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Ausbildung neu gedacht

DigiTS: Kooperationsprojekt will Digitalisierung in Tischlerausbildung verankern
Ausbildung neu gedacht

Bereits in der Ausbildung müssen wir junge Menschen auf die Anforderungen einer digitalen Prozesskette vorbereiten. Leider sieht der Ausbildungsrahmenplan keine spezifischen Module vor. Das muss sich ändern. DigiTS zeigt, wie das konkret aussehen kann.

von Sebastian Bächer

Die Digitalisierung in der Produktion hat das holzverarbeitende Gewerbe längst erreicht. Doch eine Umstrukturierung der Tischlereibetriebe läuft erst langsam an und auch die Ausbildung ist noch nicht darauf ausgerichtet. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Betriebe künftig allerdings Fachkräfte beschäftigen, die in der Ausbildung auf die Anforderungen einer digitalen Prozesskette vorbereitet werden. Bisher sieht der Ausbildungsrahmenplan keine spezifischen Module vor.

Eine Kooperation im Rheinland will dies nun ändern: Im Rahmen des Projekts DigiTS (Digitalisierungslehrgang von Tischlern und Schreinern) hat sich eine Interessensgruppe zusammengeschlossen, welche überprüft, inwiefern der bisherige Ausbildungsrahmenplan sowie auch die Unterweisungspläne der überbetrieblichen Einrichtungen der Digitalisierung tatsächlch gewachsen sind.

Eine Vorabstudie in Form eines Lehrgangs, in dem Auszubildende theoretisch und praktisch an entsprechende Inhalte herangeführt werden, ist erfolgreich gelaufen. Ein Ziel könnte es also sein, die Digitalisierung in die bestehenden überbetrieblichen Lehrgänge mit zu integrieren. Allerdings benötigt man dafür einen Bildungsauftrag, gut ausgebildete Lehrer, Lernortkooperationen zwischen den Berufsschulen und den überbetrieblichen Einrichtungen sowie eine zentrale Lernplattform, auf der Lerninhalte den Lehrern und Auszubildenden zur Verfügung gestellt werden. Es zeigt sich dabei: Die Digitalisierung trägt dazu bei, dass die einzelnen Instanzen des Dualen Ausbildungssystems näher zusammenrücken und enger miteinander kooperieren müssen.

Neue Inhalte für neue Produktionsmethoden

Mit Industrie 4.0 findet auf breiter Front eine neue technologische Revolution ihren Weg in die Produktion: Im Zuge der Digitalisierung wird die physikalische Umwelt zusehends nahtlos in Informationsnetzwerke integriert und eröffnet so den Weg zu einer vollständig digitalen Produktionskette – vom Kundenauftrag über die Konzeption und Fertigung bis hin zur Logistik.

Die Digitalisierung ist kein Trend, der wieder vergeht. Und während sich etwa die metallverarbeitende Industrie schon lange mit CNC-gestützter Fertigung, 3D-Druck und Vernetzung der Maschinen befasst, beginnt das holzverarbeitende Gewerbe vergleichsweise langsam mit den Umstrukturierungsmaßnahmen. Neue Produktionsmethoden benötigen für das Realisieren komplexer Geometrien außer handwerklichen Fertigkeiten auch umfassende Verfahrens- und Konstruktionskenntnisse. Um den Anschluss nicht zu verlieren, müssen Tischlereien und Schreinereien in erster Linie ihre Fachkräfte bereits während der Ausbildung umfassend und gut auf die Tischlerei 4.0 vorbereiten.

Rheinländische Kooperation zeigt, wie es geht

Angespornt durch die Erkenntnis, dass die überbetriebliche Ausbildung der Tischler-Auszubildenden bislang keinen Lehrauftrag hat, die digitalisierte Fertigung in die Ausbildung zu integrieren, hat sich im Rheinland eine Interessensgruppe aus fünf Initiatoren aus dem dualen Ausbildungssystem geformt: Ein Meister der überbetrieblichen Ausbildungsstätte der Handwerkskammer Köln, zwei Lehrer vom Berufskolleg Bergisch Gladbach, die Inhaber der Tischlereien Bächer Bergmann und Feinschnitt, die gleichzeitig Vorstandsmitglieder der Tischlerinnungen Bergisches Land und Köln sind. Sie beschlossen im Sommer 2016 gemeinsam, die Digitalisierung in der Tischlerausbildung anzugehen.

Es wurde die Idee eines Pilotprojektes geboren, eine überbetriebliche Unterweisung für Tischler-Azubis ins Leben zu rufen, in der diese die praktische Umsetzung der digitalen Prozesskette selbst erfahren sollten. Dazu wurden Lehrinhalte entwickelt, um Auszubildende aus dem dritten Lehrjahr in den Berufsschulen auf diese Woche vorzubereiten.

Zwangsweise führt der neue Lernstoff zu einem Überdenken der momentanen Ausbildungsinhalte. Ohne Aktualisierung dieser Inhalte wird die Implementierung der neuen digitalen Prozess- und Fertigungsmöglichkeiten nur schwer umzusetzen sein.

Erfolgreiche Vorabstudie

Aus den Überlegungen ging das Projekt DigiTS hervor. Hier haben die Akteure entschieden, in welchem Umfang und mit welchen Inhalten die Vorabstudie in den Ausbildungsplan integriert werden sollte. Inhaltlich baut der Lehrgang insofern auf dem generellen Ausbildungsrahmenplan auf, als die Schülerinnen und Schüler auf ihre bereits erworbenen handwerklichen Vorkenntnisse zurückgreifen müssen. Neu sind der Umgang mit CAD-Zeichenprogrammen sowie Grundlagen für das Bedienen von CNC-Bearbeitungszentrum, 3D-Drucker und Laserschneidemaschine sowie das Kennenlernen wichtiger Dateiformate.

Dieser Lehrgang fand dann an insgesamt 14 Tagen als Vorabstudie mit Tischler-Auzubis statt, in der diese anhand einer eigens dafür konzeptionierten Aufgabenstellung alle wesentlichen Schritte der Fertigungskette kennenlernten und praktisch erfuhren.

Fünf Tage wurden im überbetrieblichen Lehrzentrum Butzweilerhof durchgeführt, neun im Berufskolleg. Im Rahmen der Studie konstruierten die Schülerinnen und Schüler im Berufskolleg mittels der 3D-Software Pytha ein Longboard samt passendem Aufbewahrungsmöbel. In der überbetrieblichen Ausbildungsstätte ging DigiTS dann in die Fertigung, in der nicht nur mit den klassischen Tischlereimaschinen, sondern auch mit CNC-Bearbeitungszentrum, 3D-Drucker und Laserschneidemaschine gearbeitet wurde.

Das Interesse der beteiligten Tischlereien an einer Modernisierung der Ausbildung ist hoch und auch die Unternehmen, die die neuen Technologien noch nicht einsetzen, erkennen langsam den Handlungsbedarf. So haben 95 % der Betriebe die Auszubildenden für die Vorabstudie freigestellt.

Durchweg positive Rückmeldungen

Im Anschluss an den Lehrgang füllten die Jugendlichen einen Fragebogen aus. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Da sie im Verlauf der Fertigung einerseits Erfahrungen mit der digitalen Schnittstelle, Dateiformaten und Bedienung der Maschinen sammeln konnten und andererseits z. B. mit dem Verleimen von Furnieren auch händisch tätig wurden, beschrieben sie ihre Einblicke als umfänglich und lehrreich. Am besten bewerteten sie das Maß der Gestaltungsfreiheit, die die Aufgabenstellung von DigiTS bietet, die Vernetzung zwischen ÜBL und Berufsschule sowie das Maß an Eigenverantwortlichkeit in den Planungsteams. Die Lehrkräfte beurteilten die Motivation der Schülerinnen und Schüler als hoch und die Lernerfolge als sehr gut. Darüber hinaus konnten hier auch leistungsschwächere oder unauffällige Schüler ihre Fähigkeiten zeigen. Dieser Erfolg ist auch zurückzuführen auf die gelungene Lernortkooperation zwischen dem Berufskolleg und dem überbetrieblichen Zentrum. Derzeit wird ein Konzept für eine Lernplattform entwickelt, die gleichermaßen von allen Kooperationsbeteiligten genutzt werden könnte und auf der sich für die Fertigung benötigtes Datenmaterial befindet.

Blick in die Zukunft

Bislang fehlt der Bildungsauftrag für überbetriebliche Einrichtungen, was die Vermittlung digitaler Lerninhalte betrifft. Der Fachverband Tischler NRW hat in Kooperation mit den Bezirksregierungen des Landes NRW eine Fortbildung für Ausbilder zum Thema CAD/CAM in die Wege geleitet. Diese soll erstmals im Schuljahr 2018/19 angeboten werden und wurde auf der Berufsbildungstagung in Lünen vorgestellt. Auch fehlt es an Lernortkooperationen samt erforderlicher Infrastruktur.

DigiTS möchte wesentlich dazu beitragen, dass sich dieser Umstand ändert. Aktuell ist auf Basis der oben beschriebenen DigiTS-Vorabstudie ein Pilotprojekt an verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen geplant, die anschließend evaluiert werden sollen. Im Anschluss soll eine Entscheidung darüber fallen, ob und in welchem Rahmen DigiTS in die Ausbildung integriert wird. Sollte dies eintreffen, wäre Nordrhein-Westfalen in Sachen „Tischlerausbildung 4.0“ ein echtes Vorbild.

www.facebook.com/digits.education

www.foraus.de/html/foraus_7006.php

 

Zu diesem Beitrag erreichte uns folgender Leserbrief von Rainer Gall:

„Ob der Autor das Thema nur aus seiner Sicht kennt?“

„In der neuesten Ausgabe von BM sind mehrere Artikel zum C-Thema (…). Tenor: in der Ausbildung müsse sich die Digitalisierung widerspiegeln. Dem kann man nur zustimmen. Jedoch: In Baden-Württemberg ist das schon lange umgesetzt. In allen drei Ausbildungsjahren haben die Auszubildenden die Möglichkeit, die CAD-CNC-Fachkraft zu belegen.
Dort werden die im Artikel als so wichtig benannten CAD- und CNC-Grundkenntnisse vermittelt. In einem Zeitrahmen von 120 Stunden. Das ist mehr als ein ÜBA-Kurs leisten kann, der in NRW bevorzugt wird.
Wie viel Inhalt passt in zwei Kalenderwochen? Zudem ist der Lerneffekt allemal besser, wenn das Thema ständig behandelt wird und nicht einmal in geballter Ladung. Über die Hälfte der Auszubildenden nimmt freiwillig an diesen Kursen teil!
Seit 2012 gibt es diese Ausbildung in Baden-Württemberg landesweit nach einem verbindlich definierten Lehrplan des Kultusministeriums. Von den 38 Beruflichen Schulen haben (bis auf 4) alle eine CNC-Maschine, in manchen Schulen steht nun schon die zweite oder dritte. Die Lehrer sind ausgebildet. Bevor der Lehrplan geschrieben wurde, liefen mehrere Kurse, in denen Erfahrungen gesammelt wurden. Die Ausbildung schließt mit einer Prüfung ab, zu der alljährlich ein Aufgabensatz erarbeitet wird, der wiederum landesweit für alle Prüfungsteilnehmer der gleiche ist.
Der Autor betont immer wieder die Rheinsicht. Ob er das Thema nur aus dieser Sicht kennt? Weiter im Süden, unterhalb der Mainlinie, wird manches einfach pragmatisch schnell gemacht. Sei es am Neckar oder auch an der Isar.
In Baden-Württemberg, wie auch in weiteren Bundesländern, wurde ganz bewusst nicht die Vermittlung in einem ÜBA-Kurs bevorzugt, sondern in den Schulen. Und wenn die Schulträger die Maschinen beschaffen und die Werkstätten einrichten, wenn das Kultus‧ministerium die Lehrer ausbildet, so dürfte der breite Konsens die Wichtigkeit der C-Ausbildung bestärken. Die Frage bleibt, ob Nordrhein-Westfalen tatsächlich ein echtes Vorbild ist.“

gez. Rainer Gall, Berater Formgebung und ‧Weiterbildung, Landesfachverband ‧Schreinerhandwerk Baden-Württemberg

 


Der Autor

Tischlermeister Sebastian Bächer ist Geschäftsführer der Tischlerei Bächer Bergmann und Mitinitiator von DigiTS.

Webseite: digital.productions


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