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Tipps und Tricks zahlen sich aus

Bilanz eines Pilotprojektes für Frauen in NRW
Tipps und Tricks zahlen sich aus

Vor knapp vier Jahren erhielten die zwölf Teilnehmerinnen des Pilotprojektes „Erweiterung der betrieblichen Einsatzmöglichkeiten von Frauen im Tischlerhandwerk“ ihre Abschlussurkunde. Was ist aus den Teilnehmerinnen geworden? BM ist der Frage nachgegangen.

Kommen Sie besser erst, wenn die Mitarbeiter Feierabend machen“, hatte Friederike Jost vor demInterview gesagt, „dann haben wir etwas Ruhe.“ Seit zwei Jahren arbeitet die 40-Jährige „selbst und ständig“ – mit ihrem Kollegen Koray Sepicioglu hat sie die alteingesessene Essener Schreinerei Hanses übernommen. Den Betrieb gibt es seit 1933. Ein Hauch von Nostalgie weht durch die Hinterhofwerkstatt, die sich mitten in einem Wohngebiet befindet. Bei aller Liebe zur Tradition: Der Betrieb muss technisch und optisch auf den neuesten Stand gebracht werden, meinen die beiden Jung-unternehmer.

Ihr Arbeitstag ist mindestens zwölf Stunden lang – wenn die drei Gesellen und der weibliche Lehrling um 17 Uhr nach Hause gehen, schuften die beiden weiter. Die Auftragsbücher für ihren „anspruchsvollen Innenausbau“ (Möbel, Türen, Büroeinrichtungen) sind gut gefüllt. Daneben kostet die Renovierung des Betriebes, der Kauf neuer Maschinen, die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter und die Verwaltung viel Zeit.
„Ich hatte mir die Verwaltungsarbeit nicht so komplex vorgestellt“, gibt Friederike Jost zu. Obwohl sie bereits vor der Übernahme des Betriebs acht Jahre lang selbstständig war und den „Papierkram“ erledigen musste. Aber damals hatte die Tischlermeisterin keine eigene Werkstatt, sondern konnte ihre Aufträge als Untermieterin in ihrer ehemaligen Ausbildungsfirma erledigen. Genauso wie ihr Geschäftspartner Koray. Weil ihnen der Untermietvertrag gekündigt wurde, mussten sie sich etwas anderes überlegen. Ihren eigenen Betrieb haben sie so organisiert, dass sich der 34-jährige Koray stärker um die Mitarbeiter und Produktion kümmert, während Friederike tagsüber das Büro managt.
Dabei kommen ihr die Kenntnisse zugute, die sie während der zweijährigen Tischlerinnen-Weiterbildung erworben hat. „Zum Beispiel zahlen sich die Tipps und Tricks aus dem Seminar Telefonmarketing und Kundengespräche aus“, meint sie. Dass sie beim Computerkurs damals nicht so richtig mitgekommen ist – „ich hatte keine Vorkenntnisse“ – findet sie im Nachhinein betrachtet schade. „Ich muss da ‘was machen“, gesteht die Essenerin.
Zufrieden mit ihrer Stelle
Sigrun Schlienz aus Bochum hat schon etwas aus ihren CAD-Kenntnissen gemacht. Während der Fortbildung hatte sie sich besonders in den Bereich Freihandzeichnen und CAD vertieft. „Der wirtschaftliche Teil war nicht so mein Ding“, meint die 32-Jährige. Deswegen will sie sich auch nicht selbstständig machen. Die Gesellin ist zufrieden mit ihrer Stelle in den Werkstätten Dickerhoff in Bochum. Die Weiterbildungsmaßnahme hat ihr dort zu einer „idealen Position“ verholfen: „Ich bin in der Arbeitsvorbereitung tätig, habe also eine Schnittstelle zwischen den Gesellen und dem Meister.“ Ihre Aufgabe sei anspruchsvoll, zukunftsträchtig „und ohne schwere Schlepperei“, erklärt Sigrun Schlienz. Diesen Job könne sie sicherlich bis zur Rente ausüben – die Arbeit in der Werkstatt oder auf der Baustelle sei dagegen selbst für Männer mit zunehmendem Alter hart.
Der Chef war stinksauer
Während bei Friederike Jost und Sigrun Schlienz Kinder nicht zur Zukunftsplanung gehören, stand der Kinderwunsch bei Rosemarie Adolph immer ganz oben. Während der Weiterbildung wurde sie schwanger. Ihr damaliger Chef und Lehrherr Fritz Wachs hatte Verständnis für die werdende Mutter, aber weiterbeschäftigen konnte er sie während der Schwangerschaft nicht. „Es gab noch keinen PC im Betrieb, darum konnte ich meine CAD-Kenntnisse nicht anwenden“, erklärt die heute 32-Jährige, bei der das Schicksal unerbittlich zugeschlagen hat. Mit zehn Monaten stirbt ihr Sohn Florian am plötzlichen Kindstod. Um den Schock zu überwinden, stürzt sie sich in die Arbeit – in einem neuen Betrieb in Recklinghausen. Dort kann sie CAD-Planung mit der Arbeit in der Werkstatt kombinieren. Bis auf die langen Arbeitszeiten gefällt es ihr im Betrieb. Das gute Klima verändert sich schlagartig, als Rosemarie noch einmal schwanger wird. „Der Chef war stinksauer. Tat so, als ob ich ihm bei der Einstellung meinen Kinderwunsch verschwiegen hätte“, erzählt die junge Frau, der man noch ihre Wut und Enttäuschung anmerkt.
Lebensmittelpunkt ist zur Zeit die Familie. Töchterchen Laura ist anderthalb Jahre, zum Glück gesund und ein richtiger Sonnenschein. Vielleicht bekommt sie noch ein Geschwisterchen, „wir haben unsere Familienplanung noch nicht abgeschlossen.“ Ob und wann sie wieder als Gesellin arbeiten wird, steht noch in den Sternen.
Sprung ins kalte Wasser
Nur Hausfrau und Mutter sein, das will Heike Bunde nicht. Obwohl ihre Tochter (4) und ihr Sohn (2) sie ganz schön auf Trab halten. Die 31-Jährige, die in Sprockhövel am Rande des Ruhrgebiets wohnt, hat während ihrer Schwangerschaft ebenfalls schlechte Erfahrungen mit ihrem damaligen Chef gemacht. „Als es darum ging, Mutterschutz und Arbeitsbedingungen unter einen Hut zu bekommen, gab’s ein paar Unstimmigkeiten.“ Arbeiten wollte Heike Bunde aber trotzdem, deswegen führt sie freiberuflich Aufträge im Bereich Qualitätsmanagement aus. „Ich bin auf diesem Gebiet ins kalte Wasser gesprungen.“
Heute arbeitet die junge Mutter unter anderem freiberuflich in der Haltener Firma Müther, die vor allem Wintergärten herstellt. „Durch die Fortbildung bin ich an diesen Job gekommen“, sagt die junge Mutter. Ihr macht es Spaß, im Betrieb Fehler aufzuspüren und zu beseitigen. Manche Lösungen liegen auf der Hand – trotzdem ist vorher noch niemand darauf gekommen. Etwa, dass es so häufig zum Glasbruch kam, weil die langen Scheiben auf zu kurzen Böcken lagen.
Die Kontakte pflegen
Als Heike Bunde das beim letzten Treffen der Kursteilnehmerinnen erzählte, haben sich alle köstlich amüsiert. Die zwölf Frauen treffen sich noch immer regelmäßig alle drei Monate, um in lockerer Runde über ihr Berufs- und Privatleben zu plaudern. „Der Austausch ist eine große Bereicherung“, findet Friederike Jost. „Diese Sozialkontakte sind sehr wichtig“, meint auch Sigrun Schlienz, „da bekommt man überhaupt mal mit, dass es auch Frauen in dem Beruf gibt, die ähnliche Probleme haben.“
Das Netzwerk ist erst durch die Fortbildung entstanden. Vorher waren die Tischlerinnen alle „Einzelkämpferinnen“. Heute halten die Kontakte selbst über Branchen- und Ländergrenzen hinweg: Eine Teilnehmerin arbeitet in Österreich als Gesellin, eine Meisterin ist Abteilungsleiterin in einem Düsseldorfer Einrichtungshaus, eine studiert, zwei Tischlerinnen arbeiten in der Jugendberufsförderung bzw. Behindertenwerkstatt, eine Ehemalige ist Netzwerkbeauftragte bei einer Bank in Frankfurt.
Rückblickend sind alle Frauen zufrieden, dass sie an der Weiterbildung teilgenommen haben. Auch wenn nicht jede das neue Wissen in die Praxis umsetzen konnte. Einig ist man sich: „Die Kurse haben Spaß gemacht. Aus jedem Seminar hat man etwas mitgenommen.“ Dass es in vielen Fällen nicht zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten in den Betrieben gekommen ist, liegt nach Meinung der Gruppe an den Chefs. „Wir haben Dinge gelernt, die in kleineren und mittleren Betrieben der Chef erledigt. Dinge, die ihn aus seiner Sicht nichts kosten – der Zeitfaktor bleibt dabei oft unberücksichtigt. Solange hier kein Umdenken stattfindet, werden sich die Chancen für Frauen im Betrieb nicht erhöhen.“
Claudia Schneider
Das Projekt
Das Pilotprojekt „Erweiterung der betrieblichen Einsatzmöglichkeiten von Frauen im Tischlerhandwerk“ (siehe BM-EXTRA Karriere 1998, S. 50) wurde von der Recklinghauser Kreishandwerkerschaft, dem Fachverband Holz und Kunststoff NRW und dem Zentrum Frau in Beruf und Technik in Castrop-Rauxel veranstaltet. Die Fortbildung, hatte zum Ziel, den Verbleib von Frauen im Betrieb zu erhöhen.
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