen rät Heller, möglichst ein Praktikum zu absolvieren, am besten in Betrieben, die selbst ausbilden. Dass die Praktikazeugnisse – auch aus anderen Betrieben oder Branchen – unbedingt mit in die Bewerbungsmappe gehören, gibt Heller den Jugendlichen noch mit auf den Weg. Und den Chefs schärft der Lehrlingswart wiederum ein, dass sie Praktika anbieten sollen, damit sie die Bewerber im wahren (Berufs-) Leben kennen lernen und herausfinden, ob der Junge oder das Mädel auch ins Team passt. In seinem eigenen Betrieb hat Heller mit diesem Verfahren nur gute Erfahrungen gemacht.
Zwei bis drei Stunden pro Woche wendet Jürgen Heller für sein Ehrenamt in der Innung auf. Das Amt macht ihm so viel Spaß, dass es inzwischen zum Hobby geworden ist. „Ich habe gerne mit Menschen zu tun, organisiere gerne und mein Horizont hat sich durch das Amt stark erweitert.“ Dazu muss man wissen: Der Lehrlingswart ist seit Jahren auch auf Landes- und Bundesebene aktiv. Er ist Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses im Fachverband NRW und stellvertretender Vorsitzender im Bundesverband. Rund zwei Stunden pro Woche wendet er für diese Ebenen auf. Hier wird viel telefoniert, konferiert, Akten sind zu bearbeiten und auch Lobbyarbeit in der Politik gehört dazu. Die Flexibilität des Berufschuljahres ist beispielsweise ein aktuelles Thema, das mit den Politikern beraten wird. „Auch an der neuen Ausbildungsverordnung war ich aktiv beteiligt“, sagt Jürgen Heller. Mit dem Ergebnis der Verordnung ist er zufrieden. Auch mit seinem langjährigen Ehrenamt ist der 50-Jährige insgesamt sehr zufrieden. „Man bleibt als Lehrlingswart mit beiden Füßen auf dem Boden, denn man hat Kontakt zur Basis.“ Er kann das Amt seinen Kollegen nur empfehlen.
Claudia Schneider

Auf gute Zusammenarbeit

Tipps vom Lehrlingswart

Gute Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Betriebes. Wer Ausbildungsplätze anbietet, trägt nicht nur dazu bei, dass die Zukunft der Branche gesichert wird, sondern hat auch die Chance, den Nachwuchs gezielt für den eigenen Betrieb auszubilden. Doch wie findet man geeignete Lehrlinge? Und wie klappt eine gute Zusammenarbeit? Lehrlingswart Jürgen Heller rät Meistern und Ausbildern auf Folgendes zu achten:
  • Bewerbungsunterlagen gründlich durchschauen: Nicht nur auf Zeugnisnoten achten, sondern auch das „Kleingedruckte“ lesen, wie z. B. Versäumnistage und unentschuldigte Fehlstunden. Im Vorstellungsgespräch ruhig darauf eingehen und nachfragen.
  • Eignungstest beachten: Wird vom Landesverband ein Eignungstest angeboten – wie z. B. in Nordrhein-Westfalen – sollten die Betriebe Bewerber und Bewerberinnen zur Teilnahme auffordern bzw. auf das Testergebnis in den Bewerbungsunterlagen achten.
  • Praktikumszeugnisse lesen: Bewerber, die bereits ein Praktikum absolviert haben – egal ob in der eigenen oder in einer fremden Branche – belegen generell, dass sie engagiert sind. Falls ein aussagekräftiges Praktikumszeugnis vorliegt, hilft dies, den Bewerber näher einzuschätzen.
  • Selbst Praktika anbieten: Ein Vorstellungsgespräch ist immer nur eine Momentaufnahme. Um herauszufinden, ob der potenzielle Bewerber bzw. die Bewerberin wirklich für den Ausbildungsberuf geeignet ist, bieten sich Praktika an. Das kann ein mehrtägiges Schnupperpraktikum sein, oder noch besser ein mehrwöchiges Praktikum. Ausbildungswart Jürgen Heller rät seinen Kollegen, auch viel versprechende Bewerber mindestens ein, zwei Probearbeitstage leisten zu lassen.
  • Auf Teamfähigkeit achten: Der intelligenteste und fleißigste Auszubildende nützt nichts, wenn er nicht ins Team passt. Um das zu überprüfen reichen meist schon zwei, drei Probearbeitstage. Danach sollten alle Mitarbeiter kurz ihr Urteil abgeben.
  • Auf gemischte Teams setzen: Betriebe, die mehrere Auszubildende haben, sollten auf eine gute Mischung achten, indem sie möglichst alle Schulformen berücksichtigen, jüngeren und älteren Jugendlichen eine Chance geben und auch Frauen einstellen. Das sei gut fürs Betriebsklima und sorge für einen unterschiedlichen Erfahrungsschatz.
  • Ständig im Dialog bleiben: Ist das Ausbildungsverhältnis zustande gekommen, soll eine möglichst reibungslose und erfolgreiche Zusammenarbeit folgen. Das klappt, wenn Ausbilder und Auszubildende miteinander reden: über Ausbildungsinhalte, aber auch mal über private Dinge. Ausbilder oder Meister müssten auch mal ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Azubis haben.

  • Der Lehrlingswart

    Info

    Der Lehrlingswart wird von der Innungsversammlung gewählt. Er nimmt die Aufgaben der Innung nach § 54 (1) der Handwerksordnung wahr. Das Amt wird ehrenamtlich ausgeübt. Wer sich zum Lehrlingswart wählen lassen möchte, muss Mitglied der Innung sein und Geselle oder Meister. Das Amt hat folgende Tätigkeitsschwerpunkte:
    • 1. Ausbildungsqualität verbessern (z. B. durch Aufklärungsarbeit, Regeln und Überwachen der Lehrlingsausbildung, Mitarbeit an Ausbildungsverordnungen)
    • 2. Konflikte managen
    • 3. Nachwuchswerbung – Marketing für die Berufsausbildung
    • 4. Informieren und beraten
    • 5. Hilfe beim Abschluss des Ausbildungsvertrags
    • 6. Aufbau von Know-how unterstützen
    • 7. Lobbyarbeit in der Politik
    • 8. Netzwerkarbeit
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