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Schreinern und Leben meistern

Entwicklungshilfeprojekt in Simbabwe bildet Schreiner aus
Schreinern und Leben meistern

Fernab von Simbabwes Hauptstadt Harare bildet eine Schreinerschule junge Menschen zu Handwerkern aus. Für viele ist es die seltene Chance auf eine Ausbildung und eine berufliche Perspektive. Dabei geht es nicht nur um Holz und Werkzeug, sondern um Zusammenleben unter einem Dach – und wenn das morsch ist, dann packen alle mit an.

Jessica Schallock

Heiß ist es und staubig. Draußen und bis in die Werkstatt hinein, wo normalerweise die Hobelspäne nur so fliegen. Jedoch: Der Betrieb steht still, denn das Dach braucht dringend Reparatur. Termiten und der Zahn der Zeit haben das Ihre getan. Das Gebäude ist eines von drei Häusern auf dem Farmgrundstück und dient dem Ekuthuleni Carpentry Project als Ausbildungswerkstatt. Wir sind in Gumtree, zwar nur 25 km von Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes, entfernt, jedoch trotzdem „mitten auf dem Land“. Um uns offenes Gelände, trockenes Buschland, Geräusche von näher und ferner gelegenen Gehöften und ein weiter stahlblauer Himmel. Das Werkstattdach der kleinen Berufsschule muss vor der Regenzeit repariert sein. Neun aufmerksame Augenpaare sind erwartungsvoll auf Johannes Blank gerichtet. Die Lehrlinge haben sich um den Schreiner aus Ravensburg geschart, der eine Zusatzausbildung als Arbeitserzieher hat und bereits 2011 für sein Praktikum nach Gumtree kam. Jetzt macht er aus seinem Urlaub einen Arbeitseinsatz, um Ekuthuleni zu unterstützen. Was für ein Glücksfall für die Auszubildenden! Wer steht schon im ersten Lehrjahr vor einem solch komplexen Projekt? Allerdings schauen Leader, Prince, Godknows, Berlin, Legal, Nkosikhona, Thungamela, Fikile und Nyasha noch etwas scheu. Wie fast alle Auszubildenden kommen sie aus ländlichen Gegenden und sind oft die Ersten ihrer Familie, die eine Berufsausbildung erhalten. Meist verlassen sie ihr Zuhause für die Bewerbung bei Ekuthuleni zum ersten Mal, wenn sie für ihr Interview und eine praktische Übung anreisen. Der Antritt der zweijährigen Berufsausbildung ist daher ein großer Schritt.

Mehr als eine Schreinerlehre

Helga Landsmann, die das Projekt aufgebaut hat, entwickelte ein erweitertes Ausbildungskonzept unter dem Motto „Training for life“. Dazu gehören Regeln und Pflichten, damit das Miteinander und die Versorgung funktionieren in einem Land, wo man sich auf wenig verlassen kann: Anbau von Gemüse für den täglichen Bedarf sowie Arbeiten im Wohnhaus und auf dem Gelände. In ihrer Lehrzeit werden die jungen Männer ihren Alltag miteinander meistern, kochen, waschen, ihren Haushalt führen, Konflikte klären und natürlich lernen, was es heißt, ein Dach professionell wieder instand zu setzen. Am Ende des Trainings bereiten sie sich gemeinsam auf die Gesellenprüfung vor. Vom ersten Tag an arbeiten die Lehrlinge sowohl an Werkstücken als auch an anfallenden Aufträgen der angegliederten Produktions-Schreinerei mit: Holzdecken werden angebracht, Möbel repariert, Sargbau geübt oder der Verkauf eigener Produkte auf den Weg gebracht.

Der Traum von der Super Carpentry

Über 100 Schreiner konnte das Ekuthuleni Carpentry Project seit seiner Gründung 1991 schon ins Leben und die berufliche Unabhängigkeit entlassen. Nun sorgen sie als gut ausgebildete Handwerker für sich und ihre Familien. „In meinem Heimatort brauchen die Leute gute Qualitätsmöbel. Meine Schreinerei werde ich später Super Carpentry nennen“, beschreibt der 21-jährige Legal Maseko sein Ziel. Wie die meisten Lehrlinge will er sich mit Möbelneubau und Reparatur selbstständig machen. Dabei ist es für ihn und seine Mitlehrlinge noch ein weiter Weg. Jetzt stehen sie neben Johannes, der zusammen mit dem Ausbilderteam Helga Landsmann und Mishack Mugiyo das Projekt in Angriff nimmt.

Das Dach hängt besorgniserregend durch. Die Termiten haben den Firstbalken zerfressen und die Dachplatten sind beschädigt. Die Lehrlinge legen ihre Stirnen in Falten. Johannes hat sie beauftragt, einen Plan zu machen. Für die Reparatur hat er nach Ankunft in Bulawayo alles Notwendige besorgt, mit Spenden, die er vor Projektbeginn in seinem Freundeskreis gesammelt hatte. Zu seinem großen Erstaunen war alles für den Materialeinkauf vorhanden: Kanthölzer, Gewindestangen, Muttern, Dachplatten … Seit seinem letzten Besuch hat sich das Warenangebot eindeutig verbessert, obwohl die allgemeine wirtschaftliche Lage im Land das nicht vermuten ließ. „Wie in Deutschlands Bau- und Handwerkerbedarf“, rief er lachend beim Ausladen.

Ein neuer Firstbalken muss her

Der Plan steht. Einer steigt auf die Leiter, zwei halten fest, um die Elektrokabel vom Dachbalken zu entfernen. Dann wollen sie die großen Dachplatten herunterheben und den Firstbalken austauschen. Während eine Gruppe die Platten vom Dach holt, baut der Rest der Truppe eine Stütze für das Dachgebälk. Jetzt verscheucht die sengende Sonne jeden Rest von Schatten und brennt gnadenlos herab. Es wird beschwerlich. Unter dem wachen Blick des Ausbildungsteams sägen die angehenden Handwerker den alten Balken in Stücke. Es muss ein neuer, stabilerer her. Dazu verschrauben Johannes, Fikile und Nyasha zwei handelsübliche fünf Zentimeter dicke Pine-Bretter zu einem tragfähigen Stück, dem neuen First. Stolz sind sie auf ihr Werk, als Mishack sie zusammenruft. Feierabend für heute und Kräfte sammeln! Als Prince noch einen Fußball aus dem Wohntrakt holt, gibt es kein Halten mehr, die Kicker jagen auf den zum Fußballfeld umfunktionierten Acker, johlen ausgelassen als Ausgleich für den fordernden Arbeitstag.

Gebete und Maisbrei stärken die Dachdecker

Der nächste Morgen beginnt früh um sieben mit einem gemeinsamen Gebet. Der Küchendienst hat Schwarztee und Maisbrei für alle gemacht. Gestärkt geht es weiter. Zunächst muss der neue Firstbalken angebracht werden. Mit vereinten Kräften heben die erfahrenen und angehenden Schreiner ihn hoch, verschrauben und vernageln alles solide. Um den Balken in der Mauer zu verankern, kommt Beton zum Einsatz. Danach wuchten sie die Dachplatten hinauf. Der fest einbetonierte tragende Balken wird nun zusätzlich mit zwei Stahlrohren von unten gestützt. Zwischendrin gibt es immer wieder Pausen – um das Vorgehen zu diskutieren, aber auch für Spiele und Späße. Für die ganze Lehrlingstruppe ist dieses Projekt „am lebenden Objekt“ aufregend und lehrreich. „Eine wissbegierige und offene Gruppe ist das,“ meint Johannes, „wir lernen voneinander.“ Die nächsten Tage verbringen sie mit abschließenden Reparaturarbeiten und Theorieeinheiten.

Hühner als Lehrgeld

Johannes Abreise steht bevor. Zum Abschluss und zur großen allgemeinen Freude lädt das Ausbilderteam alle zum Pizzabacken in die Stadt ein. Für die Auszubildenden ist Hefeteig ausrollen und belegen eine ganz neue Erfahrung. Es braucht zehn Bleche Pizza, bis die komplette Mannschaft satt ist! Am Firmament zeichnet sich ein gigantischer südlicher Sternenhimmel ab, noch bis spät abends werden Geschichten erzählt. Darüber, was es für die jungen Männer bedeutet, einen Beruf zu lernen, eine Schule zu besuchen, die weit von Zuhause entfernt liegt. Das trennt sie nicht nur beschwerliche Reisestunden von ihren Familien, sondern auch vom Leben zwischen Stadt und Land. „Das Schulgeld wird schon auch mal in Naturalien, durch Mais oder Hühner, geleistet“, erzählt Helga Landsmann. Ekuthulenis Lehrlinge haben meist nur wenig Bildung genossen und höchstens die 7. Klasse abgeschlossen. Denn das kostet Schulgeld, während Kleinbauern gleichzeitig jede helfende Hand auf dem kargen Acker gebrauchen können. Die handwerkliche Ausbildung bei Ekuthuleni ist deshalb oft die einzige Chance auf einen Beruf und eine Perspektive. Unsere findigen Neun werden ihre Chance nun unter einem frisch gedeckten Dach ergreifen.


Zusatz-Info

„Training for Life“ unterstützen

Aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation können die Lehrgangsteilnehmer und ihre Familien oft nur geringe Geldbeiträge aufbringen, die die Kosten der laufenden Ausbildung nur teilweise decken. Deshalb ist das Projekt auf Finanzierung aus weiteren Quellen angewiesen. Dies geschieht hauptsächlich von Deutschland aus über den gemeinnützigen Förderverein Ekuthuleni Projekte e. V. Um den bevorstehenden Schreinerkurs 2020/21 auf die Beine zu stellen, braucht es noch Unterstützung. Helfen Sie mit!

Weitere Informationen unter:

www.ekuthuleni-projekte.org

Spendenkonto:
DE92 6305 0000 0008 5313 06

Stichwort: Lehrgang 20/21

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