Beim Aufmaß verzogener Treppen oder besonderer Raumsituationen kommt man mit dem Maßband oft nicht weit. Sogenannte tachymetrische Systeme erfassen Objekte präzise und wirtschaftlich. Was steckt dahinter und worauf sollte man bei der Auswahl achten?
Autor: Marian Behaneck
Tachymetrische Messsysteme kommen zum Einsatz, wo Maßband und Zollstock an ihre Grenzen stoßen bzw. es darum geht, Messdaten zur digitalen Weiterverarbeitung direkt als 3D-Aufmaß aufzunehmen. Wie der Name verrät, basieren die Systeme auf einem Tachymeter, einer Kombination aus Winkel- und Distanzmessgerät. Im Zusammenspiel mit entsprechender Software werden 3D- Koordinaten einzelner Punkte eines beliebigen Objekts erfasst. Diese Messdaten lassen sich bereits vor Ort auf mobile Rechner übertragen und dort unmittelbar auswerten. Parallel zur Messung entsteht so eine 3D- Aufmaßskizze, die man in CAD-Systeme einlesen und sofort weiterverarbeiten kann.
Wie funktioniert es? Was sind die Vorteile?
Das aus einem Stativ und einem darauf montierten, dreh- und schwenkbaren Messgerät bestehende System wird im Raum aufgestellt und eingeschaltet, worauf es sich in der Regel selbstständig orientiert und kalibriert. Anschließend können die Messpunkte von Hand oder halbautomatisch (motorisch per Funkfernbedienung) anvisiert werden.
Aus den horizontalen und vertikalen Winkelwerten und der vom Lasermessgerät ermittelten Distanz berechnet das System die exakten 3D-Koordinaten für jeden Messpunkt auf den Millimeter genau.
Ausgelöst wird die Messung direkt am Gerät, per Fernbedienung oder durch Tastendruck am Notebook bzw. Tablet-PC (in der Regel nicht im Lieferumfang enthalten). Die Aufmaßdaten werden über ein Datenkabel oder kabellos (Bluetooth etc.) direkt in das zum System gehörende Aufmaßprogramm übertragen.
Dort entsteht parallel eine dreidimensionale Aufmaßskizze, die man per DXF-Schnittstelle in beliebige CAD-Programme einlesen und daraus Grundrisse, Aufrisse oder Schnitte generieren kann.
Auf diese Weise müssen weder Raumecken noch -diagonalen gemessen werden – zwei Messpunkte pro Wand genügen.
Selbst möblierte Räume lassen sich damit relativ problemlos erfassen. Die reflektorlose Messung ermöglicht ein rationelles Aufmaß, das von einer einzigen Person durchgeführt werden kann. Auch weit entfernte Messpunkte (bis etwa 80 m) lassen sich über einen digitalen oder optischen Zielsucher präzise anvisieren. Grenzen setzt im Außenbereich lediglich die Sichtbarkeit des Laserpunktes bei grellem Sonnenlicht.
Da man vor Ort die volle grafische Kontrolle des aktuellen Messergebnisses hat, gehören vergessene Maße und eine mehrfache Anfahrt des Messortes der Vergangenheit an. Auch die Messdaten müssen später im Büro meist nicht mehr nachbearbeitet werden. So lässt sich gegenüber dem herkömmlichen Handaufmaß meistens über die Hälfte der Arbeitszeit einsparen.
Auswahlkriterien – darauf sollten Sie achten
Welches 3D-Aufmaßsystem die eigenen Anforderungen erfüllt, entscheiden diverse Merkmale und technische Parameter – allen voran der maximal mögliche Messbereich sowie die Genauigkeit. Die Messgenauigkeit gibt an, wie präzise ein Objektpunkt in seiner Position bei einer typischen Messentfernung erfasst werden kann (zwischen ±1,5 und 3 mm). Auch die Winkelgenauigkeit der beiden Drehachsen spielt hier eine Rolle, die je nach System sehr unterschiedlich sein kann.
Der horizontale bzw. vertikale Messbereich gibt den Bereich an, innerhalb dessen der Messsensor Punkte erfassen kann. Besonders wichtig ist der vertikale Messbereich in beengten Mess-Situationen (z. B. Treppenpodeste). Hier kann ein bauartbedingter „Messschatten“ hinderlich sein. Daher können einige Geräte auch vertikal nahezu lückenlos messen. Zu den wichtigen Funktionen zählt die automatische Nivellierung beim Aufstellen des Gerätes. Teilweise meldet auch ein eingebauter Schocksensor das versehentliche Anstoßen des Gerätes – praktisch, wenn vor Ort reger Baubetrieb herrscht.
Wichtig für eine rationelle Messpunkterfassung ist, dass die Messpunkte wahlweise motorisch per Fernbedienung, aber auch manuell angefahren werden können. Zwar ist das motorische Anvisieren meist präziser, schneller ist man aber per Hand. Auch die Messung selbst kann wahlweise manuell oder per Fernbedienung ausgelöst werden. Die maximale Messrate gibt an, wie viele Messpunkte pro Minute erfasst werden können. Automatische Messreihen ermöglichen die selbstständige Erfassung von Messpunkten entlang, respektive innerhalb einer vorgegebenen Linie oder Fläche.
Die CAD-Datenprojektion entspricht einem Aufmaß in umgekehrter Form: Damit können CAD-Daten (z. B. Montagepunkte oder Bohrstellen etc.) auf eine Wand-, Decken- oder Bodenfläche projiziert werden, was das zeitraubende Einmessen erübrigt. Die Datenübertragung der Messdaten vom Aufmaßgerät zum mobilen PC sollte kabellos erfolgen. Das sorgt für Bewegungsfreiheit, sowohl des Messgerätes als auch der Bedienperson. In jedem Fall sollten die Messergebnisse über ein gängiges Format (DXF, DWG) exportiert werden können, um sie in einem CAD- Programm weiterzuverarbeiten.
Teilweise sind auch direkte Schnittstellen, etwa zu Treppenplanungsprogrammen, vorhanden. Während sich die Mobilität vom Gehäusemaß bzw. -gewicht ableiten lässt, entscheiden IP-Schutzklasse und Gehäusematerial über die Baustellentauglichkeit des Gerätes. Zum Standardlieferumfang sollten ein Transportkoffer, ein Stativ, ein Ladegerät, eine Aufmaßsoftware und gegebenenfalls eine Fernbedienung gehören.
Welche Möglichkeiten gibt es (noch)?
Prinzipiell amortisieren sich 3D-Aufmaßsysteme erst, wenn sie mehrmals jährlich zum Einsatz kommen. Für viele Messsituationen und -aufgaben gibt es allerdings kaum wirtschaftliche Alternativen.
Dennoch will oder kann nicht jedes Unternehmen bei Preisen ab 5000 Euro in ein 3D-Aufmaßsystem investieren.
Mit dem DISTO S910 hat Leica Geosystems deshalb jetzt eine neue, kostengünstigere Alternative geschaffen, die sich allerdings in puncto Genauigkeit und Praxistauglichkeit erst bewähren muss.
Wer frei geformte Objekte oder filigrane Strukturen schnell erfassen will, sollte auf Laserscannersysteme zurückgreifen. Hier werden nicht selektiv einzelne Messpunkte erfasst, sondern eine Vielzahl von 3D-Objektkoordinaten in einer sogenannten „Punktwolke“. Im nächsten Arbeitsgang werden diese Daten für die CAD-Planung oder Visualisierung ausgewertet.
Da solche Systeme vergleichsweise teuer sind (erhältlich ab 35 000 Euro), empfiehlt es sich jedoch meist, einen externen Dienstleister mit Aufmaß und Auswertung zu beauftragen.
Hier können Sie sich die vollständige Marktübersicht als PDF herunterladen.
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