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Ein umfassender Ansatz

Was die Schreinerei Pfisterer sich bei den Vereinten Nationen abgeschaut hat
Ein umfassender Ansatz

Die Schreinerei Pfisterer ist klimaneutral. Doch: „Das allein war nicht unser Antrieb“, sagt Rupert Pfisterer. „Uns geht es um einen viel umfassenderen Ansatz.“ Und so gibt es nun ein 30-seitiges Strategiepapier, in dem es um den CO2-Fußabdruck genauso geht wie um nachhaltige Beschaffung, aber auch um Dinge wie die Gesundheit der Mitarbeiter oder dass Kunden nur aus einem Umkreis von 80 km kommen sollen. Nicht immer einfach.

BM-Redakteurin Regina Adamczak

Ein Hahn kräht, als ich in dem Dörfchen Farchach nahe des Starnberger Sees aus dem Bus steige. Acht bewirtschaftete Bauernhöfe gibt es hier immer noch, lese ich auf der Informationstafel, die neben der kleinen, ursprünglich romanischen Kirche steht. Ein paar Schritte sind es nur bis zur Schreinerei Pfisterer. In der Sonne sitzen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei der mittäglichen Brotzeit. Herzlich begrüßt mich Rupert Pfisterer.

Drei Brüder, ein Ziel

Auch die Familie der Pfisterers, seit dem Jahr 1729 im Ort ansässig, bewirtschaftete ursprünglich einen Bauernhof – bis die drei Brüder Josef, Rupert und Stefan Pfisterer im Jahr 1995 gemeinsam eine Schreinerei gegründet haben. Ein glückliches Zusammentreffen, von dem die drei noch heute profitieren. So kümmert sich Josef Pfisterer um die Auftragsvorbereitung, um Arbeitsschutz und Qualitätssicherung, während Stefan Pfisterer sich der Produktion und Betriebstechnik widmet und auch für Planung und Kundenbetreuung zuständig ist. Letzteres fällt auch in die Aufgabenbereiche von Rupert Pfisterer, der zudem in Sachen Organisation, Betriebswirtschaft und Marketing den Hut aufhat. „Diese Aufteilung gibt jedem von uns Freiräume,“ sagt Rupert Pfisterer. Und diese Freiräume werden genutzt, denn sonst wäre es nicht entstanden: das mehr als 30-seitige Strategiepapier zum Thema Nachhaltigkeit. Darin steht, was die Schreinerei bis zum Jahr 2030 alles umgesetzt haben will und auch, was schon umgesetzt wurde.

Auf den Spuren der Vereinten Nationen

Das Strategiepapier orientiert sich an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen formuliert haben. Es ist umfassend: Nachhaltige Energie und der Kampf gegen den Klimawandel gehören selbstverständlich dazu, genauso wie Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und die Artenvielfalt zu erhalten, nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen, aber auch Gesundheit, Bildung, menschenwürdige Arbeit, Beitragen zum Gemeinwohl in Städten und Siedlungen, Frieden und Gerechtigkeit. Große Fußstapfen sind es also, in die die Schreinerei Pfisterer da tritt. Doch mit weniger wollten sich die drei Brüder nicht zufriedengeben. „Schließlich geht es um die Lebensgrundlagen unser aller“, bringt es Stefan Pfisterer auf den Punkt. Nur mal schnell und billig ein Klimalabel kaufen? „Das ist uns zu läppisch“, fügt Rupert Pfisterer hinzu. „Wir wollen beweisen, dass wir in dem Thema Nachhaltigkeit wirklich drin sind.“

Gemeinsam mit einem Berater

Nachhaltigkeit hat eine lange Tradition in der Schreinerei. „Wir waren schon nachhaltig, da haben wir das Wort noch gar nicht gekannt“, lächelt Josef Pfisterer. Die Hackschnitzelheizung, um Holzabfälle thermisch zu nutzen, gibt es schon lange. Zudem sorgt eine Solaranlage auf dem Dach für nachhaltige Energie. Und auch das Holz kam häufig ganz aus der Nähe. Kein Zufall, denn zum Familienerbe gehört auch eigener Wald. Doch im Jahr 2019 beschlossen die Geschäftsführer, der guten Sache noch einen deutlichen Schub zu geben. Gemeinsam mit Stefan Angermüller und seinem Beratungsunternehmen Fair:möbeln bekam das Projekt Struktur. Der Dipl.-Ing. Holztechnik unterstützt Innenausbauer, die sich klimabewusster und nachhaltiger aufstellen wollen, in dem Veränderungsprozess. Wo stehen wir und wo können wir den Hebel noch ansetzen? Darum ging es in zahlreichen Sitzungen – online und vor Ort.

Auch die 17 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden eingebunden, um den Wissensstand anzugleichen: „Enkeltauglich leben“ hieß ein vom Betrieb finanzierter Workshop, für den sie freiwillig private Zeit opferten. In einem Gruppentermin ging es dann noch einmal explizit um das Thema „Wo werden im Betrieb Ressourcen verschwendet?“ Zuerst kamen die Ideen schleppend. Doch dann nahm das Thema Fahrt auf, der Blick öffnete sich. 43 Ideen wurden von den Mitarbeitern eingebracht, 35 davon sind schon umgesetzt worden.

Jahr für Jahr weniger CO2-Emissionen

Das war nur einer der zahlreichen Punkte, die im Rahmen des umfangreichen Leitfadens in Angriff genommen wurden. Mit an erster Stelle steht die Reduktion der CO2-Emissionen. Doch woher wissen die Pfisterers eigentlich, wie viel CO2 sie produzieren? Rupert Pfisterer berichtet: „Stück für Stück haben wir alle unsere Daten akribisch in das Onlinetool des Dienstleisters „Klimapatenschaft“ eingegeben.“ Das kostete Zeit und Mühe. Bis hinunter zu den Kilometern, die die Mitarbeiter brauchen, um zur Arbeit zu kommen, ging die Analyse. Heraus kam eine Menge von 55 t pro Jahr. Dies soll seit 2021 um jährlich mindestens 4 % reduziert werden, was jeweils 2,5 t entspricht. Bis 2030 sollen so die CO2-Emissionen fast halbiert werden. Um die Ziele erreichen zu können, wird die bestehende Fotovoltaikanlage erweitert, sodass zukünftig 25 000 kw/h des Gesamt-Stromverbrauch von 55 500 kw/h aus eigener Produktion abgedeckt werden kann. Bestehende Stromverträge sind zudem komplett auf Ökostrom umgestellt, die Leuchtmittel in Büro, Ausstellung und Werkstatt energiesparende LEDs. Auch ein zweiter E-Pkw soll angeschafft werden.

Damit die vorhandenen Emissionen kompensiert werden, wurde und wird in ein nach Goldstandard zertifiziertes Aufforstungsprojekt der Bauminvest AG in Costa Rica investiert. Somit kann sich die Schreinerei nun als klimaneutral bezeichnen. Doch: „Klimaneutralität allein war nicht unser Antrieb“, sagt Rupert Pfisterer. „Uns geht es um einen viel umfassenderen Ansatz.“

Holz kommt aus nächster Nähe

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Materialbeschaffung: Natürlich wird der eigene Wald genutzt, doch auch Kontakte zu Forstämtern und Gemeinden sorgen dafür, dass mittlerweile Holz aus der umliegenden Gegend im Wert von fast 20 000 Euro am Lager liegt. Herkunft, Holzstärken und Qualität werden genau dokumentiert, sodass ein Kunde seinen Tisch aus dem Holz einer Eiche aus dem nahen Berger Schlosspark bekommen könnte. „Es gibt Kunden, die so etwas sehr schätzen.“ Um auf Angebote zeitnah reagieren zu können, hilft ein Rückewagen und das neue, mobile Sägewerk. Auch eine Trockenkammer wird nun eingerichtet.

Auch die Aufträge kommen aus der Nähe

Einen kleinen Sprengsatz beinhaltet das unscheinbare Sätzchen: „Um die Mobilität zu verringern, nehmen wir nur Aufträge im Aktionsradius von 80 km an.“ Und Stefan Pfisterer gibt zu: „Als wir deshalb neulich einen großen Auftrag in Tirol – 125 km entfernt – abgesagt haben, hat das schon geschmerzt.“ Doch er erklärt: „Für uns macht es keinen Sinn, Aufträge auszuführen, die weiter entfernt sind. Wir sparen so nicht nur Emissionen, sondern auch Zeit und Nerven, vom Risiko ganz abgesehen. Außerdem gibt es da tolle Kollegen, die das genauso gut können wie wir.“

Bis in den Betriebsalltag hinein

Und weil letztendlich die Mensch im Fokus des Nachhaltigkeitsgedankens steht, gehören auch soziale Faktoren zur Agenda, wie faire Löhne, flexible Arbeitszeiten, Weiterbildungsmaßnahmen oder die konsequente Planung der Aufträge im Betriebsablauf, um Zeitdruck zu reduzieren, genauso wie gesundheitliche Unterstützung mit Vorbeugemaßnahmen, Corona-Tests, ergonomische Möbel oder die Möglichkeit, ein E-Bike zu leasen. Die sanitären Anlagen werden wie auch der gesamte Betrieb chemiefrei, auf Basis von effektiven Mikroorganismen gereinigt. Im Schreineralltag geht es zudem um Abfallvermeidung, Mehrwegverpackungen und ökologische Verbrauchsmaterialien.

Im Blick ist auch die dörfliche Gemeinschaft: So sind immerhin sechs Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei der freiwilligen Feuerwehr, außerdem werden Vereine und die Kirche unterstützt. Auf einer Wiese am Ortsrand von Farchach wurde eine Obstbaum-Allee gepflanzt und ein Blühstreifen angelegt.

In das Strategiepapier aufgenommen wurde zudem ein friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeiten. In den Besprechungen im Team oder zu zweit soll so eine Basis für eine gelingende Kommunikation geschaffen werden: Authentisch. Wertschätzend. Verstehend. Wesentlich. „Das müssen wir uns auch immer wieder auf den Schirm holen“, lächelt Rupert Pfisterer. Doch Übungsmöglichkeiten gibt es täglich . „Wir reden viel miteinander. Es ist wichtig, dass man abwägt und zu einer gemeinsamen Lösung kommt.“

Mit Schreinerkollegen gemeinsam

Dem Schreinermeister ist daran gelegen, dass es in Sachen Nachhaltigkeit vorangeht. Nicht nur in seiner Schreinerei. Dafür hat er sich mit zwei Schreinerkollegen zusammengeschlossen: In Workshops entwickeln sie Ideen, um am Thema dran zu bleiben, Prioritäten zu ermitteln. „Das setzt Energie frei und treibt an.“ Als Pionier in Sachen Nachhaltigkeit sieht er sein Unternehmen eigentlich nicht. „Da gibt es keine Blaupause. Jede Schreinerei muss ihren eigenen Weg finden.“ Doch er glaubt auch: „Wir können viel voneinander lernen und gemeinsam mehr voranbringen.“ Auch deshalb wünscht er sich noch mehr Kollegen, die diesen Weg mitgehen.

Schreinerei Pfisterer GmbH

82335 Berg/Farchach

www.schreinerei-pfisterer.de


Wasslerlacke von Hesse Lignal

„Bei uns lackiert jeder“

Die Schreinerei Pfisterer setzt auf Möbellacke von Hesse Lignal. Dass der Oberflächenspezialist sich verpflichtet hat, bis 2030 alle lösemittelhaltigen Produkte durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen, „hat uns schwer beeindruckt“, sagt Stefan Pfisterer. Gleichzeitig passt dieses Ziel gut der Nachhaltigkeitsstrategie der Schreinerei. Denn: „Auch die Grundsätze der Zulieferer sollten in Zukunft mit unseren übereinstimmen.“

Die Pfisterers verarbeiten schon seit langem Wasserlacke. Doch so einfach wie heute war es noch vor 15 Jahren bei Weitem nicht: „Wir haben damals einen Spritzraum eingerichtet, in dem wir die Zuluft aufwärmen und mittels einer Halogentrocknungsanlage die Trocknung forcieren können.“ Da es anfangs öfters Schwierigkeiten beim Lackauftrag gab, wurde zudem in eine Luftbefeuchtungsanlage investiert. Doch in der Entwicklung von Wasserlacken hat es einen gewaltigen Sprung gegeben, weiß auch Christian Munz. Der Außendienstler von Hesse Lignal betreut die Schreinerei Pfisterer und weiß, dass noch viele Mythen in Sachen Verarbeitung von Wasserlacken durch die Branche geistern: „Die Produkte sind heute so leicht zu verarbeiten, dass ich jedem Schreiner nur raten kann: Umstellen, und fertig!“ Dass das funktioniert, zeige das Beispiel der Schreinerei Pfisterer eindrucksvoll. Stefan Pfisterer bestätigt: „Bei uns lackiert jeder – vom Azubi bis zum Meister. Und die Produkte von Hesse haben uns die Umstellung leicht gemacht: Egal, ob der Auftrag dick oder dünn erfolgt, die Deckkraft ist da, es gibt keine Probleme mit Orangenhaut, die Anfeuerung stimmt, alles tipptopp.“ Nun muss selbst bei extremen Klimabedingungen, wenn es draußen sehr kalt und die Luft drinnen sehr trocken ist, die Luft weder angewärmt noch befeuchtet werden. „Eigentlich hätten wir gar nicht in die aufwändige Technik im Spritzraum investieren müssen“, resümiert Josef Pfisterer.

Ein weiterer Vorteil: Die Lacke sind für die normale Beanspruchung einkomponentig zu verarbeiten. „So haben wir keine Reste, was auch wieder nachhaltiger ist,“ sagt Stefan Pfisterer. Nur in etwa 10 % der Fälle wird auf 2K-Lacke zurückgegriffen, etwa, wenn eine besondere Beständigkeit vonnöten ist oder es einer besonderen Anfeuerung bedarf: „Gerade bei Eiche oder Nussbaum erreichen wir mit der Grundierung 2K-Hydro Perfect-Base eine schöne, intensive Anfeuerung.“ Christian Munz fasst zusammen: „Wasserlacke stehen den lösemittelhaltigen Lacken heute in nichts mehr nach.“ Und Stefan Pfisterer setzt hinzu: „Ob tiefmatt oder glänzend – ich kann heute nicht mehr unterscheiden: Handelt es sich um einen Wasserlack oder einen Lösemittellack?“

www.hesse-lignal.de


Regina Adamczak, BM-Redaktion

Das hat mich beeindruckt

Eine dicke Scheibe abschneiden

Dass ein Klimalabel schnell und leider auch viel zu einfach und sehr günstig erworben werden kann, hatte ich erst kürzlich gelesen. Umso beeindruckter war ich vom Strategiepapier der Schreinerei Pfisterer, das sich an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientiert und neben dem wichtigen CO2-Fußabdruck auch eine faire Bezahlung, Weiterbildung, eine gelingende Kommunikation, die Gesundheit der Mitarbeiter und vieles andere mehr in den Blick nimmt. In der Praxis sind das auch kleine Dinge: Frisches, gesprudeltes Wasser wird für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereitgestellt, E-Bikes können geleast werden, für Sauberkeit im Betrieb sorgen Mikroorganismen. Da kann sich manch großes Unternehmen eine dicke Scheibe abschneiden!

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