Handwerk und E-Commerce – die Situation ist mehr als bedenklich. Insbesondere, wenn man nicht nur die wenigen guten Einzelbeispiele und den teilweise mit großem finanziellem Aufwand betriebenen Aktionismus von Handwerksorganisationen betrachtet. Bedenklich auch, wenn man in die Breite geht und so etwas wie eine Strategie, eine konzertierte Aktion oder gar eine der Problematik angepasste Aufbruchstimmung sucht.
Die Gründe dafür sind vielgestaltig: Ganz oben steht eine geringe Sensibilität auf einzelbetrieblicher Ebene: Häufig nämlich endet die E-Business-Phantasie mit ein paar bunten Bildern der Firmen-Internetpräsentation. Die weitergehenden Schritte sind den wenigsten bekannt oder für viele nicht von Interesse:
• Interaktion mit Geschäftspartnern
• Aufbau von Verkaufs und Transaktionsprozessen
• Adaption von E-Commerce in die betrieblichen Entwicklungs-, Planungs-, Beschaffungs-, Produktions-, Vertriebs- und Finanzierungsprozesse
• Virtuelle strategische Allianzen.
Viele Entscheidungsträger – haupt- oder ehrenamtlich – in berufsständischen Organisationen unterstützen die oben beschriebene Einstellung oder gehen zumindest nicht massiv dagegen an.
Neue Geschäftsmodelle brechen häufig mit Traditionen und Erfahrungen. Die Innovationen liegen im Bereich der Informations- und Datenverarbeitung – ob dafür der heutige Teil 3 der Meistervorbereitungskurse eine gute Vorausetzung ist? – und in einer Überschreitung der Betriebsgrenzen, beispielsweise durch strategische Allianzen oder Kooperationen.
Die IT-Branche kümmert sich leider noch herzlich wenig um den tatsächlich sehr speziellen Wirtschaftssektor Handwerk.
Förderprogramme gibt es, allerdings mit – je nach Bundesland – erheblichen qualitativen und quantitativen Unterschieden. Dazu kommt, dass bei Förderprogrammen zwischen Ausschreibung und Genehmigung auch mal mehr als ein Jahr vergehen kann. Gerade im Handwerk sind viele kleine, unspektakuläre und flexible Projekte mit unsicherem Ausgang notwendig. Förderprogramme oder deren Verwalter wollen aber spektakulär, großartig, erfolgsorientiert und im Wortlaut des Ausschreibungstextes arbeiten.
Es findet kaum eine problembezogene Verzahnung der Akteursgruppen und Bereiche statt (Produktionskette, Zulieferkette, Schulen, Betriebe, Politik, IT-Branche, Handwerksorganisationen. u. a.). Es mangelt schlicht an der erforderlichen Aufbruchsstimmung. Wir haben deshalb vor drei Jahren begonnen, eine E-Commerce-Strategie zu entwickeln und umzusetzen, die fünf Bereiche umfasst:
• Intern: Komplette Vernetzung im Haus. Aufbau einer Internetinformations- und Dienstleistungsplattform für die Mitglieder; Ausbau der virtuellen Dienstleistungen (elektronischer Lehrvertrag, Betriebsbörse, Broschürendienst, Weiterbildungsmarktplatz, Lehrstellenbörse u. v. m.)
• Allgemeinbildende Schulen: Wettbewerb „Zeitreise“ Handwerk, Projektgruppen, unterrichtsbegleitende Maßnahmen, Schule und Betrieb u. a.
• Berufliche Ausbildung: Lernortkooperationsprojekte, Lerninseln, Schnittstelle zum L3Projekt der Bundesregierung, Einsatz und Entwicklung von multimedialer Lernsoftware
• Berufliche Weiterbildung: EU-Projekt ELDIH zur Sensibilisierung und Schulung im IT Bereich (hier wurden über 1000 Betriebe in die IT Welt eingeführt um zu vermitteln, dass diese Thematik etwas mit ihrer betrieblichen Zukunft zu tun hat; Einsatz von multimedialer Lernsoftware und Realisierung internetbasierter orts- und zeitunabhängiger Weiterbildungskurse; Weiterbildung unter dem Aspekt „vom content zum context“, u. a.
• Betriebs- und Organisationsprojekte: EU-Projekt virtuelles Beratungsnetz CoCotel, virtueller Schreinerbetrieb, regionale Portale, Aufbau von Communities, PR-Aktion Handwerk und E-Commerce, Einbindung der regionalen IT-Branche, u. v. m.
Dipl.-Ing. Wolfram Seitz-Schüle, Geschäftsführer eines Dienstleistungs- und Projektzentrums der Handwerkskammer-Freiburg.
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