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Dr. Jekyll und Mr. Hyde vs. CNC-Holzfräse

Theatertischlerei Dortmund bringt mit moderner Technik Kulissen auf die Bühne
Dr. Jekyll und Mr. Hyde vs. CNC-Holzfräse

Die Vorlage für das Schauspiel Jekyll und Hyde ist alt. 1886 erschien die Novelle. Doch das Bühnenbild dafür wurde mit den neusten Möglichkeiten der Maschinentechnik angefertigt. Seit etwa einem Jahr steht eine CNC-Holzfräse in der Produktion der Dortmunder Theatertischlerei. Das Resultat: mehr Effizienz und ein ganzes Stück Arbeitserleichterung bei intuitiver Bedienung.

Anna-katharina Ledwa

Uwe Leiendecker hat viel zu tun. Etwas zu früh komme ich zu unserer Verabredung. Der Tischlermeister muss noch eben delegieren. Der 62-Jährige hat heute keine Zeit mehr fürs Tischlern in der Werkstatt. Dafür wurde er nicht eingestellt. Abläufe koordinieren, Projekte planen, Bestellungen machen. Das sind nur einige seiner Aufgaben. Uwe Leiendecker leitet die Theatertischlerei des Theater Dortmund. Vor acht Jahren hat er hier angefangen und seitdem einiges umgekrempelt. Erfahrung im Theaterbereich, das ist nicht wichtig. „Gefühl fürs richtige Timing und die ganzen Abläufe braucht man in diesem Job“, betont Leiendecker. Und das hat er. 15 Jahre Selbstständigkeit, Erfahrung im Verkauf und in der Projektplanung. Es hat etwas gedauert, aber nach und nach hat er unter anderem den Maschinenpark erweitert, um die Produktion zu entzerren, Software für Materialplanung eingeführt, um den Zuschnitt zu optimieren und auf die digitale Termin- und Arbeitsplanung umgestellt. „Nur mit Bauchgefühl funktioniert das leider nicht“, stellt der Tischlermeister klar. Wo am Anfang eine einzige Formatkreissäge stand, an der sich die Arbeit gestaut hat, stehen jetzt neben einer weiteren auch eine digitale Tischfräse und, ganz neu, eine CNC.

Eine CNC fürs Theater

Seit Anfang März schmückt die CNC-Holzfräse Speed 3021 die Halle der Theatertischlerei. Warum ausgerechnet die CNC-Holzfräse? „Eine 5-Achs kam für unsere Bedürfnisse nicht infrage. Die Holzfräse kommt quasi aus der Nachbarschaft und da habe ich mich dann mal schlau gemacht“, beginnt Uwe Leiendecker. Vor etwa fünf Jahren haben Burkhard und Janina Bessler, Gründer der Firma CNC-Holzfräse, angefangen, eine Fräse für den eigenen Bedarf zu entwickeln. Heute produzieren sie ca. sieben Maschinen im Monat und haben schon mehr als 300 auf dem Markt. Alle auf Kundenwunsch. Die Maschine ist eine 3-Achs-Fräse und bearbeitet Platten bis zu einem Maß von 3000 x 2100 mm. „Auf Wunsch gibt es auch eine größere Bearbeitungsfläche“, betont der Firmengründer. Die Holzfräse ist eine CNC für Einsteiger und Fortgeschrittene. Selbst der Analogtischler kann sofort anfangen mit ihr zu arbeiten.

Schnell erste Ergebnissen erzielen und Erfolg haben, dazu braucht es nicht viel. Eine CNC-Holzfräse, ein paar Standardfräser und eine DXF-Datei mit den vorgegebenen Fräspfaden. „Die einfache Bedienung war für mich das ausschlaggebende Argument zum Kauf“, so Leiendecker, „bei uns können sechs Mitarbeiter die Maschine bedienen.“ Eine Einführungsschulung zwei bis drei Tage, ein wenig Hilfe von den Machern, danach konnte es losgehen. Heute läuft die Holzfräse 3 bis 4 Stunden täglich und das ist viel für die Theatertischlerei.

Vom Entwurf bis zur Maschine

Die Bühnenbilder, die nun auch mit der neuen Maschine gefertigt werden, zeigen einen Querschnitt durch alle Zeitepochen: Von Barock über Jugendstil bis hin zu moderner Gestaltung. Am Beispiel eines sechs Meter hohen Kirchenfensters des Bühnenbildes für Dr. Jekyll und Mr. Hyde führt mich Markus Knoch durch den Workflow von der Konstruktion bis zum gefrästen Werkstück. Markus Knoch ist seit 22 Jahren Geselle in der Tischlerei des Theaters Dortmund und hat die Umstrukturierung zur digitalen Fertigung mitgemacht. Er ist Fan der neuen Maschine. Am Anfang steht die Konstruktionszeichnung der Bühnenbilder, die von einer gesonderten Abteilung vorgelegt wird. „Wir bekommen eine DXF-Datei aus Mega CAD, die wir hier in Rhino 3D öffnen. Rhino ist unser CAD-Programm der Wahl“, erklärt Knoch. In Rhino werden dann die Bauteile in die Plattenmaße geschachtelt um den Verschnitt so gering wie möglich zu halten. Im Anschluss wird in Estlcam die Zuweisung der Werkzeuge und Bearbeitungen angelegt. „Ich weise den einzelnen Pfaden dann eine Bearbeitung zu, zum Beispiel „Ausschnitt“ oder „Tasche“ und dann wird noch das Werkzeug hinterlegt“, erklärt der geschulte Geselle. Am Ende wird alles als DIN-Datei inklusive der Information über die Materialstärke gespeichert und damit ist die Programmierung automatisch hinterlegt.

Vom USB-Stick zum Kirchenfenster

Mit dem USB-Stick geht es jetzt an die Maschine. „Im öffentlichen Dienst ist die Netzanbindung der Maschinen nicht erlaubt, daher dieser Zwischenschritt“, erklärt Leiendecker. Die Maschine ist mit einem vollflächigen Vakuumtisch ausgestattet, dessen Vakuumpads bündig eingelassen sind. Auf den Maschinentisch wird eine 5 mm HDF-Opferplatte gelegt und auf diese dann die zu bearbeitende Platte. Die maximale Bearbeitungsfläche ist 3000 mm x 2100 mm. Also wird das beeindruckende Kirchenfenster aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt. „Wir verwenden aus Gewichts- und Stabilitätsgründen nur Sperrholz und Tischlerplatte“, erklärt Leiendecker. Am Ende muss die Kulisse leicht auf- und abbaubar sowie verstaubar sein. Eine Plattenaufteilsäge brauchen die Theatertischler nicht. Hier übernimmt die CNC das Nesting. Die Frässpindel hat eine Aufnahme für ein Werkzeug. Dadurch sind die Rüstzeiten minimal und auch die Emissionen sehr gering. „Wo heute die CNC für uns arbeitet, haben wir früher per Schablone an der Tischfräse gearbeitet. Sehr arbeitsintensiv,“ blickt der Tischlermeister zurück. Da kann die Tischfräse jetzt natürlich einpacken! Während die CNC arbeitet, können Markus Knoch und seine Kollegen andere Dinge erledigen.

Präzise fährt das Werkzeug die Konturen ab und lässt mich am Ende durch hübsche Blumenfenster blicken. Währenddessen kann auf dem Monitor der Workstation natürlich alles mitverfolgt werden.

Die Theatertischler können auch klassisch

Während die Jekyll- und Hyde-Kulisse auf der Bühne ihren Dienst leistet, ist das neuste Projekt des Teams aus einer ganz anderen Kategorie. Die Einrichtung des Foyers im Schauspielhaus Dortmund: Thekenverkleidung der Bar, DJ-Pult und – als Herzstück – der Kassentresen für den Ticketverkauf. „Dieser Tresen ist mal ein klassisches Möbelstück. Hier durften wir Konstruktion und Detaillösungen selber in die Hand nehmen“, erzählt Leiendecker, „ wie in einer klassischen Tischlerei.“ Auch hier: ohne die CNC Holzfräse keine Chance! Die Gestaltung der Ansichtsfläche dominieren senkrecht angeordnete Leisten. Viele Leisten, die perfekt parallel und in immer gleichem Abstand zueinander platziert sind. „Die alle von Hand zu positionieren wäre verrückt gewesen“, schüttelt der Tischlermeister den Kopf. In Rhino 3D wird die Zeichnung erstellt. Markus Knoch und ein Kollege haben daran einige Stunden zu tun. Nach und nach werden Detaillösungen erarbeitet und Tests an Modellen gemacht, bis der Plan für das fertige Möbel steht. Dann geht es wieder an die CNC. Platten zuschneiden, Leisten fräsen, Beschläge einlassen, Bohrungen machen. Zwischendurch ein, zwei schnelle Werkzeug- und Materialwechsel. Das Material: anthrazit durchgefärbtes MDF und mit Eiche furniertes Multiplex. Um eine Birke-Multiplex-Unterkonstruktion ist eine 5 mm dünne MDF-Platte gezogen, die sich ohne Probleme dem Radius anpasst. Die senkrechten Leisten sind zur perfekten Positionierung in die Oberfläche der darunterliegenden Platte eingegratet und verschraubt. Alles abgerundet durch eine lackierte Oberfläche. Als ich im Foyer des Schauspielhauses stehe, bin ich direkt angetan von der Wirkung der Möbel. Tolles Design und tolle Ausführung. „Ohne die CNC-Holzfräse wäre die Qualität definitiv eine andere geworden“, verrät Uwe Leiendecker am Schluss.

Mit Optimierung zum Erfolg

Uwe Leiendecker weiß, die Optimierung der Tischlerei ist für ihn noch nicht vorbei. „Ganz neu haben wir einen Hacker mit Brikettieranlage“, erwähnt er bei unserer abschließenden Tour durch die Halle. Der Tischlermeister nimmt seine Aufgabe ernst und sucht laufend nach Dingen im System, die Verbesserung und Modernisierung gebrauchen können. Die Jahre bis zum Ruhestand werden für ihn aufregend und herausfordernd bleiben.

www.theaterdo.de

www.gewema-holzfraese.de


Die Autorin

Anna-Katharina Ledwa ist Tischlerin und Projektgestalterin (HWK), arbeitet als Gesellin in der AV und entwickelt nebenberuflich eigene Produkte.

www.annaledwa.de

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