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Gespür für Erfolg

3D-Möbel-Konfigurator der Tischlerei Kasper schafft digitales Standbein
Gespür für Erfolg

Tischler sollten den Markt nicht Amazon & Co. überlassen. Julia Kasper hat mit ihrem Team den 3D-Online-Konfigurator Holzgespür entwickelt, mit dem sich jeder sein Möbel selbst erstellen kann. Die Fertigung übernimmt der elterliche Betrieb, die Kunden sind per E-Mail und Fotos mit an Bord.

von Christine Speckner

Die clevere Idee zur Onlineplattform „holzgespür“ kam Julia Kasper während ihres Studiums an der WHU, der Hochschule für Wirtschaft und Management bei Koblenz. Ihre Aufgabe war es, ein digitales Geschäftsmodell zu entwickeln. „Wir haben mit unserer Projektgruppe und Businessidee einen kleinen Wettbewerb gewonnen. Das war ein riesiger Motivationsschub, die Idee weiter zu verfolgen und Holzgespür zu gründen“, so Kasper. Dabei nahm die Tochter eines Tischlerbetriebs die Kundenperspektive genauer unter die Lupe: Was wünscht sich jemand, der ein neues, hochwertiges Möbel kauft? Ganz klar: Individualität, Qualität und gute Beratung. „Aus diesen drei Elementen haben wir dann Holzgespür geformt“, erklärt Julia Kasper, die mit 27 Jahren das Unternehmen Holzgespür – Möbel aus massivem Holz nach Maß, gründete. „Wir waren deutschlandweit die ersten, die 2014 mit einem 3D-Konfigurator online gegangen sind.“

Dabei gab es nie den festen Plan, in die Tischlerei ihrer Eltern einzusteigen. „Aber während des Studiums bin ich auf die Idee gekommen, dass man eine digitale Geschäftsidee auch prima auf ein traditionelles Gewerk wie das Tischlerhandwerk anwenden kann.“ Heute firmiert Holzgespür mit der Tischlerei ihres Vaters unter einem Dach. Der Familienbetrieb mit fünf Mitarbeitern in der Fertigung sitzt in Rhens bei Koblenz und hat sich vor allem auf das Massivholzgeschäft mit handwerklichem Treppenbau spezialisiert. Das Beispiel Kasper zeigt, wie handwerkliche Fertigung und Onlinehandel sich perfekt ergänzen können.

Gestaltungsvielfalt ohne Ende

Der Clou: Mithilfe des firmeneigenen Konfigurators kann der Kunde ganz leicht digital seinen individuellen Esstisch selbst erstellen. Auf der Homepage von Holzgespür findet er dazu zehn verschiedene Tischdesigns. Daraus wählt er sein Lieblingsdesign mit gewünschten Maßen und Oberfläche. Einfach und bequem von zu Hause aus.

Das Besondere: Die 3D-Modelle bewegen sich in der PC-Ansicht, sodass der Perspektivenwechsel ein realistisches Bild vermittelt. Mit der Maus lässt sich der Schieberegler auf einer Skala bewegen, dabei übertragen sich die variablen Tischmaße zeitgleich auf die Bildansicht. Der Wunschesstisch kann sofort betrachtet werden. Die Vielfalt der Auswahlmöglichkeiten ist enorm: „Wir haben das von einem Mathematiker hochrechnen lassen“, sagt Julia Kasper. Multipliziert man die verschiedenen Möglichkeiten, also fünf verschiedene Holzarten mit allen Längen-, Breiten- und Höhenvarianten, ergeben sich ca. 250 000 Kombinationsmöglichkeiten pro Tischmodell, die sich der Kunde selbstständig entwerfen kann. Die Bestellung erfolgt Online.

Per Video zum Lieblingsholzstamm

Danach erhält der Kunde einen separaten Link. Damit loggt er sich bei Holzgespür ein und kann sich ein Video anschauen, das Julia Kasper speziell für ihn dreht. Darin zeigt Hermann Kasper zwei unterschiedliche Stämme derselben Holzsorte, die er für diesen Kunden ausgewählt hat – nach dessen Vorgaben im Hinblick auf Maserung und Färbung.

In einer persönlichen Videobotschaft erklärt der Tischlermeister Eigenschaften und Vorzüge der beiden Varianten. Dazu hobelt er jeden Baumstamm an, benetzt ihn mit Wasser und erklärt, welche Teile er aus dem Stamm für einen Esstisch nach Maß verwenden würde. Jetzt liegt es am Kunden, seinen Lieblingsstamm auszuwählen.

Dann geht‘s an die Herstellung. Die einzelnen Produktionsschritte werden von Julia Kasper fotografiert und dem Käufer geschickt, der miterlebt, wie sein Tisch entsteht. Auch Mitarbeiter springen ab und zu als „Fotograf“ ein. „Auch unsere Azubis setzen wir dafür ein, es genügt ja ein Handyfoto“, erklärt Hermann Kasper. Aber wie kann Verkauf ohne persönliche Beratung funktionieren? Julia Kasper sieht das so: „Über 80 % der Deutschen suchen im Internet, bevor sie ein neues Möbel kaufen.“ Deshalb sei es wichtig, dass Tischler im Netz vertreten sind. Selbstverständlich bekommt unser Onlinekunde eine Beratung über die Einbindung in den Herstellungsprozess. „Die Kommunikation läuft wie eine Art Pingpong“, fügt Hermann Kasper an.

Digital-Kunden gewinnen

Der Konfigurator bietet den Vorteil einer verbindlichen Preisgestaltung. Festpreise sind für Käufer leicht online einzusehen. Preisdiskussionen entfallen. Seitdem die Plattform online ist, hat die Tischlerei einen neuen Kundenstamm erschließen können. „Holzgespür hat Käufer im urbanen Raum, weil die den Tischler um die Ecke nicht mehr kennen“, so Julia Kasper. Zum Beispiel Kunden aus Zürich, Hamburg, München oder Berlin, sie alle bestellen online. Fast die Hälfte gehört zur Generation 60 plus.

Auf der Suche nach Qualität stoßen sie auf den kleinen Familienbetrieb in Rheinland-Pfalz. Zudem generiert Holzgespür Umsätze, die losgekoppelt sind von zeitraubenden Unterbrechungen im Tagesgeschäft. Also das, was Hermann Kasper in rheinischer Redensart humorvoll „Tante Gretchen Kröms“ nennt. In der firmeneigenen Onlineplattform steckt freilich auch viel (Team)Arbeit.

Ein gutes halbes Jahr wurde in die Entwicklung des Konfigurators investiert. Kaspers bauten in dieser Zeit verschiedene Möbel-Prototypen, während ein Softwareentwickler in ihrem Auftrag 3D-Modelle für Möbel entwickelte. Für die Gründung von Holzgespür wurden 20 000 Euro in die Hand genommen.

Von Azubis lernen

Wer die Chancen der Digitalisierung nutzen möchte, sollte auf das Wissen der Jungen zurückgreifen, finden Kaspers. So gab es zum Beispiel einen Azubi-Workshop mit einem ehemaligen Azubi zum Thema: 3D-Modelle entwerfen. Und auch die Holzmuster, die an Kunden verschickt werden, nahm man kritisch in den Blick. Mit beiden Azubis wurde ein QR-Code entwickelt, der dem Kunden schnell und einfach Infos zur Holzart gibt. Beim gemeinsamen Besuch des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk in Koblenz wurde der QR-Code dann auf die Holzmuster gelasert. „Eigentlich sind wir es, die von den Jungen lernen“, meint Hermann Kasper.

Mobile Arbeitszeiterfassung

Stundenzettel – das war gestern. Heute profitiert die Tischlerei von einer Zeiterfassungs-App auf jedem Handwerker-Handy. Und so funktioniert’s: Die Mitarbeiter wählen sich in vorangelegte Projekte ein und erfassen ihre Arbeitszeit und die geleisteten Tätigkeiten mit dem Smartphone. Das läuft nebenbei. „Der Vorteil ist, wir können am Ende der Woche nicht nur auswerten, auf welches Projekt wie viele Stunden gelaufen sind sondern auch, welche Mitarbeiter wie viele Stunden bei einem Projekt beschäftigt waren“, erklärt Hermann Kasper. Der Chef und das Büro haben die Daten gleich auf dem PC.

Der Zuschnittsmeister loggt sich zum Beispiel in ein Projekt ein und wieder aus. Vergisst er es, weil er zwischen mehreren Projekten switchen muss, hat er die Möglichkeit, abends seine Arbeitszeiten manuell ins Handy einzutippen. Die verschlüsselten Daten werden online auf einer Cloud gespeichert. „Die können wir auch von unterwegs einsehen.“ So kann der Chef sehen, wie eine Baustelle läuft – schneller oder langsamer – und entsprechend eingreifen. Wird ein Projekt fertiggestellt, wird das der Buchhaltung angezeigt und die Rechnung generiert.

Handwerker-Handy entlastet

Hermann Kasper ist sich sicher, die Einführung des Handys war richtig: „Das Handwerker-Handy entlastet mich. Dass die Mitarbeiter morgens auf die Baustelle kommen und der Chef hat vergessen, die Materialeinkäufe zu machen, das gibt‘s nicht mehr. Der Mitarbeiter kann die Bestellung einfach selbst aufgeben. Weil er sieht, für diese Aufgaben bin ich am nächsten Tag eingeteilt und das sind die zu bearbeitenden Aufträge. Ich selbst habe wieder mehr Zeit für kreative Dinge – weil die Prozesse optimiert sind und jeder Mitarbeiter mehr Verantwortung übernimmt.“

Julia Kasper und ihrem Vater war es wichtig, die Mitarbeiter eng einzubinden. Dadurch konnte die anfängliche Skepsis abgebaut werden. „Beim gemeinsamen Grillabend haben wir offen über die Neuerungen gesprochen und jeder Mitarbeiter hatte die Chance, seine Ideen und Gedanken einzubringen“, erzählt Julia Kasper. Letztlich aber müsse man die Offenheit für Digitalisierung vorleben. So ist es für Hermann Kasper selbstverständlich, dass er bei den Videos für die Kunden von Holzgespür selbst vor der Kamera steht.

Durch die Digitalisierung ist das Tagesgeschäft auf jeden Fall entspannter geworden. Doch das Umdenken braucht Zeit. So kann es schon vorkommen, dass seine Tochter ins Büro kommt, viel Papier auf seinem Schreibtisch sieht und sagt: „Papa! Biste jetzt wieder Voll-Tischler?“ Hermann Kasper grinst und weiß, es ist Zeit, die Zettelwirtschaft wegzuräumen und wieder auf digital umzustellen.

www.holzgespuer.de

www.treppenbau-kasper.de


Die Autorin

Christine Speckner ist freie Journalistin und lebt bei Freiburg.

www.christine-speckner.de

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