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Zwei Leidenschaften unter einem Hut

Johannes Steinbauer ist Schreinermeister und Produktdesigner
Zwei Leidenschaften unter einem Hut

Johannes Steinbauer ist Chef einer Schreinerei in Franken und gleichzeitig erfolgreicher Produktdesigner. Dass er die zwei Professionen unter einen Hut bekommt, hat auch damit zu tun, dass er gelernt hat, sich von Althergebrachtem zu verabschieden, Verantwortung abzugeben und sich auf das Wesentliche zu fokussieren.

BM-Redakteurin Regina Adamczak

„ ,Jetzt lernt ihr erst mal Schreiner, danach könnt ihr machen, was ihr wollt‘, hat mein Vater zu meinem Bruder und zu mir gesagt, als es um die Berufswahl ging,“ erzählt Johannes Steinbauer und setzt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wahrscheinlich aber hat er eher gemeint, dass wir das dann auch gefälligst bleiben sollten.“ Johannes Steinbauer tat also, wie ihm geraten, schlug folgsam den Weg ein, der schon vorgezeichnet schien, und absolvierte eine Ausbildung bei einer befreundeten Schreinerei. Doch schon während dieser Zeit spürte er, dass er mehr lernen, sich weiterentwickeln wollte und nahm sofort nach der Lehre die Chance wahr, in einer finnischen Kunsttischlerei seine handwerklichen Fähigkeiten zu vervollkommnen. „Der dort geforderte Qualitätsanspruch hat mich geprägt, diese Präzision, sich nur mit dem Bestmöglichen zufriedenzugeben.“ Doch auch ein Gespür für Design und der Sinn für eine klare Formensprache entwickelte sich dort, zum Beispiel durch den Kontakt mit dem bekannten finnischen Möbeldesigner Eero Aarnio.

Vom Schreiner zum Produktdesigner

Zurück in Deutschland besuchte Steinbauer nach seiner Gesellenzeit die Meisterschule in Stuttgart, absolvierte dort auch die Gestalterausbildung und eigentlich war fast schon klar, dass er anschließend die Schreinerei seines Vaters übernehmen würde. Doch es kam anders: Wirtschaftskrise und Kurzarbeit verhinderten einen entspannten Übergang in den vorgezeichneten Lebensweg. „Das kann es nicht sein“, sagte sich der damals 23-Jährige. Und als er eines Tages zufällig ein kleines Buch zum Thema Produktdesign in die Hände bekam, war klar: „Das ist es!“

Gesagt, getan: Er bewarb sich an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd und wurde genommen. „Während des Studiums habe ich versucht, von den Möbeln wegzukommen und andere Dinge zu entwerfen, aber bei jeder Themenstellung habe ich wieder den Bogen zurück zu den Möbeln geschlagen,“ erinnert er sich lachend. „Die Prägung war zu stark.“ Sehr profitiert hat Johannes Steinbauer zudem von der theoretischen Ausbildung: „In meiner Masterarbeit habe ich eine Methode entwickelt, mit der sich systematisch innovative Produktideen erarbeiten lassen. Begleitet von meinen Wurzeln im Handwerk, ist diese Methode bis heute Grundlage meiner Herangehensweise.“

Während des Studiums jobbte er in einem jungen Designstudio, das zwar schon einen Fuß in der Szene hatte und für Nils Holger Moormann, Bulthaup und Freifrau arbeitete, aber: „Die haben auch noch gekämpft. Das hat mich gereizt und dafür habe ich mich bewusst entschieden.“ Mit Begeisterung berichtet Johannes Steinbauer aus dieser Zeit und doch war für ihn immer klar: Wenn der Vater in Rente geht, übernimmt er die Schreinerei. Das war im Jahr 2016, sofort mit dem Ende des Studiums. Konnte das funktionieren?

Alles eine Frage der Organisation

„Anfangs musste ich in meine Rolle als Chef finden, Fuß fassen,“ erinnert sich der Schreinermeister. Doch er wusste, was er wollte: beide Rollen unter einen Hut bekommen – Chef einer Schreinerei mit vier Mitarbeitern sein und gleichzeitig ein Studio für Produktdesign erfolgreich weiterentwickeln.

„Eliminate, reduce, focus, create“, ist heute noch sein Leitgedanke. Eliminieren, reduzieren, fokussieren, gestalten. Folglich arbeitet er in der Werkstatt nicht produktiv mit. Er konzentriert sich auf die Kundenbetreuung, entwirft und schreibt die Angebote. Zwei bis drei Tage in der Woche nimmt er sich Zeit für seine andere Leidenschaft, das Produktdesign. Sein Resümee: „Eine gute Entscheidung.“ Es ist die Zeit, die er braucht, um dranbleiben zu können an einem Entwurf. Jede Ablenkung ist kontraproduktiv. Auch seine Mitarbeiter respektieren die Aufteilung. Wenn Steinbauer in seinem Studio ist, halten sich die Mitarbeiter mit Nachfragen zurück. Sowieso: „Meine Mitarbeiter sind selbstständiges Arbeiten gewöhnt und die Qualität passt immer.“ Johannes Steinbauer weiß, dass er sich auf sein Team verlassen kann.

Möbel und Innenausbau im Fokus

Auch das Produktportfolio hat Steinbauer reduziert. Hatte sein Vater noch auf das gesamte Angebotsspektrum eines Bau- und Möbelschreiners gesetzt, hat sich Johannes Steinbauer vom Fensterbau verabschiedet und auch von Reparaturarbeiten. Nun konzentriert er sich auf Möbel- und Innenausbau. „Das ist meine Stärke, hier steckt mein Herzblut drin.“ Ein bisschen hat es gedauert, bis die Veränderungen in der alteingesessenen Schreinerei mitten in der Ortschaft auch zur Kundschaft durchgedrungen sind. Doch er stieß auf Verständnis. „Heute kommen die Kunden, weil ich empfohlen worden bin und sie sich Möbel in meinem Stil wünschen.“ Sein Stil ist auch im Innenausbau ein sehr reduzierter. „Möbel sollen Sinn machen.“ Das ist ihm wichtig und das sieht man seinen Entwürfen an.

Sein Vater ist froh, dass der Sohn so gut in seine Rolle hineingewachsen ist. Er selbst war Zeit seines Lebens viel in der Werkstatt mit dabei und ist es auch heute noch gerne – eine hilfreiche Unterstützung für seinen Sohn: „Das verschafft mir zusätzlichen Freiraum.“

Lösungen für komplexe Anforderungen

Johannes Steinbauer ist rundum zufrieden mit seinem Lebensentwurf: „Mir macht jeder einzelne Tag Freude.“ Die Schreinerei versorgt ihn nicht nur. Er mag es, etwas zu entwerfen und das Ergebnis relativ zeitnah sehen zu können. Außerdem schätzt er den Kontakt zum Kunden und das direkte Feedback – Dinge, die im Bereich Produktdesign anders sind.

Doch auch ein Leben ohne Produktdesign kann er sich nicht mehr vorstellen. „Das ist genau das, was zu mir passt.“ Er liebt es, Ideen zu entwickeln, Lösungen auch für komplexe Aufgabenstellungen zu finden, diese zu bewerten, neu zu sortieren, Modelle zu bauen, sich in jedes Detail zu vertiefen. Sein Ziel: „Ich will Produkte entwerfen, die im Raum funktionieren.“

Dieses Dranbleiben nimmt Zeit in Anspruch. „Die Ausdauer und die Geduld habe ich aus dem Handwerk mitgebracht“, sagt Steinbauer. Ein Produktdesign-Student oder eine Studentin unterstützen ihn semesterweise als Praktikant bzw. Praktikantin. Auch das ist etwas, was er im Handwerk kennen und lieben gelernt hat: das gemeinsame Arbeiten an einer Sache, zusammen an einem Strang zu ziehen.

Ausdauer und Geduld sind gefragt

Dass er sich inzwischen als Produktdesigner einen Namen gemacht hat, war harte Arbeit. „Unsere Schreinerei ist alteingesessen und hatte schon einen Namen, als Produktdesigner habe ich bei Null angefangen. Es braucht enorm viel Eigeninitiative.“ Er entwickelte Produkte ins Blaue hinein, zum Beispiel ein Radio in sehr reduziertem Stil, Lampen, Organizer. Er zeichnete Renderings, baute Modelle, schrieb E-Mails, fuhr auf Messen nach Köln und nach Mailand. „Man muss Ausdauer und Geduld mitbringen.“ Sein Vorteil: „Ich habe oftmals richtige Prototypen gebaut und das hat mir die ein oder andere Tür geöffnet.“ Beispielsweise die von Rolf Benz. „Die Produktverantwortliche hat sich gefreut, dass wir sofort über etwas ganz Konkretes sprechen konnten.“ Mittlerweile sind ein Sitzmöbel, ein Stuhl und ein Tisch von Steinbauer im Programm des bekannten Wohnmöbel-Spezialisten. Und auch Firmen wie Authentics, Freistil, Flötotto und Softline konnte er mit seinen Entwürfen überzeugen.

Im neuesten Projekt ging es darum, Möbel bzw. Möbelteile mittels 3D-Druck herzustellen (siehe Kasten). Dafür ging es ans Eingemachte: Was kann das Verfahren, was herkömmliche Verfahren nicht können? Was gibt es für einen Mehrwert? Vorbilder fand Johannes Steinbauer in der Geschichte des Stuhl-Designs: „Zum Beispiel hat das Bugholz-Verfahren es Thonet erst ermöglicht, seinen legendären Stuhl Nr. 14 zu kreieren. Er ist leicht, hat wenige Teile, lässt sich einfach transportieren und ist damit noch heute einer der meistverkauften Stühle der Welt.“ Steinbauer legte los und entwarf sechs Stühle, in denen gedruckte Elemente nicht nur Polster ersetzen, sondern auch Verbindungen und funktionale Teile beinhalten. „Das war ein sehr spannendes Projekt. Und fast würde ich sagen, es hat mir bisher am meisten Spaß gemacht,“ lächelt er. Doch wer weiß? Das nächste Projekt kommt bestimmt …

Johannes Steinbauer

91623 Sachsen bei Ansbach

www.johannes-steinbauer.com

www.steinbauer-moebel.de


Der „One Job Chair“ zeigt, dass selbst mit kleinen 3D-Elementen …
Foto: Steinbauer Design
… ein komfortabler Stuhl hergestellt werden kann.
Foto: Steinbauer Design
Durchgehende Rille: Der Bezug wird wie eine Badekappe übergezogen.
Foto: Steinbauer Design
Praktisch: Die 3D-Teile enthalten alle Verbindungen zum Gestell.
Foto: Steinbauer Design

3D-Druck macht’s möglich

Polster ohne Schaum

Ein Polstermöbel ohne Schaum? Kaum denkbar in der heutigen Zeit. Und eine Herausforderung für Produktdesigner Johannes Steinbauer, der er sich gerne stellte, als die Ochseler AG aus Ansbach auf ihn zukam. Das Unternehmen ist einer der weltweit führenden Produzenten von 3D-Druck-Teilen, die schon erfolgreich in Sportschuhen, Football-Helmen und Autositzen eingesetzt werden.

In der Anfrage ging es darum, zu zeigen, wie 3D-gedruckte Strukturen als nachhaltige und multifunktionale Alternative zu Polsterschaum dienen können.

Für die Fallstudie sind verschiedene Sitzmöbel entstanden, in denen 3D-Bauteile das klassische Polster ersetzen. Diese werden aus einem recycelbaren, thermoplastischen Polyurethan gedruckt. Die erzeugte Gitterstruktur hat Eigenschaften, die einem Polsterschaum sehr ähneln. Die Dichte der Gitterstruktur und damit die Weichheit kann durch die Breite und Dicke ihrer Streben eingestellt werden. Zudem hat Steinbauer Funktionen gleich mit integriert, z. B. Verbindungen zum Außenrahmen oder Befestigungsmöglichkeiten für Bezugsstoffe – ein weiterer Vorteil des Verfahrens.

Die Teilegröße des verwendeten 3D-Druckers war auf 370 x 370 x 270 mm begrenzt – eine Einschränkung, die zum Vorteil genutzt wurde: So bestehen die Sitzmöbel aus wenigen Einzelteilen, die einfach verpackt und in einem kleinen Paket versendet werden können. Die Montage ist einfach und selbsterklärend.

„Unsere Fallstudie ist kein Zukunftsszenario. Wir zeigen, was heute möglich und marktrelevant ist“, so das Fazit von Johannes Steinbauer.

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Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
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