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Selbstwertgefühl steigern

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Selbstwertgefühl steigern

Selbstwertgefühl steigern
In kleinen Schritten wird den Jugendlichen der Umgang mit Kleinmaschinen erklärt und näher gebracht
Montagmorgen in der Holzwerkstatt der Max-Eyth-Schule in Alsfeld/Hessen: Peter, der in der Sonderschule zwar viel gelernt hat, aber Angst davor hat, ständig auf Klügere, Fähigere zu treffen. Und Mike, der in einer Drogentherapieeinrichtung lebt, mittlerweile “clean” ist und vor allem aus seinem sozialen Milieu aus- und aufsteigen will, beginnen den Schultag zusammen mit acht weiteren Jugendlichen. So auch Sergej, der nie nach Deutschland wollte, aber auch nicht gefragt wurde oder Ahmed, der auch seine Heimat verloren hat, aber im Asylverfahren eine neue Chance sieht. Die Holztechnik-Produktionswerkstatt mit Jugendlichen in der E.I.B.E.-Maßnahme an der Max-Eyth-Schule geht ins dritte Jahr. Mit Fördermitteln aus dem Sozialfond der Europäischen Union (ESF) wird diese Einführung in die Berufs- und Arbeitswelt für benachteiligte Jugend-liche an vielen Beruflichen Schulen in Hessen und anderen Bundesländern durchgeführt.

Die Namen und der persönliche Hintergrund der Schüler sind austauschbar und wechseln. Gemeinsam ist ihnen aber, dass die deutsche Sprache kompliziert und unbequem ist; sie sich nur mühsam – schriftlich sehr mühsam – ausdrücken können. Sie haben noch keine Nische in der Gesellschaft gefunden und schätzen oft die Suche nach einem Platz, der über Schule und Ausbildung zu erreichen ist, von vornherein als aussichtslos ein.

Viele positive Erfahrungen, die Selbstbewusstsein und Stolz begründen können, haben sie in der Regel in den ersten 15 bis 20 Jahren ihres Lebens noch nicht gemacht. Die Schule gehörte zumindest selten zu solchen Positiv-Posten. Einen wichtigen Mosaikstein im Prozess der Integration, Motivation und Allokation mit dem Ziel, diesen Jugendlichen einen Weg in eine existenzsichernde und sinnstiftende Arbeit zu zeigen, stellt die Holztechnik-Produktionswerkstatt dar.
Qualität ist gefragt
Vier Produkte stehen im Mittelpunkt der laufenden Produktion: Bilderrahmen, Würfelbretter, ein Kugel-Labyrinthspiel und Nuss-knacker. Viele unterschiedliche Arbeitsschritte sind notwendig, um aus den Bohlen im Holzlager die fertigen Lernobjekte herzustellen, die über den schuleigenen Förderverein vermarktet werden. Je nach Stückzahl kommen da schon ein paar Euro heraus. Dabei ist Qualitätsarbeit gefragt und die Kontrolle ist streng. Nur verkaufbare Produkte verlassen die Werkstatt, das ist von Anfang an bekannt. Der Produktionsablauf ist situativ strukturiert. Er wird stark von den individuellen Kenntnissen und Fertigkeiten der Jugendlichen bestimmt. Der Lernanteil hat einen hohen Stellenwert, die Gewinnorientierung ist dem nachgeordnet. Morgens, wenn die Jugendlichen kommen, werden sie von den Lehrern in einer Sitzrunde begrüßt und die Arbeit wird im Konsensprinzip nach den Interessen der Jugendlichen eingeteilt. Da gibt es Vorlieben für bestimmte Arbeiten, aber auch Abwechslung, um jedem eine Basisqualifikation im Umgang mit Handwerkszeug und Maschinen zu vermitteln.
Die Regeln der Holzwerkstatt sind denen in einem Handwerksbetrieb angelehnt. Wer fehlt, muss sich noch am Morgen telefonisch melden, sonst wird angerufen und der Verbleib überprüft. Das ist für den Betroffenen unangenehm, genau wie die Einzelgespräche, die bei unentschuldigtem Fehlen zwangsläufig folgen. Die Schüler können sich nicht mehr verstecken und geraten in Situationen, in denen sie sich stellen und benennen müssen, welche Ziele sie verfolgen und was ihnen wirklich wichtig ist. Solche Zielformulierungen können auch schriftlich fixiert unterschrieben werden. Sie bilden die Grundlage für ein Folgegespräch, in dem Erfolge konstatiert, Misserfolge reflektiert und Lösungswege entworfen werden (Förderplanarbeit). Jeweils zwei Jugendliche sind verantwortlich für die “Buchführung”. Das bedeutet, sie beobachten den Verlauf der Arbeitsschritte an den einzelnen Produkten bis zur Fertigstellung und führen in einem Computer mehrere Excel-Dateien, mit denen Stückzahlen und anstehende Arbeitsschritte erfasst werden. Auch die neuen Medien werden so in die Qualifikation mit einbezogen.
Dokumentation
Neben den eigentlichen Produkten entsteht im Verlauf des Jahres in Form einer Einzelblattsammlung eine Dokumentation des gesamten Produktionsprozesses, von der Bohle aus dem Holzlager bis zum verkaufsfähigen Produkt. Jeder Einzelschritt wird durch die Schüler auf einem zur Erleichterung vorformatierten Bogen zunächst handschriftlich beschrieben. Abgefragt werden Maschinen, Werkzeug und Materialeinsatz, die einzelnen Arbeitsschritte und besonders zu beachtende Punkte (Sicherheit, Materialbehandlung, Kniffe und Kunstgriffe …). Zusätzlich werden die Abläufe digital fotografiert und werden Teil von Arbeitsberichten, die ebenfalls am PC in der Werkstatt und z. B. im Deutsch-unterricht erstellt werden.
Die mit anderen Schülern oder dem Lehrer überarbeiteten Dokumentationsbögen werden in den PC übertragen, ein Foto oder eine Zeichnung angefügt und präsentationsgerecht formatiert. So können die Schüler eine professionell und selbst gestaltete Präsentationsmappe wachsen sehen.
Die Bedeutung der eigenen Tätigkeit wird deutlicher und kann unmittelbar gesehen werden, die Identifikation mit der Arbeit nimmt zu. Übungen zum schriftlichen Ausdruck finden hierbei nicht im “Sandkasten” statt, sondern haben einen klaren Auftrag der Gesamtgruppe und führen schnell zu Erfolgserlebnissen. Dass so auch Vorübungen für das später zu führende (meist ungeliebte) Berichtsheft absolviert werden, ist ein durchaus gewünschter Nebeneffekt.
Am Ende des Vormittags muss jeder Schüler auf dem gemeinsamen, offen ausliegenden “Stundenzettel” stichwortartig seine jeweilige Tätigkeit dokumentieren. Das erhöht die soziale Kontrolle und “Faulenzer” müssen sich zumindest fragen, ob sie selbst mit ihrem Tagwerk zufrieden sein können. Der Stundenzettel ist aber dabei kein Prüfinstrument um Leistungen zu bewerten, sondern spiegelt den Teilnehmern ihre Mitwirkung am Projekt.
Praktische Tätigkeit in Sprache übertragen
Die Beschreibung der am Praxistag ausgeführten Arbeitsgänge wird im Deutschunterricht mit der Klassenlehrerin aufgearbeitet. Die Erfahrung zeigt, dass den Jugendlichen die Umsetzung der handwerklichen Schritte in aufeinanderfolgende und nachzuvollziehende schriftliche Beschreibungen zu Beginn sehr schwer fällt, sie jedoch mit der Zeit Übung darin bekommen, diese Schritte in ihrem Kopf zu sortieren und in eine logische Reihenfolge zu bringen. Ein Beispiel dafür ist die im Deutschunterricht entwickelte Formulierung von Spielregeln für Würfelspiele direkt aus dem Spielgeschehen heraus. Die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler ist es beispielsweise, aus dem bereits gut erlernten und praktizierten Spiel heraus, eine klar strukturierte und logische Spielanleitung zu formulieren, die an andere Schü-lergruppen weitergegeben werden kann. Auch hier wird – wie bei den Arbeitsberichten – die praktische Tätigkeit in die Sprache übertragen, das aktive Tun ist Basis für den handlungsorientierten Spracherwerb.
Werte schaffen
Über den Einkauf der Rohstoffe bis hin zum fertigen Produkt lassen sich die Kosten über Rechnungen der Zulieferer (z. B. Sägewerk, Baumarkt) exakt ermitteln. Die verkauften Produkte werden über den schuleigenen Förderverein buchungstechnisch abgewickelt. Der Verkauf erfolgt in regionalen Geschäften oder an private oder gewerbliche Interessenten im Umfeld der Schule, bei-spielsweise an Tischlerwerkstätten, die ihren Kunden Werbegeschenke zukommen lassen und damit auch für ihr Handwerk werben.
Alle Vorgänge werden den Jugendlichen transparent gemacht und in dafür vorgesehenen Un-terrichtseinheiten (z. B. Mathematik, Deutsch) oder bei aktuellen Anlässen (z. B. Materialanlieferung oder Einkauf) aufgearbeitet. Damit wird ein weitgehend selbstbestimmter und praktischer Bezug zu den Inhalten ermöglicht und die Schaffung von Werten durch die Arbeit der Jugendlichen nachvollziehbar. Der erwirtschaftete Gewinn wird in Materialeinkäufe, in die Anschaffung von Werkzeugen und Kleinmaschinen und natürlich in ein Klassenfest oder in eine Klassenfahrt investiert. Die Erfahrung, in einer Arbeitsgruppe Produkte hergestellt zu haben, die für andere Jugendliche oder Erwachsene einen hohen Gebrauchswert haben, stärkt das Selbstwertgefühl der Jugendlichen enorm und motiviert für weitere Projektarbeiten.
Solche Erfolgserlebnisse – verbunden mit einer positiven Selbsterfahrung – öffnen die Jugendlichen zunehmend für weitere Lernprozesse und fördern ihre Sozialkompetenzen. Derart erworbene Kompetenzen ermöglichen die bewusste Wahrnehmung eigener Stärken und Schwächen, lassen Achtung vor Stärken und Schwächen anderer zu. Nicht die Lehrenden setzen hier Grenzen, sondern das Material und der geschickte und konzentrierte Umgang damit. Lernen wird zu einer Herausforderung am Material und an der Herstellung der Objekte. Mit zunehmender Routine bei Herstellung und Vertrieb erfahren die Arbeitsgruppen den Sinn zielgerichteter Planung und Arbeit sowie den Wert ihrer Arbeitsleistung. Alle Schüler versuchen, möglichst gute Produkte herzustellen.
Mit der Zeit erkennen die Jugendlichen, wo ihre Stärken im Fertigungsablauf liegen. Gegen Ende des Schuljahres bilden sich in der Regel spezialisierte Kleingruppen für bestimmte Tätigkeiten heraus. Fragestellungen zu den Ausbildungsmöglichkeiten als Maler oder Schreiner verdeutlichen die individuellen Berufswünsche – zeigen Perspektiven der Jugend-lichen auf.
Rolf Daniel, Kerstin Dietrich und Arno Zierk, Alsfeld
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Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
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