Früher sah es hier noch ein bisschen romantischer aus, ein bisschen alternativer vielleicht: Auf der einen Seite eine Fichtenschonung, auf der anderen Seite eine Obstwiese, auf der sich eine Wagenburg mit Handwerkern etabliert hatte. Dahinter versteckt, hatte kaum jemand eine Schreinerei vermutet. Heute nun säumen Neubauten den ruhigen Weg zur Werkstatt in Bonn-Beul, die quasi im Hinterhof liegt. Von der Idylle übrig geblieben ist noch ein kleiner, feiner Außenbereich mit Grillplatz. Und nebenan steht eine Blockhütte mit firmeneigener Sauna. Davor ein riesiger Badezuber. Ich staune. „Im Winter machen wir wöchentlich einen Saunatag,“ erklärt Stefan Hampel. Alles freiwillig natürlich. So persönlich, locker und entspannt, wie sich ein Saunaabend mit Arbeitskollegen anhört, ist auch die Atmosphäre hier. „Wir duzen uns, oder?“ fragt mich der Tischlermeister gleich nach meiner Ankunft. Klar, ich bin einverstanden. So kenne ich es aus dem Handwerk.
Die Schreinerei Hampel zeigt, dass auch ohne zusätzliche Meister die Arbeit in einer Werkstatt reibungslos ablaufen kann. Alles ist organisiert, über alles wird gesprochen und jeder ist an Entscheidungen beteiligt. Das Team hält zusammen und das nicht allein durch seinen fürsorglichen Chef, der sich selbst auch ein bisschen als Vaterfigur sieht. Weihnachtsgrillen bei klirrender Kälte, Kanutouren bei schönstem Frühlingswetter und regelmäßige Kochabende beim Chef in der Küche. Stefan Hampel hat ein offenes Ohr für jeden seiner Mitarbeiter: Sechs Gesellen und Gesellinnen, sechs Azubis, eine Bürokauffrau.
Jeder darf mitreden
Und da wären wir auch schon bei einer der Besonderheiten an dieser Firma: die Anzahl der Auszubildenden. Knapp die Hälfte seiner Mitarbeiter sind in der Lehre. Kann das gut gehen? „Warum nicht?“ fragt Stefan Hampel zurück. Auszeichnungen wie „bester Ausbildungsbetrieb“ und Bewerbungen von 20 bis 30 Lehrstellenanwärtern pro Jahr sprechen eindeutig dafür – und das in Zeiten des Fachkräftemangels.
Eine weitere Besonderheit: Die Mitarbeiter dürfen sich ihren zukünftigen Kollegen jedes Jahr selbst aussuchen. Nachdem etwa zwölf ausgewählte Kandidaten im Zeitraum von Herbst bis Ostern ihr Praktikum absolviert haben, findet eine interne Abstimmung statt. „Erstaunlicherweise sind wir uns meistens ziemlich einig über den neuen Lehrling,“ resümiert der Chef.
War nicht geplant: die vielen Azubis
Dieses Miteinbeziehen der Mitarbeiter trägt auch zu dem guten Betriebsklima bei. Ein Betriebsklima übrigens, das auch Kunden und Kollegen positiv auffällt.
Jeder Geselle bekommt morgens einen Lehrling zugeteilt. So kommt keine Langeweile auf und die Azubis wechseln durch die Abteilungen. „Meine Gesellinnen und Gesellen erbringen den größten Teil der Ausbildungsleistung bei den Azubis,“ das weiß Stefan Hampel zu schätzen. „Ich bin nur unterstützend tätig.“
Sobald die Azubis bereit dafür sind, werden sie auch schon mal alleine zu Montagen oder kleineren Reparaturaufträgen geschickt. So wachsen sie langsam ins Gesellenleben hinein. „Das mit den vielen Azubis war so nicht geplant,“ sagt Stefan hampel rückblickend. „Doch es macht Spaß, wir haben Erfolg und die Nachfrage ist enorm.“
Den ersten Lehrling hatte Stefan schon pünktlich zum Start in seine Selbstständigkeit im Jahr 1993. Wissen weitergeben und neues Wissen aufsaugen: „Ich mache das gerne“, sagt der Tischlermeister von sich. Auch deshalb ist er Mitglied des Meisterprüfungsausschusses in Köln.
Was auch nicht geplant war: Dass mindestens die Hälfte der Mitarbeiter Frauen sind, ist im Tischlerhandwerk eher ungewöhnlich. Aber: „Mir gefällt dieses Gleichgewicht von Männern und Frauen. Das ist gut fürs Team,“ weiß Hampel aus Erfahrung.
Sicherheitstechnik im Fokus
Doch leidet bei soviel guter Stimmung nicht die Arbeit? Mitnichten! Das Geschäft brummt. Der Möbelbau ist dabei nur noch ein kleiner Teil der Aufträge. Sicherheitstechnik steht hoch im Kurs. „Außerdem arbeiten wir mit einem festen Montageteam für Eigentümergemeinschaften und Wohnungsbaugesellschaften,“ erklärt Stefan sein Geschäft.
Spanplatte kommt hier immer noch nicht auf die Säge. „Das ist kein Holzwerkstoff!“ Bei der Auswahl des Massivholzes wird auf einheimisches Holz zurückgegriffen.
Kompromisse hat der Tischlermeister mit der Spritzkabine gemacht. Auf das Lackieren zu verzichten, war auf die Dauer nicht durchsetzbar. Und wenn Kunden sich etwas in den Kopf gesetzt haben, hütet sich Stefan Hampel davor, sie zu anderen Dingen zu überreden. Vom Öl überzeugen, obwohl Lack gewünscht ist? „Das geht meistens schief. Da gibt es nachher nur Reklamationen,“ warnt Hampel. Gerne berät er, wo Rat gewünscht ist und gerne hebt er die Vorteile ökologisch wertvoller Oberflächen und Materialien hervor. Doch zu seinem Glück zwingen, möchte er niemanden.
Die Kunden der Schreinerei Hampel sind praktischerweise alle im Umkreis von 30 Minuten mit dem Auto zu erreichen. Deshalb auch der Fokus auf lokale Werbung und Präsenz.
Lokal, regional und nah am Kunden
Jedes Jahr wird die Schreinerei Hampel ein bisschen bekannter: „Wenn man sich nicht ganz dumm anstellt,“ schmunzelt Stefan. Ab und an mal etwas Sinnvolles in der Presse sagen, sich nicht verkriechen, sondern darstellen. „Ein Tischler wird nicht gefunden. Er muss sich präsentieren.“ Und das sagt einer, der weiß, dass es auch mal schwere Zeiten geben kann. Die kleine Tischlerei, die 1997 mal fast vor dem Aus stand, muss sich heute keine Sorgen mehr machen. Zu Gründungszeiten Mieter von einer 80 m2 Werkstatt – heute Besitzer der kompletten 300 m2 Bude inklusive Wohnhaus.
Geholfen haben da sicher auch gezielte Werbestrategien. Lokal, regional und nah am Kunden. Werbung auf einem Linienbus, Stand auf einem kleinen Stadtteilfest und die Pflege der Internetseite. „Das mache ich liebend gerne selbst,“ sagt Stefan Hampel. Den kompletten Internetauftritt hat er sich zu Beginn seiner Selbstständigkeit selbst erstellt. Er war damit einer der ersten Tischlereien, die eine Webpräsenz hatten. „Und bis heute aktualisiere ich die Beiträge regelmäßig. Darauf achten die Kunden und besonders die Suchmaschinen,“ erklärt Stefan.
Der Laden soll laufen
Doch letztendlich muss natürlich die Arbeit den Kunden überzeugen. Deshalb besuchen seine Gesellen regelmäßig die neuesten Schulungen und so manches Mal legt auch Stefan für alle einen Schulungstag in der Werkstatt ein. Zudem wird auf minutiöse Pünktlichkeit Wert gelegt: „Wenn wir uns voraussichtlich um fünf Minuten verspäten, bekommt die Terminplanung im Büro schon Schnappatmung,“ lacht Stefan.
Dass der Laden läuft, ist Stefan Hampel wichtig. Und am besten mal ganz ohne ihn, denn irgendwann will der 58-Jährige raus sein und den Ruhestand genießen. Die Planungen dafür haben schon begonnen.
Schreinerei Hampel
53227 Bonn
Die Autorin
Anna-Katharina Ledwa ist Tischlerin und Projektgestalterin (HWK), arbeitet als Gesellin in der AV und entwickelt nebenberuflich eigene Produkte.