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„Wir haben es lockerer“

Matthias Brack verbessert mit seinem Team sein Unternehmen kontinuierlich
„Wir haben es lockerer“

Mit Konsequenz und Ausdauer ist es Matthias Brack gelungen, das ursprünglich für die Industrie gedachte System KVP für das Handwerk nutzbar zu machen. Gemeinsam mit seinem Team verbessert der Schreinermeister seit zehn Jahren kontinuierlich die Abläufe in seinem Unternehmen. Und stellt immer wieder fest: „Wir haben es lockerer.“ Oder genauer gesagt: „Wir arbeiten stressfreier und effektiver, schaffen in der gleichen Zeit deutlich mehr und verdienen dadurch mehr Geld.“

Autor: Regina Adamczak

I Doch mühsam war der Weg schon. Und wenn Matthias Brack seinen Kollegen davon berichtet, so hört er oft: „Das ist so ein Riesenberg, ehe ich mich da heran wage …“ Doch Brack kann seinen Kollegen auch Mut machen: „Wenn man den Erfolg sieht, kommt der Spaß von selbst.“ Und: „Ich bin eigentlich ein bequemer Mensch, aber wenn ich den Verbesserungsprozess nicht ständig vorangetrieben hätte, müsste ich heute immer noch auf betrieblich wichtige Freiräume verzichten.“

KVP an das Handwerk angepasst
Im Jahr 2004 ist er in den Betrieb seines Vaters in Altusried, das in der Nähe von Kempten im Allgäu liegt und heute auf Wintergärten spezialisiert ist, eingestiegen. Für den Vater war es noch undenkbar, während des laufenden Geschäftes mehr als zwei Tage nicht im Betrieb zu sein. Das aber war wiederum für den Junior kein erstrebenswertes Ziel. Auch klagte der Senior: „Ich räume immer auf, aber die Mitarbeiter …“ So stand ursprünglich auch das Thema Ordnung ganz oben auf der Liste der verbesserungswürdigen Bereiche.
Ein Vortrag hatte Matthias Brack auf die Idee gebracht, den „Kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ (KVP) in seinem Betrieb einzuführen. Ganz am Anfang gab es zwei Termine mit externen Beratern, doch Brack merkte bald, dass die „Industrie-Denke“ nicht zu seinem Handwerksbetrieb passte. „Wir haben dann alleine weiter gemacht und das System für das Handwerk angepasst.“
Ein wichtiges Ziel der KVP ist es, Verschwendung aufzudecken: nicht benötigtes Material, vollgestellte Flächen, lange Transportwege, Wartezeiten, Suchzeiten, Nacharbeiten von fehlerhaften Produkten oder gar Ausschuss. Zwar wollte man mit dem Thema Ordnung beginnen, da Brack jedoch festgestellt hatte, dass letztendlich bei der Montage am meisten Potenzial verloren ging, nahm man sich dieses Bereiches an. Zusammen mit seinen Mitarbeitern – denn schließlich waren diese ja direkt mit den Problemen konfrontiert – wurden die Auftragsunterlagen und der Ablauf optimiert.
Heute gibt es Checklisten, die nicht nur alle Aufmaßdaten und technischen Feinheiten berücksichtigen, sondern auch Informationen über die Zufahrt, Gerüststellfläche, Lagermöglichkeiten, den Baustrom bis hin zur Möglichkeit der Toilettennutzung beinhalten. „Wie oft hatten wir Wartezeiten, weil auf der Baustelle irgendetwas nicht gepasst hat.“ Das ist heute vorbei. „Mein Montageleiter ist seit 40 Jahren dabei und er läuft mittlerweile immer mit einem Notizblock herum, um neue Ideen aufzuschreiben.“ Und Brack muss zugeben:
„Ich bin auch heute noch immer wieder baff, auf was für super Ideen meine Mitarbeiter kommen.“
Ein neues Bewusstsein entwickeln
Doch nicht alle Mitarbeiter wollten sich auf das neue System einlassen. Zwei sind gegangen. „Am Anfang war das ein Schock für mich, aber letztendlich brauche ich Mitarbeiter, die mitdenken, die für den Betrieb stehen und Verantwortung übernehmen.“ Fast zwei Jahre habe es gedauert, bis sich das Bewusstsein in der Belegschaft geändert hat, bis sich eine neue Unternehmenskultur gebildet hat, die Mitarbeiter offen ihre Meinung sagten und über Probleme sprachen. Denn: „Es geht nicht darum, das Verhalten zu ändern, es muss ein neues Bewusstsein entstehen.“
Mit jedem Mitarbeiter führt Matthias Brack einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch, um zu erfahren, was gefällt und wo es noch Handlungsbedarf gibt. „Letztendlich müssen wir schauen, dass wir unser beider Interessen unter einen Hut bekommen. Einer meiner Mitarbeiter will zum Beispiel selbstständig arbeiten, Verantwortung übernehmen, aber er möchte auch Zeit haben zu reisen. Also macht er in jedem Winter einen großen Urlaub. Ein anderer engagiert sich ehrenamtlich in der Jugendarbeit. Klar, dass wir ihm dafür genügend Freiraum einräumen.“
Alle drei Monate treffen sich alle zum Stammtisch außerhalb der Arbeitszeit. Für Brotzeit und Getränke sorgt der Chef. Nach einem allgemeinen Teil mit betrieblichen Infos nimmt man sich eine neue Problemstellung zur Brust. Dann heißt es: Daten sammeln, Ist-Zustand erfassen, Lösungen entwickeln, Aufgaben verteilen, Maßnahmen durchführen, Ergebnisse prüfen. Das hört sich nach viel Arbeit an, aber: „Alle freuen sich schon auf den nächsten Stammtisch.“
Man muss den Mitarbeitern aber auch genügend Freiraum geben, weiß Brack aus Erfahrung. Wenn zuviel vorgegeben wird, führt das zu Unzufriedenheit. Und natürlich braucht es Zeit, um die geplanten Dinge umzusetzen.
Mehr Mitarbeiter, mehr Umsatz, mehr Gewinn
Nach der Neuorganisation der Montage kamen die Auftragsunterlagen an die Reihe, nach den Auftragsunterlagen das Lager …. aber: „Der Prozess hört nie auf und wir sind auf neue Probleme gestoßen, die vorher gar nicht sichtbar waren.“ Das ist schon mühsam, doch die harten Fakten sprechen für sich: „Wir machen fünfmal soviel Umsatz und verdienen mehr Geld als früher.“
Waren es im Jahr 2004 noch sechs Mitarbeiter, so sind es heute rund zwanzig. Besonders in die Arbeitsvorbereitung und in den Verkauf hat Brack investiert: „Alle Unternehmen, die Geld verdienen, haben eine vernünftige Arbeitsvorbereitung und einen guten Verkauf.“ Zusammen mit einem Landschaftsgärtner gründete er 2008 den Ausstellungsraum „La Casa“ in Kempten – als eigene Firma. Das war teuer und aufwendig, aber letztendlich kann er so mehr und viel höherwertige Produkte verkaufen. Er setzt auf Wintergärten aus Holz-Alu und setzt sie vom Entwurf über die Baueingabe bis hin zur Gesamtkoordination um. „Das machen nur wenige.“
Jeden Donnerstag ist „Bürobesprechung“. Auch hier geht es, neben aktuellen Themen, um Verbesserungsmöglichkeiten. Zudem nimmt jeder Mitarbeiter auch an externen Seminaren teil. Mit externen Beratern – damit auch Input von draußen kommt – geht es dann um Kundenorientierung, Telefonkontakt oder es wird auch mal ein Fahrtraining durchgeführt.
Nicht vom Tagesgeschäft ausgebremst
Brack ist zufrieden mit der Entwicklung seines Unternehmens. Sein Vater hat noch jeden Samstag im Lackierraum gestanden und sich um die Oberflächenbearbeitung gekümmert. Matthias Brack arbeitet nicht mehr aktiv in der Werkstatt mit. „Es würde mich frustrieren, wenn das Tagesgeschäft mich davon abhielte, meine Ideen umzusetzen.“ Und Ideen hat er. Eine der letzten war die Gründung von „Stellwerk“. Zusammen mit seinem Bruder, einem Elektroingenieur, entwickelte er ein Steuerungssystem, mit dem sich Beleuchtung, Heizung, Jalousie, Stromschaltungen für Elektrogeräte usw. automatisch regeln lassen. Eine bedienerfreundliche Hausautomation, plattformunabhängig von einem Touch-PC aus zu bedienen. Brack ist sich mittlerweile bewusst: „Dass ich auf KVP gestoßen bin, ist ein Glücksfall für mich und unser Unternehmen.“
Doch nicht nur sein eigenes Unternehmen will er weiter voranbringen. Mittlerweile gibt er sein Wissen auch an Kollegen weiter. Zusammen mit Ulrich Leber vom Fachverband Schreinerhandwerk Bayern leitete er ein Seminar, in dem es um die Entwicklung von Unternehmenszielen ging. Auch Vorträge über KVP stehen auf seiner Agenda. Ob er auch KVP-Workshops bei interessierten Schreinereien durchführen würde, hängt von seinem Terminkalender ab: Einfach mal nachfragen: Tel. 08373/92118-0.
Gegenüber den Beratern aus der Industrie hat er zwischenzeitlich einen entscheidenden Vorteil: „Ich weiß, wovon ich rede.“ I
Brack Wintergarten GmbH & Co. KG
87452 Altusried

Was ist das eigentlich? Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Der Begriff „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ wurde Ende der 1980er-Jahre als deutsche Antwort auf das japanische Kaizen (= das Gute verbessern) geprägt. Erfolgreich waren diejenigen, die das Prinzip konsequent verfolgten und geduldig an der Qualität feilten. Für die Qualität der Ergebnisse, seien es Produkte oder Dienstleistungen, gilt es, jeden Schritt und jeden Aspekt der Wertschöpfung zu berücksichtigen; den Kunden, die Prozesse, die Ausstattung, die Mitarbeiter etc.
Kaizen oder KVP ist nicht für kurzfristige Erfolge ausgelegt. Es erfordert Zeit und Nachhaltigkeit, ein klares Ziel und Transparenz. Vor allem aber funktioniert es nur mit dem Engagement aller Mitarbeiter eines Unternehmens.
KVP ist kein starres Konzept, sondern integriert alle möglichen Problemlösungsmethoden, je nachdem, welche Handlungsschwerpunkte aufgedeckt werden. Ziel ist es, in einem stetigen und immer wieder ablaufenden Prozess höhere Standards zu erreichen und diese von Neuem zu verbessern.
(Quelle: „Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess – Methoden des KVP“ von Claudia und Sebastian Kostka, Hanser-Verlag)

Schritt-für-Schritt Erfolge müssen sichtbar sein
Eigentlich ist KVP ganz einfach:
  • 1. Das Verbesserungsthema erkennen und benennen: Worum geht es?
  • 2. Das Problem genau analysieren: Was genau ist wo, wann und wie aufgetreten?
  • 3. Die Ursache identifizieren: Warum ist das Thema ein Thema? Was genau ist die Ursache? Was genau ist die Folge?
  • 4. Das konkrete Ziel formulieren: Wie soll es idealerweise sein?
  • 5. Einen Maßnahmenplan entwickeln: Was genau ist mit wem, wann, wie zu tun?
Die Maßnahmen werden durchgeführt, überprüft und eventuell verbessert.
Doch ganz so einfach ist es auch wieder nicht, ein paar „Spielregeln“ zu kennen, ist hilfreich. Matthias Brack rät: „Es ist wichtig Protokoll zu führen, Fotos zu machen, der Struktur genau zu folgen, sonst verliert man sich. Die Dokumentation ist zentral, sonst gibt es Unklarheiten. Auch muss sich niemand für eine Aussage rechtfertigen. Außerdem: Erfolge müssen sichtbar sein.“

Da war ich baff Dranbleiben!

„Ich bin eigentlich ein bequemer Mensch.“ Als Matthias Brack das sagte, glaubte ich, nicht richtig zu hören. 20 Mitarbeiter, drei Firmen, immer neue Ideen … kann jemand wirklich bequem sein, der mit solch einer Ausdauer und Konsequenz seine Ziele verfolgt? Aber vielleicht bedeutet das auch, auf etwas beharren zu können. Also: Dranbleiben!
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