1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Produkte und Tests » Produkte » Technik »

Mehr als bunte Bilder

Basics Fassadenthermografie: Besonderheiten, Voraussetzungen & Tipps
Mehr als bunte Bilder

Gebäude, Fenster und Fassaden sind schwierige Thermografie-Motive – praktisch an jeder Ecke lauern Fehlerquellen. Die Aufnahme, Auswertung und Interpretation von Wärmebildern setzt deshalb Expertenwissen voraus.

 

Marian Behaneck

Thermografie-Kameras für Einsteiger gibt es schon unter 500 Euro. Das suggeriert, dass die Thermografie einfach ist. Aber das ist sie keineswegs, denn das auch für Laien scheinbar leicht zu lesende Wärmebild kann schnell zu Fehlschlüssen verleiten. Rote oder blaue Bereiche an der Hausfassade müssen nämlich nicht immer auf Probleme hindeuten. Wer Temperaturunterschiede im Wärmebild korrekt interpretieren will, muss Thermografie-Basiswissen mitbringen und einiges berücksichtigen: das Umfeld, das Messobjekt, die IR-Kamera sowie die Aufnahme und deren Auswertung.

Voraussetzungen müssen stimmen

Zu den Grundvoraussetzungen korrekter bauthermografischer Aufnahmen zählt eine Temperaturdifferenz zwischen innen und außen von mindestens 12–15 Kelvin über einen Zeitraum von 12 bis 24 Stunden hinweg. Der Messzeitpunkt sollte so gewählt werden, dass eine mögliche vorhergehende Sonneneinstrahlung auf das Messobjekt keinen Einfluss mehr auf das Messergebnis hat. Bauthermografische Untersuchungen werden deshalb am besten bei dicht bewölktem Himmel in den Wintermonaten November bis März in den frühen Morgenstunden durchgeführt. Diese Zeit ist optimal, da die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen stimmt, noch keine störende Sonneneinwirkung das Messergebnis verfälschen, respektive sich die Fassade über Nacht abkühlen kann. Allerdings können eine Fassadenbegrünung, ein hinterlüftetes Vormauerwerk oder eine enge Straßenflucht mit hoher Randbebauung eine korrekte Messung vereiteln. In solchen Fällen sollte man sich auf relevante Fassadendetails beschränken, die Außen- durch Innenaufnahmen ergänzen und möglichst das gegenüberliegende Gebäude als erhöhten Aufnahmestandpunkt nutzen. Alle Räume des Gebäudes sollten – je nach Bauart – über mehrere Stunden gleichmäßig beheizt werden, um möglichst homogene Messbedingungen zu schaffen. Die Messung sollte ferner nicht durch Umwelteinflüsse wie Wind, Regen, Schnee, Nebel etc. beeinträchtigt werden. Bei Wind kühlt sich die Objektoberfläche stark ab, Regen, Schneefall oder Nebel senken den Transmissionsfaktor der Luft, weshalb die am Kameradisplay angezeigte Temperatur nicht der Oberflächentemperatur des Messobjekts entspricht. Sollten die Messaufgabe, Termine oder andere Umstände es erfordern, von obigen Regeln abzuweichen, muss dies bei der Auswertung berücksichtigt und dokumentiert werden.

Anforderungen an die Kamera

Thermografiekameras (siehe auch BM-Ausgabe 10/2017: Thermografie 2 go) sollten für Gebäudeanalysen geeignet sein, d. h. über einen Temperaturmessbereich zwischen – 20 °C und + 100 °C sowie einen Spektralbereich von 8 bis 14 µm verfügen. Der Detektor sollte eine Bildauflösung von mindestens 320 x 240, besser 640 x 480 Bildpunkten oder mehr haben. Die thermische Auflösung (NETD, also Noise Equivalent Temperature Difference) sollte mindestens 0,06 Kelvin (bei 30 °C) betragen, bei einer Messgenauigkeit von +/- 2 %. Präzisere Messergebnisse ermöglichen Kameras mit einem kleineren NETD-Wert, z. B. 0,03 Kelvin und weniger. Auch die geometrische Auflösung (IFOV, also Instantaneous Field of View) entscheidet über die Bildqualität – sie sollte kleiner als 3,3 mrad sein.

Zu den Einstellmöglichkeiten einer IR-Kamera sollten mindestens eine Eingabe des materialspezifischen Wärmeabstrahl-Kennwerts (Emissionsgrad) und der reflektierten Temperatur gehören. Über die Qualität der Thermogramme entscheidet allerdings nicht nur die Kamera, sondern auch, wer sie bedient. Über die technische Bedienung hinaus muss die Bedienperson potenzielle Fehlerquellen und Grenzen der Thermografie kennen sowie Messergebnisse korrekt interpretieren können. Das setzt sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Auswertung Kenntnisse aus den Bereichen Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Messtechnik, Materialkunde, Baukonstruktion und nicht zuletzt der Bauphysik voraus. Personen, die Messungen und Auswertungen selbstständig und im Auftrag eines Kunden durchführen, müssen zudem nach DIN EN ISO 9712 in den Stufen 2 oder 3 zertifiziert sein (siehe auch www.vath.de, Suche: „Zertifizierung“).

Besonderheiten des Messobjekts

Kenntnisse über die verwendeten Materialien und den konstruktiven Aufbau des jeweiligen Messobjekts sind unverzichtbar, denn sie helfen, thermische Auffälligkeiten korrekt deuten zu können. Verfügt ein Gebäude etwa über eine Vorhangfassade, eine hinterlüftete Holz-Vorsatzschale oder ein zweischaliges Mauerwerk, sind von außen keine thermografischen Analysen möglich, weil die Hinterlüftung mit Kaltluft einen konstanten Wärmetransport nach außen unterbindet. Auch die Gebäudeausrichtung, Hauptwindrichtung, die umgebende Bebauung oder das Nutzungsprofil können bei der Bewertung und Interpretation hilfreich sein. Es ist deshalb sehr nützlich, wenn der Eigentümer oder Planer für Fragen zur Verfügung steht und aktuelle Bestandsgrundrisse, Schnitte, Detailpläne und Baubeschreibungen eingesehen und für eine Verwendung im Thermografie-Bericht kopiert werden können. Dann kann man die das Messergebnis beeinflussenden Faktoren des Messobjekts besser einschätzen und bei der Auswertung und Interpretation berücksichtigen.

Ausschnitt und Fokussierung beachten

Zwar lassen sich bei Thermogrammen ungünstige Kameraeinstellungen per Software bis zu einem gewissen Grad nachträglich korrigieren. Nicht korrigiert werden können der Bildausschnitt, eine mangelnde Fokussierung sowie die Messung verfälschende Randbedingungen (s.o.). Eine korrekte Fokussierung ist deshalb besonders wichtig. Allerdings verfügen nur IR-Kameras der Mittel- und Profiklasse über eine Fokussiermöglichkeit. IR-Kameras der Einsteigerklasse haben meist nur einen Fixfokus. Zu jeder Thermografieaufnahme sollte man mit der integrierten oder – bei zu geringer Bildauflösung der integrierten Tageslichtkamera – mit einer separaten Digitalkamera ein Tageslichtfoto anfertigen. Damit lassen sich bei Thermogramm-Auswertung lokalisierte Schwachstellen und Leckagen einfacher zuordnen und interpretieren. Thermische Schwachstellen von Gebäuden werden meist durch eine Kombination aus Außen- und Innenthermografie sichtbar.

Während Außenaufnahmen eher eine erste Orientierung und Einschätzung ermöglichen, lassen sich viele bauphysikalische Probleme nur durch eine Innenthermografie aufdecken. Möglichen Fehlerquellen (Mess-, Auswertungs- oder Interpretationsfehler) kann man nur durch die genaue Kenntnis des baukonstruktiven Objektaufbaus vorbeugen, ebenso wie baulichen Besonderheiten. Schwachstellen in der Gebäudehülle lassen sich mit einer kombinierten Differenzdruck- (Blower-Door) und Thermografie-Messung noch besser erkennen. Durch eine über Ventilatoren aufgebaute Druckdifferenz wird der Wärmeabfluss, respektive das Eindringen der kalten Luft, verstärkt, sodass Schwachstellen und Wärmebrücken mit der Wärmebildkamera besser sichtbar werden.

Auswertung vor Ort und im Büro

Schon während der Aufnahme und Messung sollten Thermogramme in der Bildvorschau betrachtet werden, um einen ersten Eindruck vom Messobjekt zu erhalten oder Messwerte auf Plausibilität und Vollständigkeit zu prüfen. Zu den geräteabhängigen Vor-Ort-Auswertefunktionen zählen die Anzeige der Temperaturskalierung, die Position und der Wert der Min-/Max-Temperatur, die Temperatur an der aktuellen Cursor-Position, an mehreren, individuell definierten Punkten oder Bereichen, eine Isothermendarstellung und andere. Die eigentliche Auswertung mithilfe der zum Lieferumfang gehörenden Auswertesoftware oder einer optionalen, speziell für die Gebäudeanalyse konzipierten Software (z. B. Fornax von InfraTec) erfolgt in der Regel im Büro.

Die Auswertesoftware kann Thermogramme anzeigen, modifizieren, optimieren, organisieren, analysieren, Digitalfotos gegenüberstellen bzw. mit diesen überlagern und zu einem nachvollziehbaren Thermografiebericht zusammenstellen. Sogenannte ROIs (Regions of Interest), das sind im Thermogramm mithilfe von Punkten, Linien oder Flächen definierte Messbereiche, können in Form von Messreihen und Diagrammen ausgewertet werden. 2D- oder 3D-Profildiagramme geben dabei den Temperaturverlauf entlang einer Linie oder einer Fläche an, Histogramme zeigen die Häufigkeitsverteilung von Temperaturwerten etc. Sind bauphysikalische Kenngrößen, Material- und Klimadaten bekannt, können Kondensationspunkte und damit schimmelgefährdete Stellen lokalisiert werden. Besonders wichtige Bereiche im Thermogramm lassen sich mit Hinweispfeilen oder anderen Markierungen hervorheben und beschriften, ferner können Thermogramme, Tabellen und Diagramme mit individuellen Kommentaren versehen werden. All diese Komponenten lassen sich zu einem ausführlichen Thermografie-Bericht zusammenstellen, den man als DOC- oder PDF-Datei exportieren und ausdrucken kann.

Interpretation setzt Erfahrung voraus

Die Interpretation von Thermogrammen ist wohl der heikelste Teil der Bauthermografie, da sie viel Erfahrung und eine Verknüpfung des Know-hows aller oben genannten Disziplinen erfordert. Thermogramme liefern nur jeweils eine Momentaufnahme der Oberflächentemperaturverteilung eines Gebäudes, die von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflusst wird. So kann sich das Thermogramm einer scheinbar schlecht gedämmten Außenfassade bei näherer Betrachtung der äußeren Umstände schnell als eine Momentaufnahme einer von der Sonne aufgeheizten Südfassade erweisen und rote Bereiche nur ihr Wärmeabstrahlverhalten wiedergeben. Ebenso können dunkelblaue Fensteröffnungen in den Obergeschossen nicht etwa auf gut gedämmte Fenster hinweisen, sondern lediglich die Reflexion des kalten Nachthimmels im Glas der Fenster wiedergeben. Deshalb müssen bei der Interpretation alle verfügbaren Informationen wie Baupläne und Baubeschreibungen, Digitalfotos, aber auch die Gebäudeausrichtung, Sonneneinstrahlung, Hauptwindrichtung, die umgebende Bebauung, das Nutzungsprofil und andere Faktoren berücksichtigt werden.

In kniffeligen Fällen ist nicht selten kriminalistischer Spürsinn erforderlich. Selbst Profis können danebenliegen, wenn nicht alle relevanten Eckdaten bekannt sind, respektive nicht ausreichend berücksichtigt werden. Erst nach einer gründlichen Analyse aller Messergebnisse, der bauphysikalischen Verhältnisse und der Gebäudekonstruktion sollten Vorschläge zur Problembeseitigung gemacht und für das jeweilige Gebäude sinnvolle Energiesparmaßnahmen beschlossen werden.


Bauthermografie

Praxistipps

  • Auf eine ausreichende Temperaturdifferenz achten: Ist der Unterschied zwischen innen und außen mindestens 12–15 Kelvin?
  • Sonne kann Fassaden aufheizen und Temperaturverhältnisse verfälschen, daher am besten frühen Morgens messen.
  • Unterschiedliche Raumtemperaturen können zu Fehlschlüssen führen, daher sollten alle Räume gleichmäßig temperiert werden.
  • Fenster sollten geschlossen bleiben, da entweichende Wärme die Messung benachbarter/darüber liegender Bereiche verfälschen kann.
  • Rollläden sollten teilweise geschlossen und geöffnet sein, um den Wärmedämmeffekt geschlossener Rollläden beurteilen zu können.
  • Bei der Interpretation beachten: Balkone, Laibungen, Dachüberstände etc. beeinflussen das Wärmeabstrahlverhalten.
  • Stets Außen- und Innenaufnahmen machen, um mögliche Fehlerquellen und Interpretationsfehler zu vermeiden.
  • Gläser und Metalle spiegeln die Temperaturverteilung der Umgebung wider, was zu Fehlinterpretationen führen kann.
  • Fenster-Detailaufnahmen ermöglichen Rückschlüsse, ob Wärme über Rahmen, Glasrandverbund oder Anschlüsse verloren geht.
  • Je nach Messaufgabe sollten weitere Messverfahren herangezogen werden (Luft-/Bauteilfeuchte, Differenzdruck-Messung etc.)

Thermografie-Basics: Glossar

Geometrische Auflösung: …auch IFOV (Instantaneous Field of View), ist abhängig vom Kameraobjektiv und definiert die kleinstmögliche Messfleckgröße. Das ist jene Fläche auf dem Messobjekt, die aus einem Meter Entfernung einer einzelnen Detektorzelle in einem Wärmebild zugeordnet werden kann. Multipliziert man den IFOV-Wert mit der Objektentfernung und einem Korrekturwert für die verwendete Optik, erhält man in Millimetern die Messfleckgröße. Sie entscheidet bei kleinen Objektstrukturen bzw. großen Entfernungen darüber, wie genau gemessen werden kann.

Thermische Auflösung: … auch NETD (Noise Equivalent Temperature Difference), teilweise auch thermische Empfindlichkeit genannt, gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor erfasst werden kann. Sie liegt bei Mittelklasse-Kameras zwischen 0,06 und 0,03 Kelvin bei 30°C. Bei Profigeräten liegt sie unter 0,03 Kelvin. Je kleiner dieser Wert ist, desto geringer ist die Gefahr des die Bildqualität beeinträchti3genden „Bildrauschens“.

Weitere Infos im Web*

www.thech.ch Thermografie Verband Schweiz

www.thermografie.co.at Österr. Gesellschaft für Thermografie

www.thermografie.de Dienstleister mit vielen Praxisbeispielen

www.vath.de Bundesverband für angew. Thermografie

Regelwerke, Literatur und Quellen*

[1] DIN EN 13187: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Nachweis von Wärmebrücken in Gebäudehüllen – Infrarot-Verfahren, Beuth, Berlin, 1999–05

[2] VATh (Hrsg.): VATh-Richtlinie Bauthermografie, Bundesverband für Angewandte Thermografie e.V., Nürnberg, 2016, Download: www.vath.de, Suche: „Richtlinien“

[3] DIN EN ISO 9712: Zerstörungsfreie Prüfung – Qualifizierung und Zertifizierung von Personal der zerstörungsfreien Prüfung, Beuth, Berlin, 2012–12

[4] Fouad, N.A./Richter T.: Leitfaden Thermografie im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2012

[5] Wagner, H.: Thermografie – Sicher einsetzen bei der Energieberatung, Bauüberwachung und Schadensanalyse, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 2011

[6] Plattform Fenster und Fensterfassaden (Hrsg.): Thermografie am Bauteil Fenster, Merkblatt 006/2010, Wirtschaftskammer Österreich, Wien 2010

Schulungs-Anbieter*

www.de.tuv.com, www.fluke.de, www.icodata.de, www.infratec.de, www.irpod.net, www.irtraining.eu, www.messbar.de, www.pce-instruments.de, www.testo.de, www.trotec.de, www.vds.de

* Ohne Anspruch auf Vollständigkeit


Der Autor

Dipl.-Ing. Marian Behaneck ist freier Journalist mit den Schwerpunkten Software, Hardware und IT im Baubereich.

Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de