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Mit Herz und Verstand

Erst denken, dann machen: Kükomo – gesunde Möbel
Mit Herz und Verstand

Für eine Firmengründung braucht es Mut und Unternehmergeist. Mit einem durchdachten Geschäftskonzept für gesunde Möbel überzeugt Marco Jaeger Kunden, Banken und Geschäftspartner. Der Businessplan zeigt: „Spielen wollte ich nicht.“ BM-Redakteurin Natalie Ruppricht

Marco Jaeger wirkt aufgeräumt, entspannt und zufrieden. Er scheint in sich zu ruhen. Das war nicht immer so. Bevor der Tischler am 1. Januar 2014 sein Unternehmen Kükomo gründet, arbeitet er viele Jahre als Architekt in einem großen Büro. „Anfangs bin ich immer fröhlich pfeifend da angekommen. Doch über die Jahre hat sich meine Stimmung irgendwie verdüstert und nach Feierabend war nichts mehr mit mir anzufangen.“

Mit der Geburt seiner Tochter beschließt der damals 35-Jährige deshalb bereits 2013, dass sich in seinem Leben etwas ändern muss. Er will zurück ins Handwerk, sich selbstständig machen und dazu die Werkstatt des Vaters in Schmalkalden, Thüringen übernehmen. Während seine Frau wieder arbeiten geht, nimmt Jaeger Erziehungszeit: Das komplette zweite Lebensjahr seiner Tochter verbringt er mit ihr zu Hause – sowie auf Spielplätzen, in der Musik- oder Tanzschule, auf Wandertagen und in Kindergärten.
Daneben bereitet er sich auf die Gründung vor: liest, recherchiert, besucht Fortbildungen. „Die Notwendigkeit eines Businessplanes habe ich jedoch lange nicht gesehen.“ Erst in Gesprächen mit der Handwerkskammer habe sich herauskristallisiert, dass er auf jeden Fall einen schreiben muss. „Nur so findet man eine Bank, die das Vorhaben finanziert.“
Wie aus der Vision ein Konzept wird
Als er sich dann an die Arbeit macht, merkt Jaeger aber schnell, dass auch er von einem Businessplan profitieren kann. „Er zwingt zur Klarheit – und dazu, sich mit all den Chancen und Risiken, die die Gründung mit sich bringt, ehrlich auseinanderzusetzen.“ Die Grundidee ist schnell formuliert, doch beim Schreiben fallen dem jungen Vater immer neue Punkte ein, die es zu bedenken gilt. Diese sammelt er zunächst in einer Mindmap und visualisiert sein Geschäftsmodell unter anderem mit dem „Business Model Canvas“ (s. Grafik). Für die schriftliche Ausarbeitung – Jaeger nutzt die Software des BMWi – benötigt er dann etwa drei Monate.
Für das gute Gefühl …
Im Business- oder Geschäftsplan beschreibt ein Gründer unter anderem, was das Besondere an seinem Betrieb ist und wie er sich von der Konkurrenz abheben will. Bei Kükomo liegt der Fokus auf Ökologie und Nachhaltigkeit. „Für mich ist es wichtig, womit wir uns umgeben“, erklärt Jaeger, „denn unsere Umgebung kann uns Energie rauben oder uns mit zusätzlicher Energie versorgen.“ Viele Menschen achten inzwischen darauf, was sie essen, woher ihre Kleidung kommt und wie viel Sprit ihr Auto verbraucht. „Kaum einer macht sich hingegen Gedanken über den ökologischen Fingerabdruck eines Möbelstückes.“
Das will Jaeger ändern. Er fertigt individuelle Einrichtungsgegenstände für Privatpersonen, die sich für Materialität und Ästhetik begeistern. Dafür verwendet er ausschließlich FSC- oder PEFC-zertifizierte Werkstoffe. Soll eine Oberfläche lackiert werden, arbeitet er nach Möglichkeit nicht mit Nitro-, sondern nur mit Wasserlacken. Sein Angebot geht sogar noch weiter: Wenn der Kunde es wünscht, wird eine Heilpraktikerin hinzugezogen, die kinesiologisch prüft, wie die Person auf verschiedene Materialien reagiert.
„Ich ziele nicht auf Kunden ab, die drei Angebote einholen und sich dann für das billigste entscheiden. Ich will jene, welche sich für den Anbieter entscheiden, bei dem sie das beste Gefühl haben.“ Deshalb ist jedes Angebot von Jaeger eine Liebeserklärung ans Möbel. Stolz berichtet er von einem aktuellen Auftrag, bei dem es um einen speziellen Flurschrank mit versteckter Tür ins Badezimmer geht. Das Kükomo-Angebot war 20 % teurer als das des Zweitplatzierten, „aber bei mir fühlte sich der Kunde besser verstanden“. Trotzdem hat der Unternehmer natürlich den Anspruch, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln.
Nur Professionalität wird ernst genommen
Daher zählen zu den ersten Investitionen neben der Konstruktions- und Visualisierungssoftware Vectorworks Interiorcad vor allem Maschinen: eine vertikale CNC von Weeke, eine Breitbandschleifmaschine von Bütfering sowie die hierfür erforderliche Absaugtechnik von Höcker Polytechnik. „Investitionen müssen sein, wenn ich etwas erreichen und ernst genommen werden will.“ Das fängt beim Briefpapier an: „Klar kann ich mir in Word selbst etwas basteln – oder eben einen professionellen Grafiker beauftragen.“
Wie aus dem Spitznamen eine Marke wird
Zum Firmennamen hat Jaegers große Tochter einen beachtlichen Beitrag geleistet, als sie ihm vor Jahren den Spitznamen „Küko“ verpasst hat – warum, weiß keiner so genau. Begriffe wie Manufaktur sind nie ein Thema: „Wie viele Tausende gibt es davon?“ Selbst der Nachname ist schnell vom Tisch, weil es in der Nähe eine Schreinerei mit derselben Schreibweise gibt. Trotzdem hat die Excel-Liste mit Ideen am Ende an die Hundert Einträge. Zur finalen Entscheidung trägt zudem bei, ob die jeweilige Domain verfügbar ist. Und neben dem Klang liegt der Fokus auf Einzigartigkeit. Beim Deutschen Patent- und Markenamt lässt Jaeger sich schließlich „Kükomo“ für rund 300 Euro schützen.
Der Agentur „Lauthals“, die der Architekt und Tischler bei einer Gründermesse kennenlernt und schließlich mit der Entwicklung von Logo und Webseite beauftragt, gefällt dieser persönliche Ansatz sowie das Konzept, absolut individuelle Möbel zu produzieren. Sie haben eine tolle Idee für das Logo: „Was gibt es individuelleres als einen Fingerabdruck?“ Also zieren die Linien von Jaegers rechtem Daumen das Innere einer Baumscheibe – einfach, aber genial! Visitenkarten und Briefpapier – vorne schlicht, auf der Rückseite mit einem stimmungsvollen Waldbild – lassen sie bei einer Ökodruckerei herstellen. Außerdem versieht Jaeger jedes seiner Möbel mit einem Brandstempel. Bisher sind rund 8000 Euro ins Corporate Design geflossen, die dem Firmeninhaber jeden Cent wert waren.
Die Zahlen stets im Blick
Die gesamte Startfinanzierung für Kükomo lag bei 140 000 Euro. 120 000 kamen von der Bank, 10 000 waren Eigenkapital. Der Rest: ein Gründerzuschuss von der Agentur für Arbeit sowie Fördermittel von der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung des Freistaats Thüringen. Die übernimmt 80 % der Kosten für Anwalt und Steuerberater, ein zweitägiges Gründerseminar und viele Fortbildungen. Weil Jaeger weiß, dass viele Insolvenzen auf mangelnde Liquidität zurückzuführen sind, legt er in seinem Businessplan besonderen Wert auf die Liquiditätsplanung. Hier betrachtet man alle Geldflüsse der ersten drei Geschäftsjahre: Wann muss ich die Raten für neue Maschinen bezahlen? Wann kommt die Vorsteuer zurück? Wie viele Angebote muss ich schreiben, um den geplanten Umsatz zu erreichen? „Seine Zahlen sollte man immer im Blick haben!“
Dahinter stehen und dran bleiben
Eine weitere wichtige Entscheidung bei der Gründung: die Rechtsform. Jaeger führt ein Einzelunternehmen, weil er hier die größte Haftung hat. Wäre das nicht ein Argument dagegen? Nein, ist er sich sicher: „Ich stehe hinter dem, was ich tue. Mit entsprechender Projektgröße werde ich wahrscheinlich die GmbH wählen, um große Ausfälle stemmen zu können. Doch momentan fühle ich mich als Einzelunternehmer.“
„Welche Bedeutung hat der Geschäftsplan für Sie?“, will ich schließlich wissen. Er sei Fahrplan, Absicherung und Leitfaden zugleich, außerdem sehr beruhigend, weil drin steht, was zu tun ist. „Wenn ich das umsetze, kann nichts schief gehen“, schmunzelt Jaeger. Er nutzt das Dokument vor allem für sich selbst, etwa um seine Ziele zu kontrollieren. Außerdem kam es natürlich im Bankgespräch zum Einsatz. Das Feedback seiner jetzigen Hausbank war sehr positiv, der Berater einer anderen Bank hatte ihn aber offensichtlich gar nicht gelesen. „Er war nicht in der Lage, über den Tellerrand zu schauen, hat mich belächelt und von Tischlern erzählt, die für 18,50 Euro die Stunde mit anonymen Transportern durch die Gegend fahren“, ärgert sich Jaeger. Diese Episode zeigt: Es ist wichtig, sich nicht unterkriegen zu lassen, an sein Vorhaben zu glauben, dran zu bleiben.
Man muss sich auch präsentieren können
Jaeger ist dran geblieben und hat noch viel vor. Er wird ab dem Sommer ausbilden und muss laut Businessplan im Januar 2017 vier Gesellen beschäftigen – bisher hat er einen. Die Suche ist gar nicht so einfach: „Ich brauche Tischler, die einen PC bedienen und Pläne lesen können, Organisationstalent haben und mein Konzept mittragen. Außerdem sollten sie bereit sein, sich in CNC-Technik schulen zu lassen.“ Wenn er sie gefunden hat, will er sich aus dem Tagesgeschäft herausnehmen und auf die Planung konzentrieren. Vielleicht setzt er eines Tages einen Werkstattleiter ein und eröffnet in seiner Heimat Erfurt einen Showroom.
Außerdem ist Jaeger viel unterwegs: Er hält Vorträge an Hochschulen, nimmt an Podiumsdiskussionen teil und engagiert sich für die Junioren des Handwerks. „Dort trifft man viele Gleichgesinnte. Oft ergibt eines das andere.“ Kürzlich war ein Filmteam bei ihm und hat für einen Imagefilm der Aufbaubank gedreht. „So etwas passiert nur, wenn man präsent ist. Wir sollten nicht nur arbeiten. Man muss sich auch präsentieren können. Das ist der Unterschied zur Fraktion mit den weißen Transportern und tut dem Handwerk gut.“
Kükomo – gesunde Möbel
98574 Schmalkalden

Der Businessplan: Inhalte, Funktion und Vorgehen

Wer sich selbstständig machen will, muss einen Businessplan ausarbeiten. Darin beschreibt der Gründer seine Geschäftsidee und wie er sicherstellen will, dass das Vorhaben gelingt. Der Umfang kann stark variieren: wenige Seiten oder ein halber Roman. Bei einem sehr umfangreichen Geschäftsplan empfiehlt es sich, die wichtigsten Aspekte zu Beginn nochmal zusammenzufassen.

Ist ein Kredit notwendig, will die Bank den Businessplan sehen. Doch auch für den Gründer hat er viele Funktionen:
  • Er hilft, andere Menschen von seinem Vorhaben zu überzeugen.
  • Er ermöglicht die Erfolgskontrolle.
  • Er zwingt zu einer systematischen Vorgehensweise, macht Wissenslücken und Probleme sichtbar.
  • Er gibt einen Gesamtüberblick über die Dimension des geplanten Vorhabens.
  • Er erhöht die Erfolgsaussichten, hilft Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten aufzuzeigen.
Der Geschäftsplan hat folgende Inhalte:
  • Geschäftsidee: Wie und womit wollen Sie sich selbstständig machen? Was wollen Sie herstellen, welche Dienstleistungen anbieten? Wo liegen die Besonderheiten?
  • Persönliche Voraussetzungen des Gründers: Ausbildung, (Berufs-)Erfahrung, kaufmännische Kenntnisse, finanzielle Verpflichtungen, privates Umfeld
  • Markteinschätzung: Zielgruppen, Marktvolumen, Wettbewerbssituation
  • Zukunftssaussichten: persönliche Ziele sowie allgemeine Chancen und Risiken
  • Standortwahl sowie notwendige Produktions- und Dienstleistungsfaktoren
  • Rechtsform
  • Genehmigungen und Versicherungen
  • Finanzplanung mit Investitions- und Kapitalbedarf sowie Liquiditätsvorschau
  • Finanzierung
Bei der Erstellung eines Businessplanes können diverse Tools helfen. Nützliche Infos gibt es z. B. unter

Meine Meinung: Ein Vorbild für die Branche
BM-Redakteurin Natalie Ruppricht

Wenn man mit Marco Jaeger spricht, bekommt man Lust, selbst was auf die Beine zu stellen. Mir schwirren Namen und Ideen durch den Kopf. Doch schnell merke ich, wie schwer es ist, die Gedanken zu Ende zu bringen. Ich finde es mutig und toll, dass und vor allem wie Jaeger gegründet hat. Ein Kollege mehr, der beweist: Tischler sind vielseitig, intelligent und sympathisch.

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