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Gemeinsam stark sein

Karl Dreer und Peter Graf legen ihre Schreinereien zusammen
Gemeinsam stark sein

Warum schließen sich zwei Traditionsunternehmen zusammen? Um beide Firmen zu stärken und gleichzeitig das Problem der Nachfolge zu klären! Die beiden Schreinermeister Karl Dreer und Peter Graf haben miteinander gesprochen und bei einem Kaffee wurde die Idee zum Angebot.

von Jacqueline Koch

Noch im Jahr 2017 plante und fertigte ein 20-köpfiges Team auf 2500 m2 Fläche exklusive Möbel für das Who´s who im Industrie- und Privatsektor – der Erfolg einer 25-jährigen Firmengeschichte der Karl Dreer GmbH im oberbayerischen Raisting in der Nähe des Ammersees. Heute arbeitet ein Team von 35 Mitarbeitern auf einem 4000 m2 großen Werkstatt- und Bürogelände. Entstanden ist die Dreer-Graf GmbH am gleichen Standort. Eine erfolgreiche Nachfolgeregelung mit Herz und Verstand.

Schreinereien ohne konkrete Nachfolge-Regelung gibt es viele – Firmen, die nicht wissen, ob es sie in fünf oder zehn Jahren noch gibt. Nicht, weil sie nicht erfolgreich sind, sondern, weil es niemanden für das „Morgen“ gibt. Schreinermeister Karl Dreer zählte bis zum vergangenen Jahr auch dazu. Er suchte bereits länger nach einer Nachfolgeregelung, die ihm, seiner Firma und seinen Mitarbeitern eine sichere Zukunft bietet. „Wir hatten Anfragen von Investoren, die die Firma übernehmen wollten, aber sie waren nicht aus unserer Branche, also war das für mich keine Option. Mir war es wichtig, dass es jemand ist, der aus dem Möbelbau kommt, sich mit der Branche auskennt und mir sympathisch ist“, erklärt Schreinermeister Karl Dreer.

Zwei Traditionsunternehmen

Nach vielen Ideen und Recherchen kam ihm der Zufall zu Hilfe: Eine andere Schreinerei der Region, die Peter Graf GmbH, brauchte mehr Platz, und die regionale Zeitung berichtete über den Plan, eine größere Werkstatt zu bauen. Auch die Schreinerei Graf ist ein alteingesessener Familienbetrieb am Ammersee. Bereits in der dritten Generation wurden Möbel und Küchen gefertigt. Die Werkstätten lagen nicht weit voneinander entfernt. Als Karl Dreer von dem Bauvorhaben des Kollegen las, war die Idee geboren: Warum sollten sich nicht zwei Traditionsunternehmen zusammenschließen – einmal, um beide Firmen zu stärken und gleichzeitig das Problem der Nachfolge zu klären? Also bat Karl Dreer Peter Graf um ein Gespräch und bei einem Kaffee wurde die Idee zu einem Angebot.

Beide profitieren

Peter Graf erinnert sich: „Mein Vater und ich hatten uns schon öfter gefragt, was wohl mit der Firma Dreer geschieht, weil keine Kinder da sind, die übernehmen könnten. Aber das Unternehmen war ja sehr gut organisiert, deshalb dachte ich, darum wird sich sicher gekümmert.“ Entsprechend überrascht war er von der Anfrage. Bald kam es zu einem zweiten Treffen und die Konstellation einer gleichberechtigten Geschäftsführerschaft wurde konkret. Eine Win-win-Situation war beiden wichtig.

Die Werkstatt der Schreinerei Graf lag mitten im Ort, der älteste Teil war über hundert Jahre alt und nicht unbedingt up to date. „Wir konnten nicht weiter optimieren, das alte Gebäude war ausgereizt und ich unzufrieden mit der Infrastruktur“, fasst Peter Graf zusammen. „Deshalb auch die Idee mit dem Grundstückskauf. Aber so würden wir nur mehr Platz bekommen, nicht mehr Man-Power, mehr Maschinen und mehr Kunden.“ Deshalb freut sich der 44-Jährige auch über die neue Lösung: „Jetzt haben wir das alles.“

Fachkräftemangel bremste Dreer

Die unternehmerischen Grenzen der Karl Dreer GmbH lagen vor allem in der Arbeitsvorbereitung. „Wir sind in den letzten Jahren auftragstechnisch stark gewachsen und haben den Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Da wir oft im exklusiven Bereich arbeiten, müssen unsere Mitarbeiter diesem hohen Anspruch an die Möbel und die Auftraggeber gerecht werden. Das war in der Vergangenheit manchmal schwierig. Jetzt verstärken die Mitarbeiter von Peter Graf das Team sehr gut. Wir sind schneller bei Angeboten, Zeichnungen, Planungen und der Fertigung“, berichtet Karl Dreer. Trotzdem sucht auch die Dreer-Graf GmbH noch neue Mitarbeiter, vor allem für die Arbeitsvorbereitung.

Vertrauen und Sympathie

Nach dem zweiten Gespräch trafen sich die beiden regelmäßig, loteten die jeweilige Firmenphilosophie aus, machten sich mit der Arbeitsweise vertraut. Mit jedem Gespräch wurde ein Stück mehr von der gemeinsamen Vision entwickelt und nach knapp drei Monaten alles vertraglich geregelt. Doch bei allen harten Fakten hat letztendlich das Bauchgefühl entschieden. Karl Dreer bingt es auf den Punkt: „Peter ist mit der Schreinerei aufgewachsen, das war mir wichtig. Am Ende zählte für mich das Vertrauen und die Sympathie, einen Kriterienkatalog hatte ich dabei nicht.“ Und er fügt hinzu: „Ich spürte bei ihm die Bereitschaft, auch mal ein Risiko einzugehen, mir gefiel sein positives Denken und sein ungeheurer Fleiß.“

Mitarbeiter waren erstaunt und erleichtert

Doch wie reagierten die Mitarbeiter auf die Nachricht? Um für größtmögliche Klarheit zu sorgen, versammelten sowohl Karl Dreer als auch Peter Graf ihre Mitarbeiter jeweils in der Werkstatt. Das Team der Schreinerei Graf war überrascht. „Meine Mannschaft wusste nur von den Plänen, neu zu bauen, aber als ich ihnen von der neuen Idee erzählte und dass ich alles genau abgewogen habe und es für den richtigen Weg halte, haben das alle sehr positiv aufgenommen,“ so Peter Graf. „Schließlich sind wir beide zwei Traditionsunternehmen mit gutem Ruf. Die zukünftige Arbeit wird so für alle spannender. Mehr Platz, neue Aufträge und mehr Möglichkeiten.“ Auch das Dreer-Team freute sich und war erleichtert über die Nachricht, dass ihre Arbeitsplätze auch in Zukunft gesichert sind. Der Umzug erfolgte dann peu á peu. „Man darf so einen Werkstattumzug nicht unterschätzen,“ erklärt Karl Dreer. „Die Auftragsbücher unserer beider Firmen waren voll und ein Maschinenumzug bedeutet immer Ausfälle.“ Also haben die Mitarbeiter in den ersten Monaten immer da gearbeitet, wo die besten Maschinen für den Auftrag standen. „Das war zwar einerseits planungsaufwendig, andererseits konnten sich so alle schon mal beschnuppern.“

Seite an Seite

Seit dem 1. März 2018 ist die Dreer-Graf GmbH Realität, allerdings mit einer Übergangszeit. Unter dem neuen Namen erfolgten alle Leistungen aus einer Hand. Die Leitung übernahmen beide Geschäftsführer Peter Graf und Karl Dreer gemeinsam. Doch wie funktioniert das in der Praxis?

Der Arbeitstag beginnt für beide Geschäftsführer kurz vor 7 Uhr. Nach einem gemeinsamen Kaffee und einer Runde durch die Werkstatt sitzen sie in einem Büro und arbeiten Seite an Seite die Aufträge ab. Große Aufträge bearbeiten sie seit der Zusammenführung gemeinsam – vom ersten Kundenbesuch über die Planungsdetails bis hin zur Präsentation. Peter Graf kalkuliert, für die Präsentationspakete werden die von Karl Dreer entwickelten Bausteine genutzt. „Heute ist es ja nicht mehr damit getan, dass man etwas in 3D präsentiert, sondern das Angebot muss dementsprechend textlich elaboriert sein, aufgeschlüsselt und transparent, damit der Kunde ein gutes Gefühl bekommt“, kommentiert Karl Dreer. Die Projekte bewegen sich inzwischen oft im High-End-Bereich, da neben dem klassischen Möbel- und Innenausbau die Planung und Realisierung kompletter Häuser angeboten wird – europaweit. Das Unternehmen kümmert sich dabei um alle Details, vom Holzständerbau über Fenster und Türen bis zur Verlegung der Leitungen, der Schaltermontage und alle Details rund um ein smartes Zuhause, natürlich inklusive Möbelbau. Eine weitere wichtige Rolle spielt auch die Dreer-Kompetenz in Sachen Mineralwerkstoff.

Die Fertigungstiefe ist größer

„Wir sind vor dem Zusammenschluss oft an unsere Grenzen im Portfolio gestoßen. Viele Details hätten wir gerne selbst gebaut, aber unser Platz und die Ausstattung haben nicht gereicht. Ich musste Kunden an andere verweisen und das ist weder für uns als Schreinerei noch für die Kunden befriedigend. Heute haben wir eine größere Fertigungstiefe und unsere Kunden können mehr Leistung abfragen“, berichtet Peter Graf.

Dementsprechend positiv waren auch die Rückmeldungen der Kunden. Beide Kundenkreise waren schnell von den Vorteilen überzeugt, und die liegen klar auf der Hand: Mehr Kapazitäten im Planerischen wie auch in der Produktion bedeuten weniger Wartezeiten bei Beratung, Angebot und Ausführung. Karl Dreer fügt hinzu: „Der Zusammenschluss bietet unseren Kunden zudem ein Mehr an Sicherheit, da die Firma jetzt nicht mehr auf zwei, sondern auf vier Beinen steht.“

Vier Jahre gemeinsam führen

Langfristig wird Peter Graf die Aufträge komplett übernehmen, so das Ziel. Genauer gesagt, in drei Jahren, so ist es vertraglich vereinbart. Vier Jahre wollen sie das Unternehmen gemeinsam führen, eines ist fast vorbei. Danach wird Karl Dreer seinen Posten als Geschäftsführer aufgeben und sich zusammen mit seiner Frau, die die Firma ebenfalls mit aufgebaut hat und als das Herz der kompletten Organisation im Back-Office gilt, dem Ruhestand widmen.

Er ist überzeugt: „Heute haben meine Mitarbeiter und ich eine Perspektive, wie es mit der Firma weitergeht. Das war immer mein Hauptkriterium. So, wie es bei uns jetzt läuft, ist es ideal. Ich freue mich auf die nächsten drei Jahre und auch auf die Zeit danach.“ Und Peter Graf ergänzt: „Wir verfolgen beide das Ziel, die Firma erfolgreich weiter zu führen. Darauf können wir uns blind verlassen und das schätzen wir aneinander. Wir haben beide das Vertrauen, dass wir hart daran arbeiten werden und uns auch gegenseitig jederzeit voll unterstützen.“

Dreer-Graf GmbH

82399 Raisting

www.dreer-graf.de


Die Autorin

Jacqueline Koch studierte Volkswirtschaftslehre und ist freie Journalistin.

www.jkcommunications.de


Karl Dreer: „Miteinander verbunden“

Schreinermeister Karl Dreer wollte keinen branchenfremden Investor: „Wichtig ist es, einen Partner zu finden, der etwas vom Schreinerhandwerk versteht, der vom Typ her passt und die Unternehmens-Philosophie weiterführen kann. Gleichzeitig sollte er allem Neuen gegenüber offen sein und auch noch etwas verbessern wollen, denn verbessern kann man immer etwas, auch wenn es schon gut läuft. Ich denke, ich werde in drei Jahren mit einem guten Gefühl aus der Firma gehen können, weil ich weiß, dass alt und neu durch die gleiche Philosophie miteinander verbunden sind.“


Peter Graf: „Glaubwürdigkeit zählt“

Schreinermeister Peter Graf: „Vielleicht wird es eine Zeit lang dauern, bis das zusammengeführte Unternehmen als Einheit wahrgenommen wird, aber die gemeinsame Firmenphilosophie wird diesen Prozess unterstützen. Auch in der neuen Firma gilt: „Was man verspricht und verkauft, muss zu hundert Prozent eingehalten werden. Glaubwürdigkeit ist das wichtigste Gut.“

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