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Auferstanden

Entwürfe aus dem Bauhaus in die heutige Zeit übertragen
Auferstanden

Möbelstücke wie aus dem Lehrbuch: klassische Verbindungen, schlichte Gestaltung, traditionsreiches Material. Auszubildende der Deutschen Werkstätten Hellerau haben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau Entwürfe aus den Zwanziger-Jahren in die heutige Zeit übertragen. Anna-Katharina Ledwa 

I Ein Hocker und der dazu passende Tisch. Doch nicht irgendein Hocker, nicht irgendein Tisch. Diese Stücke sind gewiss nicht im Möbelhaus zu finden. Hannes Meyer, der zweite Direktor des Bauhauses, hatte die Möbel Anfang des 20. Jahrhunderts für sein Konzept der „Volkswohnung“ (siehe Kasten) konzipiert. Dabei ging es ihm um bedingungslose Nützlichkeit, ein Minimum an Materialeinsatz und höchste Flexibilität der Möbel. Also: Ein Visionär, zwei Möbelstücke, sechs Lehrlinge und zehn Tage – ein lehrreiches und spannendes Projekt unter Leitung von Tobias Kandt, Deutsche Werkstätten Hellerau, nahm seinen Lauf.

Eintauchen in die Geschichte
Probleme wie fehlende Maßangaben und unzureichende Material- und Oberflächenbeschreibungen waren nicht die einzigen Hürden, welche die Auszubildenden Alexandra, Hermine, Manfred, Eric, Johannes und Josef überwinden mussten. An den ersten beiden Projekttagen durften sie im Archiv der Stiftung Bauhaus Dessau tief in die Geschichte eintauchen und wurden in die Zeit des Bauhauses versetzt. Zurück in den Deutschen Werkstätten Hellerau ging es an die praktische Arbeit. Sie analysierten einen in der Sammlung der Stiftung vorhandenen Hocker, der fast der Originalzeichnung entspricht, dazu Typenblätter und Fotografien, recherchierten zu den damals verwendeten Materialien und fertigten Werkszeichnungen.
Die Umsetzung des Tisches war am schwierigsten, da kein Modell überliefert war und die einzigen Maße die Gesamthöhe, -breite und -tiefe waren. Die Auszubildenden mussten somit Entscheidungen über die Maße, wie Materialdicken, und das Material treffen und die Vorgehensweisen sorgfältig abwägen.
Das verwendete Material, Eiche, war eines der sogenannten „Idealhölzer“ des Bauhauses. Als Tischplatte entschied man sich für eine 19-mm-Stäbchenplatte, die mit 1,5 mm Starkfurnier belegt werden sollte.
Zeitlos funktional
In der zweiten Woche ging es dann an die Möbelfertigung. Fünf Tage, um einen Hocker mit Tisch im Stil des Bauhauses, nach den Vorlagen aus dem Archiv und gemäß den Möglichkeiten und Kenntnissen der heutigen Zeit unter Aufsicht ihres Lehrmeisters Thomas Redweik zu bauen.
Sowohl der Tisch als auch der Hocker haben eine Gestell-Konstruktion aus vier miteinander verbundenen „U“s, wie es die Azubis nannten. Dieses Gestell bildet zugleich das Hauptkonstruktionselement und das wesentliche Gestaltungsmerkmal, welches Tisch und Hocker verbindet. Ein U, welches aus zwei senkrechten und einem Querstück besteht, ist klassisch mit Schlitz und Zapfen verbunden. Diese wurden mit der Maschine gefertigt, nicht wie damals von Hand.
Beim Tisch werden die Us untereinander mit Bettbeschlägen verbunden, was eine schnelle Montage und hohe Stabilität garantiert. Dank dem Fortschritt in der Maschinentechnik müssen auch die Bettbeschläge nicht mehr von Hand eingestemmt werden. Zudem hat die Gruppe den Bauhaus-Grundsatz „Form Follows Function“ im Blick behalten: Der Tisch kann schnell auf- bzw. abgebaut werden. Auch ist er bequem anzufassen und hin und her zu tragen.
Um die Us der Hocker zu verbinden, sind Maschinenschrauben aus Messing mit Muffen verwendet worden – markanter, eleganter und haltbarer als die einfachen Holzschrauben aus Eisen des Originals. Da die Verbindung von Tischplatte und Gestell nicht dokumentiert war, nahmen die Azubis auch hier Maschinenschrauben und Verbundmuffen.
Manches ist noch besser als früher
Die Sitzfläche des Hockers war ursprünglich aus sogenanntem Eisengarn, einem sehr robusten Baumwollgewebe, dessen Fäden in Stärke, Paraffin und Wachs getränkt, mehrfach verzwirnt und stark gespannt zu sehr reißfestem Garn verarbeitet wurden. Da das Material heute nicht mehr hergestellt wird, entschied sich das Team für einen reißfesten Acrylstoff, der hauptsächlich im Außenbereich eingesetzt und für Markisen und Gartenmöbel verwendet wird. Der Stoff wurde dem Original entsprechend an der Innenseite des Querholms mit Nägeln befestigt.
Bei der Oberflächenbehandlung entschied sich die Gruppe statt der sehr aufwendigen Schelllackoberfläche des Originals für ein Hartwachsöl. Die Möbel werden dadurch kratzfester und widerstandsfähiger gegenüber den Vorbildern. Wenn Hannes Meyer das schon damals gehabt hätte …
Zurück zu den Wurzeln
Doch wofür das Ganze? Hocker und Tisch wurden in einer Ausstellung gezeigt, mit der die Stiftung Bauhaus Dessau vom 22. Mai bis zum 4. Oktober 2015 die Gestaltungsprinzipien des Architekten und zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer würdigte. Und warum gerade die Deutschen Werkstätten Hellerau? Das traditionsreiche Unternehmen wurde zur Zeit des Deutschen Werkbundes gegründet. „Mit diesem Projekt wollten wir noch einmal zurück zu den Wurzeln, zu dem Punkt: schlichte Möbel für jedermann“, fasst Lehrmeister Thomas Redweik die Idee zusammen. Im Gegensatz zu der sehr handwerklichen Ausrichtung der Tischlerei in ihren Anfängen engagieren sich die Werkstätten heute stark im Luxussegment. „In den Deutschen Werkstätten wird heute nur noch wenig mit Vollholz gearbeitet. In diesem Projekt haben wir erfahren können, dass das früher anders war“, erzählt Alexandra.
So konnten die sechs Auszubildenden im Frühjahr 2015 zufrieden und sichtlich stolz der Stiftung Bauhaus Dessau die Neuauflage präsentieren: Möbelstücke, die ein Stück deutsche Designgeschichte sind. I

Das Volkswohnungskonzept

Hannes Meyer vs. Walter Gropius

Mit seinem Entwurf der Volkswohnung hatte Hannes Meyer, Architekt und zweiter Direktor des Bauhauses, ein Gegenkonzept zu dem ersten Direktor Walter Gropius entworfen. Setzte Gropius bei Design und Produktion auf den gehobenen Möbelbau und nahm die neue Mittelschicht von Angestellten und Intellektuellen als Zielgruppe ins Visier, so vollzog Meyer einen radikalen Kurswechsel hin zu bedingungsloser Nützlichkeit, Reduktion auf ein Minimum an Materialeinsatz und höchste Flexibilität der Möbel. Das heute so bekannte Stahlrohr der Bauhausmöbel war bei Hannes Meyer nicht mehr denkbar, da es viel zu teuer für einfache Arbeiter und das Wohnen am Existenzminimum war.
Günstige, zeit- und raumsparende Möbel waren das Credo von Hannes Meyer. Dazu zählten unter anderem klappbare Betten und die Eliminierung überflüssiger Laufwege bei der Küchenarbeit. Ebenso führte er Versuche mit Feuer und Säure durch, um die strapazierfähigste Möbeloberfläche zu erzielen. Allerdings fanden die Möbel der Volkswohnung – im Gegensatz zu Stoffen und Tapeten – keine Anhängerschaft und nur wenige Objekte wurden mit ihnen ausgestattet. Ein Beispiel ist die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau bei Berlin.

Die Autorin

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Anna-Katharina Ledwa ist Tischlerin und Projektgestalterin (HWK), arbeitet als Gesellin und entwickelt nebenberuflich eigene Produkte.
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