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Von ideal zu optimal

Mehr Platz: Die Schreinerei MTB plant ihre Werkstatt neu
Von ideal zu optimal

Die Heidelberger Schreinerei MTB platzte aus allen Nähten, deshalb sollte die Produktionsfläche verdoppelt werden. Man wollte anbauen. Doch weil nicht ins Blaue hinein geplant werden sollte, feilten die 23 Mitarbeiter gemeinsam mit den Chefs und einem Berater einen ganzen Tag lang an der optimalen Lösung.

Autor: Martin Buck
Was aber ist der optimale Fertigungsablauf? Wie sieht der Idealzustand aus? „Die beste Antwort auf diese Frage erhält man nur, wenn man die Mitarbeiter in die Planung einbezieht“, davon ist Martin Buck überzeugt. Denn nur sie kennen alle Abläufe im Betrieb genau. Nur sie sind in der Lage, alle Planungsschritte und Planungsergebnisse vorab im Kopf mit den realen Arbeitssituationen abzugleichen. Um eine möglichst große Bandbreite an möglichen Lösungen zu erhalten und weil es sich durch die große Anzahl der Mitarbeiter anbot, ließ Martin Buck bei der Schreinerei MTB zwei Gruppen gegeneinander antreten. Sie sollten jeweils an einem dreidimensionalen Holzmodell eine Grundriss-Planung erarbeiten. Die beiden Geschäftsführer Werner Mohr und Rudolf Bächle waren einverstanden.

Klar war, dass der Anbau in einem Winkel von 90° zum bestehenden Gebäude errichtet werden musste – anders ging es nicht. Und auf welche Faktoren man bei einem gelungenen Werkstatt-Layout achten muss, fasste Martin Buck vorab in einem kleinen Vortrag praxisorientiert zusammen. Denn auch wenn viele äußere Faktoren das Ergebnis beeinflussen, wie finanzielle Rahmenbedingungen, zeitliche Umsetzung, Integration in den laufenden Fertigungsprozesse oder baurechtliche Bedingungen, sollte es bei der Planung immer um den Idealzustand gehen. Erst wenn dieser Idealzustand vor Augen steht, kann man abwägen, an welchen „Schrauben“ man dreht.
Bei einem gelungenen Werkstatt-Layout geht es nun nicht nur darum, das Material auf kürzestem Wege von Maschine zu Maschine zu transportieren und sich dabei gegenseitig nicht zu behindern, sondern um die Berücksichtigung folgender vier Planungsfaktoren: Tätigkeitsschwerpunkte, Standorte, Flächenverhältnisse und Flächenarten.
Beim Planungsfaktor „Tätigkeitsschwerpunkte“ geht es darum, herauszufinden, welche Produkte und Werkstoffe Priorität haben. Handelt es sich z. B. um Möbel oder Treppen oder Fenster, werden Einzelstücke oder Objekte oder Kleinserien gefertigt? Werden im Wesentlichen Plattenwerkstoffe verwendet oder auch Massivholz? Wie hoch ist der Anteil der zu lackierenden Werkstücke?
Immer muss dabei zwischen den einzelnen Bereichen abgewogen werden. Hier hilft es, die Prioritäten nach A, B und C festzulegen.
Achten Sie auf genügend Wege- und Pufferflächen
Der Planungsfaktor „Standorte“ bezieht sich auf die Lage der Arbeitsbereiche zueinander: Idealerweise sollten sie wie Perlen auf der Schnur angeordnet sein, ohne Überschneidungen untereinander. Also nach der Anlieferung der Maschinenbereich, dann der Handarbeitsbereich und zum Schluss die Auslieferung. Der Bereich „Oberfläche“ liegt (im Innenausbau) üblicherweise parallel zum Handarbeitsbereich, weil hier die Produkte oft unterschiedlich durchlaufen: Es gibt Material, das ohne Oberfläche durch die Werkstatt fließt, es gibt Material, das nach der Oberfläche verladen wird, und Material, das nach der Oberfläche erneut bearbeitet wird. Im Holzfensterbau dagegen hat die Oberfläche einen festen Platz zwischen Maschinenarbeit und Anschlagbereich, im Treppenbau meist nach der Handarbeit.
Doch wie viel Fläche erhalten die einzelnen Arbeitsbereiche? Darum geht es beim Planungsfaktor „Flächenverhältnisse“. Häufig werden die Handarbeitsbereiche unterschätzt, obwohl dort ein großer Teil der lohnbezogenen Fertigungskosten entsteht. Die Frage heißt also: Wie viele Mitarbeiter arbeiten wie lange in welchem Bereich? Oder: Wie viel Material wird wie lange wo bearbeitet?
Der entscheidendste Punkt beim Planungsfaktor „Flächenarten“ ist, dass sich die Bereiche nicht überschneiden dürfen. Die wichtigsten Anforderungen an das Werkstattlayout – kurze Wege und keine Behinderungen – werden hier maßgeblich beeinflusst. Es gibt Lagerflächen, Arbeitsflächen, Wegeflächen und Zwischenlager- oder Pufferflächen. Auf den Lagerflächen werden unverarbeitete Materialien gelagert. Auf den Arbeitsflächen werden Werkstücke unmittelbar bearbeitet. Die Wegeflächen dienen dem Materialtransport und der Zugänglichkeit aller Bereiche. Sobald während der Fertigung unterschiedliche Bearbeitungsgeschwindigkeiten entstehen, sind Pufferflächen notwendig, damit das Material „geparkt“ werden kann. Auf den Pufferflächen können bearbeitete Werkstücke zwischen zwei Stunden und zwei Wochen stehen, ohne den Fertigungsprozess zu behindern. Ihr Anspruch auf Fläche ist häufig genauso wichtig wie der Anspruch einer Maschine. Erfahrungsgemäß wird häufig den Wege- und Pufferflächen zu wenig Bedeutung beigemessen. Beispielsweise sollte die Fläche vor dem Kantenanleimer niemals ein Verkehrsweg sein.
Die Lösungsvorschläge greifen ineinander
Mit diesen Infos konnten die MTBler loslegen: Die „Tätigkeitsschwerpunkte“ ergaben aufgrund der konsequenten Betriebsdatenauswertung: Es werden 90 % Plattenwerkstoffe und 10 % Massivholz zu hochwertigen Möbeln bzw. Innenausbau für Privatkunden und im Objektbereich verarbeitet. Dabei werden etwa 30 % der Werkstücke lackiert.
Die beiden Gruppen planten gut 2,5 Stunden unabhängig voneinander. In einer zweiten, drei Stunden dauernden Arbeitsphase wurden dann die beiden Entwürfe in einer endgültigen Version zusammengeführt. Damit kein „Kampf“ um die bessere Version entbrannte, ließ der Berater nach einer Kurzpräsentation beider Entwürfe nur positiv formulierte Meinungen zu. Nach einem kurzen Überraschungsmoment wegen des „Kritikverbots“, gab es schnell viele anerkennende Kommentare. Die Lösungsvorschläge griffen ineinander und schnell war allen klar, dass die Lösung des „Maschinenraums“ der ersten Gruppe besser gelungen war, während der Bereich „Bankraum“ von der zweiten Gruppe den besseren Weg aufzeigte. Die Lösung für den Bereich „Oberfläche – parallel zum Bankraum“ wurde dann zielstrebig gemeinsam erarbeitet werden.
Viel Fläche für den Handarbeitsbereich
Der optimale Zustand wurde wie folgt festgeklopft: Aufgrund der Fertigungsschwerpunkte wurden die Bereiche bei der Plattenbearbeitung großzügig angelegt, wohingegen bei den Massivholz-Maschinen auch Überschneidungen akzeptiert wurden. Weil ca. acht bis zehn Mitarbeiter ständig im zeitaufwendigen Bereich der Handarbeit tätig sind, stehen hierfür ca. 30 % der gesamten Fläche zur Verfügung. Auch der Oberflächenbereich erhielt besondere Aufmerksamkeit. Damit wirtschaftlich an- und ausgeliefert werden kann, wurde ein linearer Ablauf gewählt: Die Werkstoffe werden in der neuen Halle angeliefert und gelagert. Hier gibt es viel Fläche und Raumhöhe für großflächige Plattenwerkstoffe und große Maschinen (Säge, Kante, CNC). Die Handbearbeitung von Werkstücken und Möbelteilen sowie die Auslieferung erfolgten in der alten, kleinteiligeren Halle, die in der Höhe eingeschränkt ist, weil mit einem Zwischengeschoss Büro- und Sozialräume untergebracht sind. Der explosionsgeschützte Spritzraum ist aufwendig in diesem Gebäudeteil eingebaut und nur schwer zu versetzen. Da die Formatkreissäge sowohl vom Maschinenraum als auch vom Handarbeitsbereich genutzt wird, muss sie für beide gut erreichbar sein. Da die Breitbandschleifmaschine zu zwei verschiedenen Zeitpunkten des Fertigungsablaufes benötigt wird – für Kalibrierarbeiten genauso wie für Lackschleifarbeiten – wurde sie direkt neben der Oberfläche, aber trotzdem in Nähe des Maschinenraums positioniert.

Werner Mohr hat gelernt hinzuhören: Mitarbeiter müssen mit ins Boot

„Früher habe ich vieles über die Köpfe meiner Mitarbeiter hinweg entschieden,“ erinnert sich Werner Mohr, einer der beiden Geschäftsführer der MTB Schreinerei. „Ich musste erst lernen, hinzuhören und meine Leute ernst zu nehmen.“ Hand in Hand mit dem Projekt „Personalentwicklung“ ging das Projekt der Werkstattoptimierung. Denn: „Ich glaube nicht, dass man durch den Kauf einer neuen Maschine einen Betrieb entscheidend nach vorne bringen kann. Entscheidend sind vielmehr Personalmanagement, Werkstattorganisation und die Optimierung von Ressourcen.“ Auch wenn es manchmal schwierig ist, alle Ansprüche unter einen Hut zu bekommen, ist ihm eines wichtig: „Die Lösung muss von den Mitarbeitern akzeptiert werden.“ Und: „Verbesserungsvorschläge sollten unbedingt ernst genommen und wenn irgend möglich umgesetzt werden – sonst kommt bald der Frust.“

Martin Buck

 

Der Autor
Martin Buck ist seit mehr als zehn Jahren als Berater für die Werkstattorganisation in Tischlereien tätig.
www.buckoptimal.de

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