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Filigrane Skulpturen mit spektakulären Formen

Einzigartig: Peter Hromek drechselt mehrachsige Kunstobjekte
Filigrane Skulpturen mit spektakulären Formen

Am Anfang der Straße grüßt mich ein leuchtend blau-rotes Haus mit grünen Fensterrahmen. Keine Frage, hier muss er wohnen. An der Klingel hängt ein gelbes Post-it: „Klingel funktioniert nicht, kommen Sie durch den Garten.“ Als ich den betrete, kommt mir entgegen, was hinter der Tür gebellt hat. Zum Glück wedelt der große Hund mit dem Schwanz. Er hat offensichtlich etwas mehr Angst als ich. Dann folgt Peter Hromek. Der Mann, der Gebilde drechselt, die es eigentlich nicht geben dürfte.

Klein und stämmig, mit einer gesunden Farbe, wirkt er freundlich und irgendwie sehr zufrieden. Seine Hände sind zugleich kräftig und zart. Einleuchtend, schließlich verwandelt er beispielsweise 40 Zentimeter große Ahornscheiben in filigrane Skulpturen, deren Wände gerade mal fünf Millimeter dick und überraschend leicht und luftig sind.
Es dürfte sie nicht geben, die Spindel und die Blume, vor allem nicht den Drilling und das preisgekrönte Paradies. Stehen Fachleute vor den mehrachsig gedrechselten Objekten, dann fällt früher oder später der Begriff CNC und der Verdacht, das alles sei auf computergesteuerten Maschinen hergestellt. „Nein“, versichert der 62-jährige Tscheche, der seit 40 Jahren im Raum Frankfurt lebt, „das ist wirklich von Hand gedrechselt.“ Das Gesamte sei kompliziert, erklärt er, „aber es ist eine Aneinanderreihung von einfachen Schritten.“ Das „Geheimnis“ sind Bleigewichte, die wie beim Autoreifen die Unwucht ausgleichen.
Zwei, drei derartiger Stücke macht der Kunsthandwerker pro Jahr: „Es ist jedes Mal eine Überwindung“, gibt er zu. Zum einen muss er wieder „reinkommen“. Zum anderen ist die Herstellung wegen der Unwucht nicht ungefährlich. Aber inzwischen sei er „gewieft“ genug. Hat er das passende Holzstück, dann wird die Arbeit fast zu einer Meditation. Am liebsten arbeitet er mit Ahorn oder Obstbäumen. Nass muss das Holz sein, denn dann ist es weicher. Außerdem wirkt die Feuchtigkeit wie ein Schmiermittel. Nach rund zehn Tagen ist das dreibeinige Gefäß fertig. Weil das Holz dann noch arbeitet, müssen die Wände dünn sein. So ändert sich eventuell die Form noch ganz leicht, aber sie reißt nicht.
Das Holz bekommt er von Gärtnern aus der Umgebung, die ihn kennen. Auch das Frankfurter Garten- und Friedhofsamt hat in Hromek einen treuen Abnehmer. Den Kontakt hat er seit den 90ern, als sein Auto wegen Baumfällarbeiten abgeschleppt wurde. „Die 160 Mark haben sich gelohnt“, stellt er fest, denn die Baumscheiben bekommt er kostenlos.
Ein anderer Zufall hat den Mann weiter geführt. 2002 sei er am Nullpunkt gewesen, erzählt er. Kurz vorm Aufgeben schickte er eine E-Mail mit Fotos an einen befreundeten Journalisten in Australien. Der ist begeistert und vermittelt ihn an die Del Mano-Galerie in Los Angeles, weltweit die Nummer eins für Kunsthandwerker. „Jahre zuvor habe ich mir gesagt, wenn du das schaffst, bist du im siebten Himmel.“ Es folgten Ausstellungen in Chicago und New York sowie im Juni 2009 ein Auftritt bei einem Drechsler-Symposium vor 1500 Kollegen und eine so genannte Instant-Ausstellung, auf der alle Teilnehmer drei Stücke ausstellen dürfen.
„Kunsthandwerk in Deutschland und Amerika ist nicht vergleichbar“, erzählt Hromek. Als sich der gelernte Feinmechaniker und Maschinenbauer vor 23 Jahren dem Drechseln zuwendet, findet er keinen Lehrer. Dieser Zweig des Holzhandwerks war damals praktisch ausgestorben. Ganz anders in Amerika: In einem speziellen Verband sind 17 000 Drechsler vereint. „Es gibt Galerien fürs Kunsthandwerk“, schwärmt Hromek, „und Sammler, die Geld investieren.“ Trotzdem wachsen die Bäume auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht in den Handwerker-Himmel. Momentan verhandelt er mit einem bekannten Mäzen über sein prominentestes Stück, das im vergangenen Jahr den hessischen Gestaltungspreis gewann. „Ich bin am unteren Limit. Weiter gehe ich nicht runter.“ Einerseits wäre es eine Auszeichnung von diesem Sammler „gekauft“ zu werden, und würde der eigenen Vermarktung dienen. Andererseits ist die Skulptur zu wertvoll, um sie unter Preis zu verkaufen. Die Skulpturen bringen „Ruhm und Ehre“, aber davon kann Hromek nicht leben. Es sind Pfeffermühlen, die ihn, seine Frau, Hund Willi und zwei Katzen über Wasser halten. Funktion verkauft sich eben besser als reine Ästhetik. „Ich habe mich über eine miserable Pfeffermühle so geärgert, dass ich mir was eigenes ausgedacht habe“, berichtet er. Ein Freund gab ihm noch die Idee: „Mach etwas, was um die Ecke geht und ergonomisch ist.“ Seit zehn Jahren verkauft der Kunsthandwerker nun seine Mühlen. Inzwischen sind sie ein Selbstläufer: Man sieht sie bei irgendjemand und will auch so eine Mühle mit Knick. Sie sind schlicht und schnörkellos, so wie Hromek spricht. In seiner ruhigen Stimme ist ein reizvoller Akzent zu hören, der von seiner tschechischen Herkunft zeugt, ganz wie die Farbe des Holzes und dessen Maserung noch auf die Baumart verweisen.
Mit der Zeit hat er seine Maschinen für diese Produktionsreihe optimiert und Dinge zur Arbeitserleichterung „drangeschweißt“: „Das ist die dritte und vierte Generation.“ Besonderen Wert legt er auf das Mahlwerk. Die renommierten Peugeot-Werke waren ihm nicht gut genug. So hat er europaweit gesucht, bis er einen Kaffeemühlenhersteller in Nordrhein-Westfalen fand, der u. a. Mahlwerke für Pfeffermühlen herstellt.
Immer wieder sind es Freunde und Zufälle, die Hromek weiterbringen. 1976 begegnet der ehemalige Bluegrass-Musiker erstmals dem Werkstoff Holz. Ein tschechischer Tüftler baute Gitarren und Mandolinen. „Das kann ich auch“, kommt Hromek die Eingebung und mit minimalstem Werkzeug baut er seine erste amerikanische Mandoline. Aber mit der Lackierung klappt es nicht: Der Lack verläuft und verändert die Farbe. Als ein Geigenbaumeister, den er um Hilfe bittet, das Instrument lange und kritisch anschaut, erwartet er ein vernichtendes Urteil. Stattdessen sagt der nur „Alle Achtung“ und motiviert den Autodidakten dran zu bleiben. „Wenn sich eine gewisse Naivität mit Aktivität mischt, dann ist man mutig“, sagt Hromek, der als 22-Jähriger allein aus der Tschechoslowakei ausreiste. „Ich habe mich immer auf neue Felder gewagt“, sagt er wie selbstverständlich, „wenn es nicht klappt, kann ich zurück oder etwas Neues finden.“ Zehn Jahre versucht er sich als Gitarrenbauer „Doch ich war damals unfähig mich zu vermarkten“, denkt er zurück. Viele Reparaturen, zu wenig Freude an der Arbeit.
Dann findet Hromek 1986 einen lukrativen Job als Modellbauer in einem Unternehmen. In seiner Freizeit setzt er sich an eine Drechselbank: Metalldrehen mit Holz – der Unterschied kann so groß nicht sein. Doch er stellt fest: Das ist zwar nicht die richtige Methode, aber das will ich machen. Drei Jahre später gibt er seinen Job wieder auf, zieht nach Sinntal in die Rhön, kauft ein Haus, schlägt sich als Koch durch, will als Kunsthandwerker schon aufgeben, ehe seine Skulpturen in Amerika Interesse wecken. Inzwischen hat er dort einen Namen und ist an einem gemeinsamen Buchprojekt beteiligt. Mit 62 Jahren hat Peter Hromek sein Ziel erreicht: „Jetzt habe ich meine Richtung.“ Aber vielleicht kommt ja doch noch ein Freund oder ein Zufall. (Jens Gieseler) ■
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