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Haut über filigranem Holzskelett

Bootsbauer Thomas Grögler führt in die Geheimnisse des Baus eines Grönlandkajaks ein
Haut über filigranem Holzskelett

Boote und Schiffe begleiten den Menschen vom Anfang seiner Existenz an. Sie dienten zur Fortbewegung auf Flüssen, Seen und dem offenen Meer. Eine besondere Variante stellen dabei die Grönlandkajaks der Inuit, der Bewohner der nördlichen Polarregion, dar.

Die Fortbewegung auf dem Wasser und das Wissen um den Bau der dazugehörigen Boote hat in allen an der See und an Binnengewässern liegenden Kulturen eine lange Tradition. Je nach Region haben sich spezifische, an das jeweilige Gewässer und den Verwendungszweck angepasste, Varianten entwickelt. Von den aus dem vollen Baumstamm herausgearbeiteten Einbäumen der frühen Menschheit, über die geflochtenen Schilfflösse des Zweistromlandes bis hin zu den Rindenkanus der nordamerikanischen Indianervölker, stets hat sich der Mensch Gerätschaften erdacht und gebaut, die ihm eine Fortbewegung auf dem Wasser erlaubten. Die filigranen Grönländerkajaks der Inuit, der Ureinwohner der nördlichen Polarregion, stellen dabei eine besondere Variante des Bootsbaus dar: Federleicht und unter absoluter Materialminimierung konstruiert, sind sie seewassertauglich und genau auf die Bedürfnisse der Jäger der arktischen Gewässer zugeschnitten.

Thomas Grögler aus dem westlich von Nürnberg gelegenen, fränkischen Ort Langenzenn, unterrichtet Interessierte im Bau dieses individuellen Bootstyp.
Urtyp aller Kajaks
Mit seiner eleganten, an Bug und Heck aufgekimmten Form, dem geringen Gewicht und seiner unvergleichlichen Wendigkeit ist der »Grönländer« geradezu der Prototyp des seegängigen Kajaks. Das Boot wird nach Anatomie, Gewicht und Anforderungen des jeweiligen Kajakfahrers maßgefertigt. Der Schreiner, Möbelgestalter und Bootsbauer Thomas Grögler zeigt in seinen Bootsbaukursen wie ein solch äußerst robustes Kajak mit einer Länge von über fünf Metern gebaut wird.
Das Grönlandkajak, ein über viele Jahrhunderte hinweg entwickeltes, hocheffizientes Jagdboot, war für die Bewohner der arktischen Region unerlässlich, um die Nahrungsversorgung zu sichern und ein Leben in diesen Breiten überhaupt erst möglich zu machen. Dieser Bootstyp ist Vorbild für Faltboot und Seekajak – jeder weitere Kajaktyp wie Wildwasser-, Surfkajak oder Rodeoboot wurzelt in diesem Wasserfahrzeug aus der Arktis und stellt Variationen entsprechend seinem Einsatzzweck dar.
Leicht und flexibel, dazu auf die Bedürfnisse des Benutzers hin gefertigt, werden in den von Grögler angebotenen Kursen Boote gebaut, die auch unter schwierigen Bedingungen beherrschbar bleiben. Das Grönlandkajak ist ein ideales Boot für Meer, Seen und größere Fließgewässer. Allerdings wurden sogar viele der alpinen Erstbefahrungen in diesem Bootstyp erfolgreich durchgeführt. Frei von gestalterischen Bemühungen, bezieht dieses Boot seine unvergleichliche Eleganz aus der konsequenten Entwicklung der Funktionalität und der zugehörigen Paddeltechnik.
Warum nun ein Grönlandkajak selbst bauen? Weil in Zeiten von Kohlefaser und Polyethylen dieser Kajaktyp in seiner originalen Bauweise – und eben nicht in seinen mehr oder weniger gelungenen Abformungen in starremKunststoff – ein unübertreffliches Boot ergibt, so Grögler.
Auf Maß geschneidert
Zentraler Bestandteil beim Bau ist die Maßfertigung der Boote. Beispielsweise wird zur Bestimmung der Länge die dreifache Armspannweite des Paddlers als Maß genommen. Die weiteren körperbasierenden Maße zur Ermittlung des Bootsschwerpunkts oder der Position des Süllrandes, der Einfassung der Sitzöffnung, werden auf einer Art Wippe sitzend ermittelt und auf das zu bauende Boot übertragen.
Diese zunächst aufwendig erscheinende Methode ermöglicht den Bau wirklich passender Boote. Dies kommt besonders kleinen und leichten Kajakern zugute, die sonst nur schwer ein passendes Boot aus Serienproduktion finden können. Die leichte Konstruktion aus einem Holzskelett, früher bezogen mit Robbenhaut, ist an Stabilität kaum zu übertreffen. Seine relative Empfindlichkeit gegenüber punktueller Belastung macht es bei anderen Belastungsarten wie Sturz und Druck leicht wieder wett. Die flexible, gebundene Konstruktion trägt dazu entscheidend bei.
Unter Beibehaltung der originalen Bauweise werden auch einige moderne Materialien wie Polyestergarn statt Sehnen oder textile Gewebe statt Robbenhaut für die Bespannung verwendet. Dies bringt neben der leichteren Beschaffung eine sehr hohe Lebensdauer und damit Nachhaltigkeit mit sich.
Leicht und nachhaltig
Die Qualität des Boots bleibt erhalten und wird in einigen Bereichen sogar noch verbessert. Auf diese Weise kommt ein Grönlandkajak, im Gegensatz zu den Originalen, die alle zwei Jahre zerlegt und wiederaufgebaut wurden, mit einem sehr geringen Pflegeaufwand aus. Ein Boot dieser Bauweise bringt bei einer Länge von 5,30 Metern lediglich ein Gewicht von 10 bis 13 Kilogramm auf die Waage und ist damit selbst modernsten Bauweisen gegenüber konkurrenzfähig – ein Seekajak guter Qualität wiegt etwa das Doppelte.
Kein Boot ohne Paddel
Durch die spezielle grönländische Paddeltechnik mit ihrer niedrigen Paddelführung über das flach gebaute Boot lässt sich über einen langen Zeitraum ermüdungsfrei paddeln. Viele dieser Paddeltechniken können auf den Umgang mit modernen Seekajaks übertragen werden. Beispielsweise erfreuen sich die schmalen Grönlandpaddel zunehmender Beliebtheit unter Kajakfahrern.
Im Gegensatz zu ihrer Anmutung sind diese Paddel sehr effizient und wenig windanfällig. Ihre leichte Bauweise und einfache Bedienung überzeugen den Anwender bei allen Paddeltechniken und besonders beim »Eskimotieren«, dem Wiederaufrichten des Bootes nach dem Kentern. Diese ebenfalls von den Inuit entwickelte, überlebenswichtige Technik hat sich im Kajaksport fest etabliert und findet in grönländischen Wettkämpfen mit über 30 Variationen ihren Höhepunkt. Zusammenfassend kann man festhalten, dass der Selbstbau eines Grönlandkajaks eine handwerkliche Herausforderung darstellt, die motiviert. Das Ergebnis kann dann durchaus auch nur als sehr dekoratives Objekt dienen. Meistens jedoch werden die Boote gefahren – ob bei entspanntem Paddeln auf einem See bzw. Fluss oder unter vollem Einsatz auf dem offenen Meer.
In Gröglers Kursen finden sich nicht ausschließlich gestandene und erfahrene Holzhandwerker. Vielmehr sind seine Kurse offen für alle, die Interesse und Ausdauer haben, in einem zwölftägigen Kurs, nicht nur ein Boot zu bauen, sondern am Ende das unvergessliche Erlebnis zu haben, dass das Produkt ihrer Hände Arbeit die Erbauer tatsächlich übers Wasser trägt.
Thomas Grögler selbst ist natürlich ein erfahrener Kajakfahrer und hat seine Boote während vieler Touren auf verschiedenen Flüssen, Seen und auf dem Meer getestet. Diesen Sommer jedoch will er mit anderen Kajakbegeisterten für vier Wochen in die Ursprungsregion dieser Bootsart, nach Grönland, um dort den Einsatz unter realen Bedingungen zu erproben.
Zum unverzichtbaren Ausrüstungsgegenstand bei einer solchen Tour gehört, neben einem Grönlandkajak mit Paddel, laut Gröglers Aussage, auf jeden Fall ein GPS-Ortungsgerät und eine schußfähige Waffe – zumindestens solange hungrige Eisbären kein Deutsch verstehen! ■
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