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Weniger, immer weniger

Entwurfsgeschichte(n) I
Weniger, immer weniger

Für sein eigenes Wohnzimmer plante Marcellinus Schäffauer ein Sideboard. Ziel war, ein ruhiges, schlichtes, harmonisches Möbel – unterteilt in fünf oder sechs Elemente. Um die waagerechte Reihung zu gliedern, sollte eines der Elemente anders gestaltet werden. Als Abdeckplatte war Glas vorgesehen, damit die innen liegenden Sammlerstücke präsentiert werden konnten. Während des Entwicklungsprozesses zeigte sich, wie schwer es ist, die richtige Gestaltung für das „Hervorheben eines einzelnen Elementes“ zu erarbeiten.

Zur Untergliederung oder Akzentuierung eines Elementes in einer Reihe gibt es verschiedene Möglichkeiten: Höhe, Tiefe, Material, Oberfläche, optische Linien …

Die Designerin Gudrun H. Hölzer erkannte sofort das Dilemma der ersten Entwürfe: Ihr Schüler beabsichtigte viel zu viel. Der Schlüssel zur guten Gestaltung sei, sich auf wenige Gestaltungsmerkmale zur Differenzierung zu beschränken: „Was einfach klingt, muss mühevoll erarbeitet werden. Mit jeder ausgearbeiteten Darstellung war mein Schüler hoch beglückt und „fertig“ – bis meine nervende Fragen ihn wieder „ins Unglück stürzten“ und er zu sehen begann, was eine Gestalterin sieht.“
Zu viele gestalterische Möglichkeiten
Entwurf 1: Der erste Entwurf entspricht nicht der Vorstellung eines ruhigen, horizontal betonten Möbels. Bei der Akzentuierung des mittleren Elements wurden zu viele gestalterische Möglichkeiten erprobt: Wechsel der Holzart, Überstand in der Höhe, Überstand in der Frontlinie, Überstand in der Bodenebene. Auch der Hell-Dunkel-Kontrast ist viel zu stark.
Alles in allem sind hier zu viele gestalterischen Möglichkeiten angehäuft worden – hier gilt es zu reduzieren und das einfachste und schönste Maß für die Akzentuierung zu finden. Da es keinerlei Bezüge zu den bestehenden Elementen links und rechts gibt, wirkt das Mittelteil trennend und fremd.
Das mittlere Element wirkt weiterhin trennend
Entwurf 2: Im zweiten Entwurf wurde durch die Holz-Glas-Streifen in den Türfronten die Waagerechte stärker betont. Diese Fertigungsidee ist eine fachliche Herausforderung. Das Möbel wirkt nun leichter und interessanter, jedoch ist das mittlere Element weiterhin trennend, fremd und unharmonisch, da die formalen Aspekte wie beim ersten Entwurf nicht geklärt sind. Nach wie vor ist Reduktion gefordert.
Versatz des Mittelteils ist nicht begründet
Entwurf 3: Jede Reduktion der gestalterischen Elemente bringt Klarheit, Ruhe und Verbesserung. Beim dritten Entwurf wurde auf den Wechsel der Holzart verzichtet. Die damit erzielte Durchgängigkeit verbindet. Allerdings sind die Proportionen nicht fein ausgelotet. Der Höhen- und Tiefenversatz des Mittelteils ist nicht begründet, die Frontaufteilung hat noch immer keinen Bezug zu den anderen Elementen. Gudrun H. Hölzer forderte weitere Alternativen ein.
Das runde Element wirkt fremd
Entwurf 4: Ein neues Element nahm Schäffauer in seinen vierten Entwurf mit hinein. Was damit entstand, wertet Gudrun H. Hölzer allerdings nur als scheinbar gute Lösung: „Grundsätzlich ist die Kombination von unterschiedlichen Basiskörpern zwar möglich. Die Rundung in der Vorderfront wirkt auch geschmeidiger in Bezug auf den Gesamtkörper, letztlich wirkt die „Tonne“ aber dennoch fremd und hineingesetzt. Es gibt formal keine „Geste des Empfangs“, keine „Antwort“ des Gesamtkörpers.“ Hölzer fordert das Einfachste: den Höhen- und Tiefenversatz des Mittelteils zu hinterfragen und zeichnerisch als Alternative zu visualisieren. Das aber scheint das Schwierigste.
Weglassen ist die Kunst des „Guten Gestaltens“
Entwurf 5: Beim Entwurf 5 ist sie erleichtert: Endlich wurde radikal reduziert. Die Kunst des „Guten Gestaltens“ sei das Weglassen.
Bei diesem Entwurf wurde der Höhen- und Tiefenversatz hinterfragt. Lange hatte Schäffauer daran festgehalten. Das Loslassen sei wohl schwierig gewesen. Dafür entspricht das Möbel nun dem ursprünglich anvisierten Ziel: einfach, schlicht, klar, logisch, unaufdringlich, betonte Waagerechte mit einem Mittelelement, das die Reihe harmonisch gliedert. Die Lage der Griffe nimmt Bezug auf und unterstreicht eine durchgängige Linienführung.
Ein anspruchsvolles Möbel präsentiert sich
Das Endergebnis: Nach vielen Höhen und Tiefen präsentierte sich am Ende ein anspruchsvolles, eigenständiges Möbel aus europäischem Kirschbaum: „Intendo“ (lateinisch: ich strecke aus) heißt es.
Nun mag einer denken: Warum hat er’s nicht gleich so gemacht? … tja … Entwerfen heißt: Im Designprozess lernen: Loslassen von Festgefahrenem, ständige Hinterfragung und Alternativenbildung, sowie Reduktion auf das Wesentliche. Und die Designerin freut sich mit dem Schüler: „Ein schönes Ergebnis nach intensiver Entwurfsarbeit. Glückwunsch!“
Marcellinus Schäffauer war im Jahr 2002 Schüler an der Meisterschule Schwäbisch Hall. (ra)
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