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Zurück zu den Wurzeln

Planungsbüro Angela Fischer
Zurück zu den Wurzeln

Angela Fischer hat ein Planungsbüro gegründet. Das war zwar nicht seit Kindertagen ihr großes Ziel, dazu hatte sie anfangs zu viele Bedenken. Jetzt aber genießt die Schreinermeisterin doch die Selbstständigkeit, das Arbeiten fernab von Hierarchien. Ihre Wurzeln und ihr Wirkungskreis liegen in Deutschland, zurzeit jedoch hat es sie wieder für einige Projekte nach Australien verschlagen.

In Australien war sie das erste Mal im Jahr 2004. Davor hatte sie ein Jahr als Schreinermeisterin in der Arbeitsvorbereitung einer kleinen Schreinerei gearbeitet, direkt im Anschluss an die Meisterschule. Damals wollte sie ins englisch-sprachige Ausland und bekam die Chance über das Softwarehaus Pytha. Pytha übernahm eine Art Patenschaft und vermittelte sie an Betriebe in Australien. Die ersten sechs Wochen verbrachte sie in der Pytha-Zentrale in Sydney. Der dortige Chef wollte sie kennen lernen, denn es hatte keinen offiziellen Bewerbungslauf gegeben. Keine Zeugnisse, keine Tests. Nicht einmal Referenz-Zeichnungen hatte sie präsentieren müssen. „Ich habe nur gesagt, dass ich das Programm an der Meisterschule in Schwäbisch-Hall erlernt und mein Meisterstück damit gezeichnet hätte.“ Von ihrem Können war man schon bald überzeugt und so realisierte Angela Fischer von der Zentrale aus erste Projekte für Pytha-Kunden.

Einen Englisch-Kurs hat sie nicht belegt. „Im Endeffekt macht es keinen Unterschied, ob man sechs Wochen in einer Schule Englisch lernt oder sechs Wochen in einem Umfeld lebt und arbeitet, das ausschließlich Englisch spricht.“ Natürlich hatte sie auch das Glück, dass die erste Zeit organisiert wurde. „Wenn das nicht der Fall ist, sind Sprachkenntnisse sehr hilfreich. Im Ausland muss man mit vielem rechnen: Die selbstverständlichsten Dinge des Lebens wie Einkaufen, Wohnen oder ein Bankkonto einrichten erfordern erstmal etwas Aufwand.“
Nach sechs Wochen durfte und musste Angela Fischer raus in den betrieblichen Alltag. Ihr erster Betrieb war ein großer Objekteinrichter in Sydney mit rund 100 Mitarbeitern. „Dort herrschte ein ganz anderer Druck und die direkten Rückmeldungen aus der Produktion, machten den Arbeitsalltag sehr lebendig. Da mussten dann schnell neue Lösungen her.“ Mit der Mentalität in Australien ist sie sehr gut zurecht gekommen: „Vieles ist unkompliziert und die Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Technik ist beneidenswert. Allerdings gibt es in Australien zwar eine Schreinerausbildung, aber keine Weiterbildungen, die für die Arbeitsvorbereitung qualifizieren. Dies führt dazu, dass in der Arbeitsvorbereitung oft Informatiker als Quereinsteiger arbeiten, denen das schreinerische Know-how fehlt. Einerseits gibt es in Folge dessen manchmal abenteuerliche Konstruktionen, andererseits ergibt sich so auch die Chance, die Dinge mal von einer anderen Seite zu betrachten. Und es ist akzeptierter, dass man Fehler macht.“
Anschließend war sie noch für zwölf Wochen in der Arbeitsvorbereitung eines kleineren Betriebes in Melbourne beschäftigt. Die letzten zehn Wochen verbrachte sie dann in Perth in dem großen Ladenbau-Unternehmen, in dem sie auch zurzeit wieder tätig ist.
Das Planungsbüro
Im Sommer 2005 – zurück aus Australien – schaute sie sich erst einmal um. Zuhause ist sie jetzt in einem kleinen Ort nördlich von Regensburg. Sie mag das Landleben. Aber es hat auch private Gründe, dass sie hier gelandet ist: Ihr Freund arbeitet in Regensburg.
Zuerst war sie auf der Suche nach einer Anstellung als Schreinermeisterin in der Arbeitsvorbereitung. Gar so schlecht sah es zwar nicht aus, aber das richtige war dennoch nicht dabei. In vielen netten Gesprächen mit Schreinermeistern kristallisierte sich vielmehr heraus, dass diese zwar grundsätzlich Interesse an CAD und Visualisierungen hatten, aber niemanden extra dafür anstellen wollten.
Aus diesem Grunde konkretisierte sich für Angela Fischer die Idee, ein Planungsbüro zu gründen und so mehrere Schreinereien gleichzeitig bedienen zu können. Ihre anfängliche Sorge „Das packe ich nicht“ verflüchtigte sich mit der Zeit. Durch Gespräche mit Freunden und Bekannten, mit Lehrern und ehemaligen Arbeitgebern gewann sie Sicherheit. Aber: „So eine Entscheidung fällt nicht vom Himmel. Ich habe fast drei Monate gebraucht, um mich zu orientieren, Vorteile und Nachteile auszuarbeiten und den richtigen Weg zu finden. Ich fand die Entscheidung nicht einfach.“ Eine Existenzgründungsberatung bei der IHK in Regensburg sorgte für die Sicherheit bei den Formalitäten. Die Seminare der Agentur für Arbeit fand Angela Fischer dagegen weniger gewinnbringend.
Am 1. Dezember 2005 war es dann soweit: Mit einem Gang zur Gemeinde und der Anmeldung eines Gewerbes war es erledigt. Das Planungsbüro Angela Fischer war geboren. Mehr Aufwand verlangte allerdings die Einrichtung des Arbeitsplatzes: In Hard- und Software musste sie einiges an Zeit und Geld investieren.
Ihre Kunden sind Schreinereien und Architekten. Die 28-Jährige versteht sich als Dienstleister, nicht als Konkurrenz. Ihre Kontakte sind im Laufe der Zeit gewachsen: Für einen hat sie als Gesellin gearbeitet, andere kennt sie von der Meisterschule oder von Messebesuchen. Empfehlungskunden sind ihr die liebsten. „Für die Kunden ist die Hemmschwelle nicht so hoch und bei mir ist schon eine Vertrauensbasis vorhanden.“
Die persönliche Ebene in der Zusammenarbeit muss stimmen. Darauf legt sie Wert. Arbeitsweise und Planungen seien auch eine Stilfrage, weshalb sich eine gemeinsame Wahrnehmung positiv auswirke. Einfühlungsvermögen bringt sie mit. „Ich versuche herauszufinden, was das Gegenüber will und stelle dafür auch Eigenes zurück, allerdings ohne mich zu verbiegen.“
Im Rückblick fand sie es schwerer, sich gegen ihre früheren Chefs durchzusetzen, als heute ihre Vorstellungen gegenüber den Kunden zu vertreten. „Aber verstehen Sie mich nicht falsch“, sagt Angela Fischer. „Ich hatte sehr nette Arbeitsverhältnisse. Dennoch haben meine Vorgesetzten immer viel vorgegeben und wenig Freiraum gelassen.“
Das Gros ihrer Arbeit macht die Erstellung von CAD-Visualisierungen aus. „Bei Visualisierungen wird ein gewisser Aufwand honoriert. Der Aufwand für die Arbeitsvorbereitung wird dagegen oft gering gehalten. Da muss häufig ein Notizzettel reichen, der mit ein paar Bleistiftstrichen verziert direkt vom Kundengespräch an die Hobelbank geht.“ Eigentlich hatte Angela Fischer sich das anders vorgestellt: „Ich hatte gedacht, dass ich noch mehr AV-Tätigkeiten und CNC-Programmierungen mache.“ Dennoch ist sie damit zufrieden, wie es sich entwickelt hat. Zurzeit wird ihr Können häufig für Ladenbau-Projekte gefragt – Biosupermärkte, aber auch andere Gewerbe- und Büroräume. Dazu kommen Wohnungen und Häuser im Privatbereich.
Meist bekommt sie das Aufmaß, eine Skizze und ein paar Stichworte von ihren Kunden. Manchmal reicht ein Telefongespräch. Dann kann sie loslegen. Als erstes entstehen konstruktive Details als Handzeichnungen auf dem Papier. Ihr produktionsnaher Hintergrund ist ein besonderer Vorteil, auch in der Akzeptanz von Kunden. Manchmal fährt sie auch mit auf die Baustelle, um sich eine Vorstellung von dem Gebäude, dem Umfeld oder auch den Bauherren zu machen.
Der erste Entwurf ist die Grundlage für die folgenden Besprechungen. Bis zum endgültigen Entwurf führt der Weg über Varianten und Alternativvorschläge, die sie gemeinsam mit dem Kunden erarbeitet.
Bei ihren beiden Hauptkunden wird der Aufwand stundenweise berechnet. Bei Neukunden macht sie Kostenvoranschläge. „Anfangs habe ich mehr Zeit kalkuliert, als ich dann letztendlich benötigt habe. Aber man darf andererseits auch nicht verträumt sein und denken, die Arbeit macht mir Spaß, da muss natürlich auch etwas hängen bleiben.“
Dafür dass es das erste Jahr ist, ist sie mit der Auftragslage zufrieden. Einige Phasen gab es zwar schon, in denen sie gedacht hat: „Oh je, was kommt nächste Woche.“ Aber es kam immer wieder etwas herein.
Ein gesundes Selbstvertrauen müsse man mitbringen, weil der Einstieg doch recht schwierig sein könne. „Ich habe Glück gehabt“, sagt sie von sich und hat doch auch einiges getan, um diesem Glück auf die Sprünge zu helfen.
Marketing im eigentlichen Sinne macht sie bisher nicht. Selbst für die Entwicklung einer Homepage fehlt die Zeit. „Auch ein Internet-Auftritt sollte durch und durch professionell sein und nicht selbst gebastelt wirken. Bisher habe ich mich auf elementare Dinge, wie Briefkopf, Visitenkarten und eine ordentliche E-Mail-Adresse beschränkt.“
Kennzeichnend für ihre Arbeit ist der hohe Termindruck. „Wenn eine Schreinerei Kapazität hat, tendiert sie dazu, Aufträge selber zu machen.“ Meist kommt der Auftrag heute hinein und soll übermorgen schon fertig sein. Dann arbeitet sie mit zwei anderen Planungsbüros zusammen, die sie seit längerem kennt und von denen sie weiß, dass der Stil und das Miteinander stimmen.
Der Werdegang
Die Meisterschule in Schwäbisch-Hall bezeichnet sie als wichtigen Meilenstein in ihrem Leben. Sah sie doch früher die EDV mit Argusaugen an: „Den Umgang mit dem Rechner habe ich erst in der Meisterschule gelernt. Da muss ich ein dickes Lob aussprechen.“ Die Schule ist ihr empfohlen worden. „Aber was man sich aus dem Angebot herauszieht, dafür ist man selber verantwortlich. Die Möglichkeiten waren ausgezeichnet.“
Heute sitzt sie den ganzen Tag am Computer. „Ich vermisse nichts. Manchmal werde ich zwar etwas sentimental, wenn ich die Kreissäge höre oder ein abgeschlossenes Projekt sehe. Aber theoretisch könnte ich ja immer noch hobbymäßig in der Werkstatt stehen.“
Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie vier Jahre als Gesellin. Fast ein Jahr dieser Zeit war sie in Schweden in einer kleinen Massivholzschreinerei tätig. Eine Arbeit zu bekommen war einfach: „Ich habe mir das Branchenbuch unter den Arm geklemmt, Schreinereien abgeklappert und schon bei der zweiten hatte ich Erfolg.“ Mit einem dreiwöchigen Intensivsprachkurs hatte sie sich darauf vorbereitet. Für mehr reichte das Geld nicht. Aber: „Einfach losziehen bringt genauso viel. Die Schweden sind sehr offen. Da kommt man immer durch. Learning by doing. “
Dieses Jahr hat ihr viel Selbstbewusstsein gegeben: „Im Ausland merkt man erst, was die Ausbildung in Deutschland wert ist. Alle waren begeistert von meinem Können aus drei Jahren Ausbildung und einem Gesellenjahr. Was in Deutschland eher schlecht angesehen ist, ist im Ausland durchaus keine Selbstverständlichkeit.“
Wichtige Erfahrungen
Was in Schweden galt, gilt noch viel mehr in Australien. Der Ladenbauer „Focus Shopfitters“ in Perth greift gerne auf das Können der Schreinermeisterin zurück. Doch lange will sie nicht im Ausland bleiben: „Meine Wurzeln sind in Deutschland. Wenn man unterwegs war, ist es auch schön wieder nach Hause zu kommen und sich etwas Festes aufzubauen. Aber ich bin mir sicher, dass sich aus meinem jetzigen Aufenthalt weitere Aufträge ergeben, die ich dann von Deutschland aus bearbeiten kann.“
Ihre Zeit im Ausland sieht sie als wichtige Erfahrung, aber auch als Phase, in der man sich auslebt: „Inzwischen weiß ich, dass daraus nicht die Erfüllung kommt. Zudem kostet es Kraft und Zeit, immer wieder von vorne anzufangen.
Andererseits reizt es mich bestimmt auch immer wieder, etwas Neues auszuprobieren. Meine Basis ist die Nähe zu den Schreinereien. Darüber hinaus will ich mir Offenheit für neue Aspekte meiner beruflichen Tätigkeit bewahren.“ ■
von BM-Redakteurin Regina Adamczak
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