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„Etwas bewegen“

Schreinerkarriere: Vom Azubi zum Planer und Unternehmer
„Etwas bewegen“

Wie gehts weiter nach der Schreinerlehre? Diese Frage beschäftigt wohl jeden Auszubildenden gegen Ende seiner Lehrzeit. Thomas Kriesche aus Neuffen bei Stuttgart ist nach seiner Lehrzeit einen langen und abwechslungsreichen Weg gegangen. Heute entwirft, plant und konstruiert sein Büro „ars modi“ Innenausbauten und Schiffseinrichtungen in aller Welt

BM: Wo und in welchem Fachgebiet haben Sie Ihre Ausbildung zum Schreiner absolviert?

Thomas Kriesche: Meine Ausbildung habe ich in Wendlingen am Neckar in einer mittelständischen Bau- und Möbelschreinerei absolviert. Wir haben alle klassischen Arbeiten, welche eine Schreinerei im privaten Innenausbau übernehmen kann, ausgeführt. Sehr früh wurden die Lehrlinge an ein selbstständiges Arbeiten herangeführt. Während der Gesellenzeit habe ich eigene Aufträge bekommen, welche vom Brettriss bis zur Montage komplett bearbeitet wurden. Jeder kannte jede Maschine und hatte die Möglichkeit, sich den Ablauf und die bestmögliche Konstruktion selbst zu überlegen.
BM: Welche und wie viele Gesellenstellen haben Sie danach durchlaufen?
Thomas Kriesche: Die erste Zeit nach der Lehre war ich noch im selben Betrieb, was auch sehr sinnvoll war, da man danach größere und anspruchsvollere Aufträge bekommen hat. Kurz nach der Lehre war es eine komplette Esszimmereinrichtung in europ. Kirschbaum, Tisch, Sideboard, Vitrine und Zimmertüren. Nach dem Lehrbetrieb waren es noch weitere drei Betriebe, in denen ich gearbeitet habe. Es waren Kleinbetriebe, jedoch alle mit einer ähnlichen Ausrichtung. Wichtig war mir dabei immer, die Aufträge komplett bearbeiten zu können, den gesamten Ablauf kennenzulernen war mir wichtig.
BM: Wann und in welcher Form haben Sie sich weitergebildet?
Thomas Kriesche: Während der Gesellenzeit habe ich mich bei der VHS Kirchheim-Teck zu einem AutoCAD-11-Kurs angemeldet. Zur damaligen Zeit hatte ich selbst noch keinen Computer und im Betrieb wurden lediglich Brettrisse für die Konstruktion erstellt. Zudem habe ich in Esslingen am Neckar an der Abendschule die zweijährige Ausbildung zum REFA-Sachbearbeiter belegt. Als Vorbereitung zum Schreinermeister sowie dem staatlich geprüften Gestalter und technischen Betriebswirt.
BM: Warum fiel die Entscheidung, zur Gestalterausbildung gerade an die Fachschule nach Stuttgart zu gehen?
Thomas Kriesche: Zum einen bewog mich, dass die Stuttgarter Schule direkt vor der Tür liegt, zum anderen aber auch der gute Ruf der Schule unter ihrem Leiter Wolfgang Nutsch. Wir mussten eine Bewerbungsmappe an der Schule abgeben und zudem noch eine Aufnahmeprüfung bestehen. Vor der Aufnahmeprüfung bin ich zu einem Künstler aus Esslingen, um Freihandzeichnen zu lernen. Stundenlang gerade Striche oder Rechtecke und Quadrate zeichnen, bis der Strich saß und der Duktus stimmte. Die Frage war dann noch, ob zum Meister auch noch den Gestalter oder den Betriebstechniker zu machen. Da ich gerne zeichnete und mich die Farben und Materialien interessierten, war die Gestalterausbildung das Richtige. Der Meister war ein Muss.
Mein Lehrmeister Gerhard Maier aus Wendlingen hatte mich in der Zwischenzeit gefragt, ob ich Interesse hätte, mit in seinen Betrieb einzusteigen, da sich seine Söhne beruflich anderweitig orientiert hatten. Diese Möglichkeit gab mir noch mehr Motivation, die nicht ganz stressfreie Ausbildung zum Gestalter durchzuziehen.
BM: Wie begann Ihre Selbstständigkeit? Gab es einen konkreten Auslöser?
Thomas Kriesche: Zum einen gab es ja das Angebot meines Lehrmeisters, in seinen Betrieb einzusteigen, und den Wunsch, die Aufträge in der Gesamtheit zu bearbeiten. Während der Gesellenzeit hab ich Erfahrung in der Produktion und der Montage sammeln können. Durch die Ausbildung zum Gestalter waren die Türen offen, um nun das Gesamtbild von der Auftrags- und Projektbearbeitung kennenzulernen. Nach Abschluss der Meister- und Gestalterausbildung habe ich mich dann bei der Alex Linder GmbH, einem bekannten Bankeinrichter, für die Planungsabteilung beworben. Das Unternehmen hat weltweit Bankeinrichtungen geplant und hergestellt. In der Planungsabteilung war ich in den folgenden drei Jahren für die Steuerung von Projekten in Berlin zuständig. Leider hat das Unternehmen dann 1999 Insolvenz angemeldet und einen Großteil der Belegschaft entlassen.
Als Arbeitssuchender habe ich mich an das Arbeitsamt gewandt und dieses bot mir an, eine Weiterbildung zum technischen Betriebswirt zu machen. Nach kurzer Überlegung habe ich zugesagt. Diese Weiterbildung kann ich sehr empfehlen, da die Bereiche Marketing, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft, also alles, was für eine Selbstständigkeit sehr wichtig ist, vermittelt und geprüft werden. Als Abschlussarbeit habe ich das Thema „Die Gründung eines Unternehmens“ gewählt. Die Inhalte dieser Arbeit flossen dann im Jahr 2001 auch beim Start meiner Selbstständigkeit in die Gründung von „ars modi“ ein.
Im Zuge der Weiterbildung musste ein Betriebspraktikum absolviert werden, drei Monate im kaufmännischen oder im Verwaltungsbereich. Dafür habe ich bei der Firma Karl Westermann GmbH + Co. Kg aus Denkendorf angefragt. Es war ein großes Glück für mich, dass die Geschäftsführer Frank Westermann und Meike Deuschle sich das gut vorstellen konnten. Ich durfte die folgenden drei Monate im Unternehmen mitarbeiten. Als Aufgaben erhielt ich die Erstellung eines Produkthandbuchs einer Produktlinie der Firma Westermann. Während des Praktikums hat man sich gut kennengelernt und noch heute, über zehn Jahre später, arbeiten wir bei „ars modi“ als Planungs- und Konstruktionsbüro für das Unternehmen Westermann.
BM: Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Thomas Kriesche: Die Tage sind geprägt von drei Bereichen: Zum einen ist es die Kommunikation mit unseren Kunden. Wir sind ständig in Kontakt mit unseren Auftraggebern und den Projektleitern. Es sind Absprachen über Termine, Details und die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Wir bearbeiten sehr oft sehr komplexe und umfangreiche Konstruktionen von hochwertigen Innenausbauten.
Ein weiterer Bereich ist die Bearbeitung der Projekte und der daraus entstehenden Daten. Wir haben häufig mit verschiedenen Datenständen zu tun. Da wir als virtuelles Team mit Kollegen und Kolleginnen aus ganz Deutschland arbeiten, teilweise auch europaweit, müssen die Daten (CAD, Aufmaß und Produktdaten usw. ) stets aktuell sein. Hier spielt eine gute Software- und EDV-Infrastruktur eine große Rolle.
Ebenso beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Projektmanagement. Der Bereich CAD und AutoCAD wird bis an die Grenzen belastet. Es kommt oft genug vor, dass die Hardware, obwohl diese auf aktuellstem Stand ist, in die Knie geht und wir uns Gedanken machen müssen, ob wir die Zeichnungen splitten, um besser damit arbeiten zu können.
Die Aufmaße werden mit einem eigenen Tachymeter, einem speziellen 3-D-Laser-Aufmaßgerät, vor Ort erstellt und fließen in die Planung mit ein.
Ein weiterer Bereich ist die interne Organisation und die Mitarbeiterführung. Es ist zu klären, wer bearbeitet welche Projekte und welche Arbeitspakete, weitere Vorgehensweisen sind zu besprechen. Wann finden Teamworkshops statt? Einmal im Monat finden Mitarbeitergespräche, jeden Montagmorgen eine Wochenbesprechung statt. Da kann man sich vorstellen, dass es einem nicht langweilig wird.
BM: Würden Sie diesen beruflichen Weg heute noch einmal gehen und sich selbstständig machen?
Thomas Kriesche: Es war schon immer mein Wunsch, selbstständig zu arbeiten. Etwas bewegen zu können, eigene Vorstellungen umsetzen zu können. Ja, das macht schon Spaß. Doch der Preis ist hoch. Wenn der normale Arbeitstag vorüber ist, kommt noch die ganze Arbeit mit der Buchhaltung, Steuer, sonstige Verwaltungsarbeiten und Kundenakquise. Es braucht schon einen langen Atem, um voranzukommen. Es sind sehr, sehr viele Stunden, die es benötigt, eine gute Betriebsorganisation aufzubauen. In den ersten Jahren waren es um die 1000 Stunden zusätzlich zum normalen Arbeitstag.
Dieses Jahr bin ich zehn Jahre selbstständig. Die Zeit verging wie im Fluge. Jedoch, fragen Sie mich bitte nicht, wie viel Zeit ich investiert habe. Es ist gut, im Vorfeld nicht zu wissen, was auf einen zukommt. Es gab nicht viel Urlaubstage und an den Wochenenden und Feiertagen wurde oft auch gearbeitet.
Wenn ich meinen jungen Kollegen und Kolleginnen einen Rat geben sollte, dann würde ich sagen: Spezialisieren Sie sich und finden Sie einen Bereich, der Ihnen zusagt. Denn nur dann können Sie es dort auch zu Höchstleistungen bringen und an die Spitze kommen.
BM: Worin sehen Sie den Reiz Ihrer Tätigkeit als Planer?
Thomas Kriesche: Wir beschäftigen uns mit sehr anspruchsvollen Konstruktionen, Abläufen und besonderen Materialien. Zurzeit arbeiten wir mit an einem Yachtprojekt. Dabei kommen gut und gerne 200 Materialien aus der ganzen Welt zum Einsatz. Die Möbel werden in verschiedenen Bundesländern hergestellt. Der Terminplan ist sehr straff und es wird von allen Beteiligten etwas abverlangt.
Dabei gilt immer wieder aufs Neue: Jedes Projekt ist etwas Besonderes, eine neue Herausforderung und verlangt eine neue und angepasste Vorgehensweise. Wir lernen jeden Tag dazu und stellen unsere Vorgehensweise immer wieder auf den Prüfstand. Das ist, was es so interessant macht. Und keiner hat gesagt, dass es einfach ist.
BM: Herr Kriesche, wir bedanken uns für das Gespräch. (Das Interview führte BM-Redakteur Heinz Fink) ■
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