Bei meinem Werkstattbesuch in Neudingen werde ich sehr herzlich von Firmengründer Hermann Widmann und seiner Gattin Monika sowie Geschäftsführer Jens Heide und Projektleiter Mike Hirt empfangen. Wir unterhalten uns in der besonderen Atmosphäre des neu sanierten, denkmalgeschützten Ausstellungsgebäudes. Wo ich sitze, nehmen sonst Kundinnen und Kunden Platz. Um uns herum viele Materialmuster sowie ein sehr großer Touch-Bildschirm, auf dem sonst künftige Wohn- und Lebensträume präsentiert und perfektioniert werden. Sehr beeindruckend und inspirierend. Man fühlt sich sofort wohl.
Kontinuierliches Wachstum
Hermann Widmann hat 1980 seinen Schreinermeister und sich 1984 mit einem Gesellen und einem Azubi selbstständig gemacht. Zwei Jahre später errichtete er auf dem elterlichen Grundstück am heutigen Standort ein Werkstattgebäude. Die Fläche ist im Laufe der Jahre stetig gewachsen und beträgt heute 1600 m². Ebenso stetig gewachsen ist die Mitarbeiterzahl. Heute planen, konzipieren und produzieren insgesamt 25 engagierte Menschen ausschließlich hochwertige Möbel und Innenausbauten mit allen gewünschten Funktionalitäten und Ausstattungen bis hin zu Beleuchtung, Stoffen und Bespannungen. Widmann bildet auch aus Überzeugung aus. In der Regel startet jedes Jahr ein junger Mensch seine Schreinerlehre in Neudingen.
Die Raum- und Möbelgestaltung wird mit jedem Kunden persönlich erarbeitet. Schon in der Planungsphase ermöglicht die 3D-Visualisierung einen sehr realistischen Eindruck vom späteren Endprodukt. Das kommt sowohl bei der Privatkundschaft als auch bei Kunden mit Aufträgen aus dem Objektbereich an, die Widmann die Ausstattung von Arztpraxen, Fitnessstudios oder auch Schulen und Kindergärten anvertrauen.
Flexibler und leistungsstarker Netzwerker
Widmann hat sich 2010 auf Plattenbearbeitung spezialisiert. Wenn Massivholz gefordert ist, arbeitet die Schreinerei mit starken Netzwerkpartnern zusammen. Umgekehrt ist man selber auch als Zulieferer beispielsweise von CNC-Teilen für Kollegen unterwegs.
Seit neun Jahren sorgt in diesem Bereich die Konzeption, Planung und Fertigung sowie auch Lagerhaltung von Fitnessgeräten – besser gesagt: eines sehr innovativen Beweglichkeitskonzeptes – aus Holz für eine solide Grundauslastung in der Fertigung. Die beiden Homag-CNCs laufen bei Widmann den ganzen Tag. Maschinentechnisch gesellen sich eine liegende Plattensäge, Kantenanleimmaschine sowie die üblichen Standard-Schreinereimaschinen dazu.
Digitalisierung: Weichen gestellt
Der Hauptgrund für meinen Werkstattbesuch ist das Thema Digitalisierung. Jens Heide, Schreinermeister und seit drei Jahren neben Hermann Widmann Geschäftsführer: „Wir sind vor zwei Jahren mit unserer bisherigen Branchensoftware an Grenzen gestoßen und haben uns nach intensiver Marktrecherche für die Investition in die ERP-Software Triviso entschieden.“
Dann hat das Team viel Zeit aufgewendet, um die eigenen Abläufe und Prozesse zu hinterfragen und ganz neu zu definieren. „Seien es Zahlungsmodalitäten, Stammdaten, Standardisierungen oder vieles andere mehr: Wir haben die Einführung der ERP-Software als Chance gesehen und auch genutzt, uns daten- und prozesstechnisch neu aufzustellen.“ So nebenbei, ergänzt der Schreinermeister, gehe das allerdings nicht. „Wir haben in die Einführung ein Jahr lang eine 50-Prozent-Stelle investiert.“
Flexible Branchensoftware
Triviso ERP ist eine modulare Software für Schreinereien, Holzbau- und Metallbaubetriebe, die sich exakt nach Kundenwunsch bis hin zum individuellen Komplettpaket mit Anbindungen an CAD, Finanzbuchhaltung und Maschinen konfigurieren lässt. Besonderheiten sind beispielsweise die Dokumentbearbeitung (es wird direkt in Dokumenten gearbeitet) oder die Zeiterfassung mit der Möglichkeit des Direktrapports. Zudem lassen sich Bilder in Projekte einbinden sowie Materialien direkt auf der Baustelle erfassen.
Bei Widmann sind u. a. diese Module im Einsatz: Basismodul Vertrieb, Produktion, Einkauf, Vorerfassung Debitoren und Kreditoren, Informationsbildschirm, Abwesenheitsplanung, Leitstand, Direkterfassung, diverse Schnittstellen (Tapi, Outlook, TopSolid-Wood, Vectorworks, ComNorm, Zuschnittexport Datamatic, Datev).
Jens Heide: „Triviso hat alles drin, was wir brauchen. Alle wichtigen Funktionen laufen inzwischen. Jetzt machen wir uns Stück für Stück an die nice-to-haves.“ Er schätzt vor allem Funktionen, die den Arbeitsalltag gegenüber früher sehr erleichtern. Beispiel dafür ist die ComNorm-Schnittstelle. Sie integriert den schnellen und direkten Zugriff auf das Angebot namhafter Zulieferer (Würth, Opo Oeschger, Ostermann, Häfele und ZEG) in die Branchensoftware und ermöglicht extrem einfache und schlanke Bestellprozesse. Intensiv werden auch die Kapazitätsplanung (Feinplanung) und Kalkulation genutzt. Jeder Auftrag wird nachkalkuliert. Die Zeiterfassung erfolgt tagesaktuell mit Tablet-PCs. Auf einem großen Info-Monitor in der Werkstatt werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Triviso verschiedene Informationen zur Verfügung gestellt, beispielsweise die Arbeitseinteilung und Urlaubsplanung.
Aufmaß und Arbeitsvorbereitung papierlos
Seit fünf Jahren setzt das Widmann-Team auf ein komplett papierloses Aufmaß mit dem Leica 3D Disto. In Kombination mit einem Tablet, auf dem bei Bedarf Bilder ergänzt und/oder auch Notizen erstellt werden, ist der Workflow hier 100 % digital.
Daten für die Produktion
Die Entwurfsplanung erfolgt immer mit Vectorworks Architektur. Ist ein Entwurf vom Kunden freigegeben, geht es an die Konstruktion. Hier setzt die Schreinerei seit 2017 auf das 3D-CAD-Programm TopSolid-Wood. Nach der Konstruktion eines Möbel- oder Innenausbauauftrags werden die Teiledaten aus TopSolid-Wood via CAM-Schnittstelle für die CNC-Bearbeitung an Homags Programmiersoftware Woodwop übergeben.
Über das Schnittstellencenter MT-Connect gelangen stücklistenrelevante Daten zu Triviso. Von dort aus werden die erforderlichen Teileinformationen an die Homag-Zuschnittoptimierung (inklusive Etikettendruck) auf der liegenden Plattenaufteilsäge exportiert. In diesen Fällen ist also bereits eine vorbildliche Durchgängigkeit realisiert.
Dran bleiben, aber mit Augenmaß
Das Widmann-Team hat bereits viel geschafft, aber selbstverständlich auch noch einiges vor. Eine Idee, erzählen die beiden Schreinermeister Jens Heide und Mike Hirt, sei die papierlose Werkstatt. Aber soweit sei man noch nicht. Bei solchen Themen sei es auch extrem wichtig, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv mit ins Boot zu holen. Ein konkreteres Ziel ist etwa die noch konsequentere Realisierung durchgängiger CAD/CAM-Prozesse. Aber auch ganz undigital macht die Schreinerei bereits heute und sicher auch in Zukunft eine ziemlich gute Figur. Hermann Widmann ist stolz auf seine CO2-neutrale Produktion. Das Unternehmen produziert schon heute 70 % des Strombedarfs selber und setzt darüber hinaus konsequent auf Regionalität und die damit verbundene Nachhaltigkeit.
Innenausbau Widmann GmbH
Technologiepartner:
Triviso GmbH
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