Seit Sommer 2017 ist die neue Technologie inzwischen bei Reicherter Fensterbau in Betrieb. Bis dahin wurde dort mit einer Winkelanlage produziert. Von dem Entschluss, das Unternehmen fertigungstechnisch auf neue Beine zu stellen, bis zum ersten fliegenden Span vergingen rund zwei Jahre. Heute freut sich Jean Reicherter: „Mein Herz schlägt höher, wenn abends hier das Licht aus ist und die Maschine autonom Fenster produziert.“
Am Anfang war die Ecke
Der Weg dorthin war zwar intensiv – aber Jean und Jürgen Reicherter sind ihn planvoll und mit Weitblick gegangen. Zunächst haben sie hinterfragt, welche Konstruktionen sie künftig überhaupt produzieren wollen. Bereits in dieser frühen Phasen haben sie auf die Zusammenarbeit und das Know-how des Werkzeugspezialisten Zuani gesetzt. Jean Reicherter: „Gemeinsam mit Zuani-Geschäftsführer Martin Rauscher haben wir in einem intensiven Prozess und überaus vertrauensvoll eine Produkt- und Werkzeugstrategie erarbeitet. Wichtig war uns dabei, dass wir uns für die Zukunft flexibel und leistungsstark aufstellen.“
Schließlich fiel die Entscheidung für die „Zuani-Prüller-Eckverbindung“ (siehe Foto) mit angefrästen Rund- und Stützzapfen und einer sehr hohen Passgenauigkeit. Außerdem sollte die effiziente Produktion von Konter-Dübel-Verbindungen möglich sein.
Flexible CNC-Bearbeitungstechnologie
Erst nachdem die Strategie stand, hielt Reicherter Ausschau nach der Maschinentechnologie. Am meisten hat die Reutlinger Fensterbauer das Konzept des CNC-Bearbeitungszentrums Centateq S-900 von Homag überzeugt. Mit zwei Bearbeitungstischen und zwei unabhängigen Aggregaten auf beiden Portalseiten werden darauf heute Fenster, Türen und mehr hoch automatisiert produziert.
Rund 25 min dauert die Bearbeitung einer Fenstereinheit, wenn die Zuani-Prüller-Ecke und Glasleistenfertigung gefahren werden. Macht rund 20 Einheiten pro Schicht. Jean Reicherter: „Die Fertigung der Zuani-Prüller-Ecke ist zwar aufgrund der angefrästen Zapfen zeitaufwendiger, birngt uns aber hintenraus dank der einfachen Rahmenmontage enorme Zeitersparnis. Bei Konter-Dübel-Verbindungen schafft die Maschine 50 Einheiten.“
Das Bearbeitungszentrum kann auch nach Betriebsschluss völlig autonom produzieren. Dazu wird die Maschine vor Feierabend mit Rohmaterial bestückt. Auf diese Weise kommt Reicherter bei der Zuani-Prüller-Ecke auf eine Kapazität von 35 Einheiten pro Tag.
Auf der rechten Seite der Centateq S-900 befindet sich die Beschickung für die Einzelteilbearbeitung, auf der linken ein Konsolentisch für die Flächenbearbeitung von Türen. Zu den Features der Maschine gehören auch ein Kamerasystem zur Überwachung, ein Reinigungsbecken für die Werkzeuge oder ein pfiffiger Nadelkissen-Spanner für die Bearbeitung mit weniger als 5 mm Spannfläche.
Vor Inbetriebnahme eingefahren
Bevor die Centateq S-900 bei Reicherter in Betrieb genommen wurde, wurde sie bei Homag samt Zuani-Werkzeug und der Klaes-Software komplett eingefahren. Auch die Mitarbeiter wurden in diesem Zusammenhang am neuen Gesamtsystem geschult.
Das Gesamt-Investitionsvolumen für Maschine, Werkzeug und Software beziffert Reicherter mit rund 800 000 Euro.
Nach den wichtigsten Nutzeffekten des Projekts befragt, antwortet Jean Reicherter: „Natürlich hat sich neben der Kapazität und Flexibilität besonders auch die Qualität unserer Fenster und Türen deutlich verbessert. Und Auftragsspitzen sind jetzt gar kein Problem mehr.“
Halbfertigteile für Kollegen
Das 1910 gegründete Unternehmen beschäftigt 30 Mitarbeiter (15 davon in der Fertigung) und produziert auf einer Fläche von 2500 m² Holz- und Holz-Alu-Fenster sowie -Türen – und zwar nicht nur für eigene Kunden: Reicherter fertigt auf Wunsch auch Halbfertigteile (Fenstereinzelteile), die maschinenfertig an Kollegenbetriebe geliefert werden. Die komplette Weiterbearbeitung erfolgt dann jeweils dort vor Ort.