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Das Ei des Kolumbus

Fertigung eines komplexen Meisterstückes
Das Ei des Kolumbus

Die ovale Form eines Eies oder besser die eines Ovoids als Grundform für ein Meisterstück zu nutzen, würde wohl die meisten Schreiner vor unlösbare Probleme stellen. Nicht so Christoph Müller aus Übrigshausen. Seinen Terrariumschrank aus Eiche ziert ein Vitrinenaufsatz aus Mineralwerkstoff in Form eines aufgebrochenen Eies.

BM-Redakteur Heinz Fink

Es gibt wenig komplexere Formen in der Natur, als die eines Eies. Perfekt und ebenmäßig geformt, und trotz seiner Zerbrechlichkeit ein Wunderwerk der Statik, umhüllt es seinen Inhalt schützend und sicher. Diese Eleganz und Perfektion hatte es auch Christoph Müller aus dem hohenlohischen Übrigshausen angetan, als er auf der Suche nach einer Form für sein Meisterstück war.

Ein Terrariumschrank sollte es werden, das wusste der Schüler der Meisterschule in Schwäbisch Hall schon bald, mit einem fünfeckigen Unterschrank in Asteiche. Doch die Form für den vitrinenartigen Aufsatz war noch nicht klar. Das Bild eines zerbrochenen Eies brachte schließlich die Lösung: Der hölzerne Unterbau sollte einen nach vorne verglasten Vitrinenaufsatz in Form eines überdimensionierten, mit zackigen Rissen überzogenen Eies aus weißem Mineralwerkstoff erhalten. Und als ob die Herstellung eines solch komplexen geometrischen Körpers nicht schon Herausforderung genug gewesen wäre, entschloss sich Christoph Müller, den Zugang zum Terrarium als nach oben öffnende Hochschwenkklappe auszuführen.

Komplexe Fertigungstechnik

Vor der Herstellung des Eis galt es zuerst einmal die Zeichnungen für die Schablonen zur thermischen Verformung des 12 mm starken Mineralwerkstoffes (LG Hi Macs) zu erstellen. Dies geschah, wie die gesamte Konstruktion des Meisterstückes, auf einer Schulversion des Zeichenprogrammes Pytha. Da dem Meisterschüler kein CAM-Programm zur Verfügung stand, mussten die Daten sehr zeitaufwendig in Millimeterschritten als DXF-Dateien an das 5-Achs-Bearbeitungszentrum (Morbidelli Author X5) übertragen werden. Die anschließende Verformung der in der Furnierpresse auf 160° erhitzten Mineralwerkstoffteile, erfolgte in einer Vakuumpresse. Die Formen dienten jedoch nicht nur zum Biegen der Eierschalen, sondern waren als Halte- und Stützschablonen auch für die weitere Bearbeitung der Formteile unerlässlich.

Eine Herausforderung stellte auch die Formatierung der einzelnen Eierschalen dar, denn die bruchförmigen Stoßkanten mussten aufwendig per Hand angearbeitet werden. Dazu positionierte Christoph Müller einen Laser an einer Führungsschiene über dem auf die Schablone aufgelegten und eingerichteten Ei-Segment und projizierte die Eckpunkte der Bruchkanten über eine Lochschablone vertikal auf die Oberfläche der Formteile. Die zackenförmige Kontur wurde dann mithilfe einer Lamellofräse und Japansäge ausgearbeitet und auf das Gegenstück mit einer gleichmäßigen Fuge von 4 mm exakt angepasst.

Nicht ganz einfach war es auch, die Bohrungen für die 3 mm starken Verbindungsstifte parallel und lotrecht zu den Stoßkanten einzubringen – auch hier kamen zahlreiche Schablonen zum Einsatz.

Anspruchsvolle Denksportaufgabe

Eine wahre Herausforderung, neben der Fertigung der Eiform, stellte laut Christoph Müller aber auch die Klappe zur Öffnung des Terrariums dar. Schon die Ermittlung des oder besser der Drehpunkte für den Klappenlift war eine anspruchsvolle Denksportaufgabe. Galt es doch die Bewegung von vier (!) Obertürschließern (Geze TS 5000) – je zwei davon links und rechts – zu koordinieren, um die Klappe kollisionsfrei aus der Kontur der Bruchkanten herauszuheben und in geöffneter Stellung sicher zu positionieren. Eine Musterschale diente hier in der Endphase zum Fine-Tuning.

Die dazu notwendigen, komplex geformten Bewegungsarme fräste Christoph Müller aus 13 mm starkem Vollkernmaterial, das beidseitig in Eiche furniert wurde. Die Halterung an der Mineralwerkstoffschale erfolgt über ein speziell angepasstes Halteteil aus Massivholz, das mittels Einschraubmuffen und metrischen Schrauben an der Klappeninnenseite befestigt wurde. Für die Zuhaltung der Klappe sorgt ein vom Meisterschüler selbst entwickelter, federnd gelagerter Verschluss aus Holz (siehe Zeichnung).

Schlichter Unterbau

Der schlichte Unterbau in lebhaft gezeichneter Asteiche erscheint recht schlicht im Vergleich zur Komplexität des eiförmigen Terrariums, doch auch er weißt einige Raffinessen auf. Allein seine fünfeckige Form bedingt, dass alle vier darin integrierten Schubkästen mit unterschiedlich schrägen Eckverbindungen gefertigt werden mussten – alle von Hand und offen gezinkt! Drei davon sind auf mechanischen Vollauszügen mit Selbsteinzug und Tip-on-Technik (Blum Movento) geführt, der Vierte, direkt unter dem überstehenden Aufsatz ist auf einem selbst entwickelten, kugelgelagerten Vollauszug geführt. Alle Holzoberflächen wurden mit Hartwachs-Öl (Osmo) behandelt.

Christoph Müller, der seit Abschluss seiner Meisterprüfung in einem größeren Innenausbaubetrieb in der Region in der Arbeitsvorbereitung und als Werkstattmeister arbeitet, hat nach seinem Ausflug in die Welt der Eier-Produktion nach eigener Aussage „Respekt vor jedem Huhn, welches jeden Tag ein Ei legt!“

Denksportaufgabe: Die Vertikalschnittzeichnung verdeutlicht den komplexen Aufbau des Hebemechanismus für die Klappe des Terrariums.
Zeichnung: Christoph Müller
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