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Klein, aber oho

Rolf Geys investiert da, wo es Sinn macht, und ist mit Messebau erfolgreich
Klein, aber oho

Die Geys´sche Möbelwerkstatt: Ein typischer Drei-Mann-Betrieb. Keine Datendurchgängigkeit. Kein automatisches Plattenlager. Aber eine Menge Kreativität, Wagemut und Kampfgeist. Und, naja, eine 5-Achs-CNC hat Schreinermeister Rolf Geys inzwischen auch. Dazu sind die Teile im Messebau doch zu komplex und schnell muss es halt auch immer gehen.

von Jacqueline Koch

Schreinermeister Rolf Geys ist keiner, der sich leicht aus der Ruhe bringen lässt, aber irgendwann wurde es ihm doch zu viel: „Ich lese BM eigentlich immer interessiert, aber manchmal finde ich die Berichterstattung ziemlich einseitig und das ärgert mich. Da beginnt ein Artikel beispielsweise mit den Worten „wenn die Säge mit dem Lager“ und berichtet vom perfekten Datendurchfluss und modernster Software in einer luxuriös ausgestatteten 60-Mann-Schreinerei. Dabei ähneln die meisten Schreinereien in Deutschland wohl eher uns. Eine kleine Schreinerei, deren Mitarbeiter man an einer Hand abzählen kann und für die Großinvestitionen etwas Besonderes sind.“ Dass aber genau diese Betriebe mit Kopf und Herz Erfolg haben, zeigt Rolf Geys, der sich 1995 in seiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck selbstständig gemacht hat.

Kreative Lösungen für komplexe Aufgaben

Typische Aufträge seiner Schreinerei sind komplexe Aufgaben, deren Lösungsweg komplett in Rolf Geys’ Hand liegt. „Ich bekomme Aufträge mit der Prämisse, dass sie am Ende toll auszusehen haben, der Weg dahin bleibt meist völlig mir überlassen“, bestätigt Geys. Es gibt Projekte mit unzähligen gewölbten Flächen, abnehmbaren Deckeln und viel Innenleben. „Das muss ich erstmal im Kopf zerlegen und überlegen, wie ich das fräse.“ Wie kann ich es noch spannen, wie viele Sauger passen darunter? Viele Fragen, die oft nach raffinierten Antworten verlangen. Antworten, die von den Konstrukteuren nicht berücksichtigt werden. Abstrakte Auftragsskizzen sind Alltag und lassen viel Spielraum für die Umsetzung. Eine Freiheit, die Rolf Geys genießt, da sie genau das von ihm fordert, was er liebt und wofür er und sein Team bekannt sind: komplexe Aufgaben kreativ lösen. „Jede Form braucht einen Mutigen, der sie fertigt,“ lautet seine Devise.

Zeitdruck gehört zum Messebau dazu

Doch auch sein technisches Know-how und viel Hintergrundwissen sind vor allem bei Exponaten für die Automobilindustrie ein echtes Plus. Rolf Geys weiß, was im Auto verbaut wird, worauf er achten muss und kann sich so als Experte präsentieren. „Ein guter Verkäufer bin ich nicht, aber im Finden von technischen Lösungen bin ich wirklich gut, das wissen meine Kunden zu schätzen“, erklärt Geys. Dieses grundlegende technische Verständnis dieser speziellen Branche ist nicht selbstverständlich. Reklamationen sind sehr selten und seine Kunden Stammkunden – vor allem in seinem Metier, dem Messebau. Die Kunden sind meist Experten für Messe-Exponate und Ausstellungsbau sowie Showroomgestaltung. Dazu kommen andere Schreiner oder Messebauer, die Teile auf der CNC fräsen lassen oder komplexe Fertigungselemente brauchen. Privatkunden sind selten, aber gern gesehen, so Geys.

Wenn ein Messebauprojekt über eine Anfrage anläuft, schnauft Geys meist erstmal durch: „Zuerst einmal muss ich rausfinden, welche fünf der 360 Seiten Information eigentlich für unsere Arbeit interessant sind. Dazu ein paar Skizzen, anhand derer ich abschätzen muss, was das kosten könnte.“ Konstrukteure und Architekten geben meist nur einen groben Rahmen vor. „Manchmal sind das recht wagemutige Schätzungen, die auch mal schief gehen können, aber im Durchschnitt passt es“, erzählt Rolf Geys mit einem zufriedenen Lächeln. Nachdem er seine Vorschläge an den Kunden zurückgeschickt hat, hört er meist erst mal nichts und dann kommt ohne Nachfragen das Go für den Auftrag.

Ein Problem ist oft die geringe Vorlaufzeit. Zum Teil weiß Rolf Geys nicht, was er in 14 Tagen bauen wird. Es gibt Indizien, Anfragen, aber meist liegt nichts Konkretes auf dem Tisch. Aber das ist Alltag in seinem Metier und es wird immer kurzfristiger. Hochbezahlte Designagenturen und Architekten diskutieren Monate über irgendeinen Radius und wenn die Entscheidung steht, wird noch drei Wochen konstruiert; gebaut werden soll es aber, so Geys, möglichst in drei Tagen.

Ungewöhnlich: Drei Mann mit 5-Achs-CNC

Was also zu jedem Auftrag fast schon standardmäßig dazugehört: Zeitdruck. Es muss immer schnell gehen und dann muss es passen, da verschiedene Gewerke zeitgleich vor Ort arbeiten. Das war ein Grund für Rolf Geys, schon früh eine der wenigen größeren Investitionen für seine Schreinerei zu tätigen, und zwar in eine CNC und eine Thermo-Umformstation.

2007 kaufte er sich die erste CNC. Inzwischen ist er von einer 3-achsigen auf eine 5-Achs-CNC umgestiegen. Damit sind auch die letzten Grenzen in der Bearbeitung passé. „Müsste ich diese CNC hergeben, würde ich wahrscheinlich auch mit dem Schreinern aufhören, man gewöhnt sich einfach so schnell daran.“ So gesehen zählt die Geys´sche Möbelwerkstatt bereits zu den Ausnahmen, denn eine Drei-Mann-Schreinerei mit einer 5-Achs-CNC ist auch nicht alltäglich.

Verstärkung fürs Team gesucht

Praktisch zu der 200 000 Euro teuren CNC-Fräse wäre oft noch eine leistungsstarke CAD-CAM-Software, aber hier hört der Luxus der Geys´schen Möbelwerkstatt auch schon wieder auf und das aus gutem Grund: „Natürlich könnte ich passend zu meiner CNC auch die Software erneuern, aber 30 000 Euro für etwas auszugeben, das nicht täglich gebraucht wird, dadurch nie richtig erlernt werden kann und das auch anders geht? Warum?“ fragt Geys. Bisher ist er auch so immer zum Ziel gekommen, allerdings will er im Zuge seiner aktiven Mitarbeitersuche auch eine Investition in diesem Bereich nicht ausschließen. Denn er sucht nicht nur Gesellen und Meister zur Verstärkung seines Teams, er hat bereits das Thema Nachfolge im Sinn. Im Idealfall interessiert sich ein Schreiner für seine ausgeschriebenen Stellen, der auch gerne komplexe Aufgaben löst, nach kreativen Lösungen sucht und mit neuen Werkstoffen experimentiert und der seine Zukunft als Chef seiner eigenen Schreinerei sieht. „Ich würde gerne mit einem Kollegen zusammen die Schreinerei in den nächsten Jahren weiter ausbauen, noch mehr Stammkunden gewinnen und dann mit einem guten Gefühl die Tage auf meinem Segelboot am Ammersee verbringen“, bestätigt Rolf Geys. Und dass die Schreinerei eine gute Option ist, zeigt ein Blick auf die Vita.

Investieren ja, aber in das Richtige

Zuerst arbeitete Rolf Geys in einem kleinen Bauernstadl mit uralten Maschinen. 2003 erwarb er Gewerbegrund in Fürstenfeldbruck und baute eine Halle mit 600 m2 Grundfläche. Oben Büro und Ausstellungsfläche, unten Werkstatt und Lager. Perfekt ausgelegt auf ein Vier- oder Fünf-Mann-Team. Auch maschinell ist die Möbelwerkstatt heute wesentlich besser aufgestellt als in den Anfangsjahren. Damals wagte er noch nicht, von einer CNC auch nur zu träumen. Inzwischen aber steht auch eine neue Kantenanleimmaschine neben der 5-Achs. Sie ist jetzt ein Jahr alt.

Da die Geys´sche Möbelwerkstatt gerne innovative Technik nutzt, überlegt der Schreinermeister zudem, eine Lasermaschine zu kaufen. Auch diese Maschine ist nicht billig, aber er könnte damit ein Nischenprodukt für sich nutzen, nicht nur zum Gravieren, sondern auch, um Plexiglas für Schriften zu bearbeiten – vor allem im Messebau ein echtes Plus. „Auch wenn unsere Möbelwerkstatt zu den kleinen Schreinereien zählt, sind bestimmte Investitionen natürlich durchaus sinnvoll.“

„Rationalisierung und Handwerk 4.0 ist für große Firmen sicher gut und notwendig, aber für viele kleine reicht es, die Daten auf den Server zu laden und von der Maschine aus abzurufen. Genau betrachtet, bin ich so auch durchgängig“, schließt Rolf Geys seine Gedanken ab.

Geys‘sche Möbelwerkstatt

82256 Fürstenfeldbruck

www.geys.eu


Die Autorin

Jacqueline Koch studierte Volkswirtschaftslehre und ist freie Journalistin.

www.jkcommunications.de

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